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Radikal anders
Vor einigen Jahren machte mitten in der Finanzkrise eine Meldung aus Deutschland Schlagzeilen, die auch die trockenen Gemüter in den Redaktionen der Wirtschaftsmedien verblüffte: Der verlässlichste Wirtschaftsmotor in schlechten Zeiten waren ausgerechnet die Familienunternehmen. Doch worauf ist ihr Erfolg begründet? 10 Facetten, die sie radikal anders machen. Von Markus Weishaupt.
Tatsächlich sprechen die Zahlen eine klare Sprache: In den Jahren zwischen 2006 und 2010 bauten die im DAX, dem Aktienindex der Frankfurter Börse, gelisteten Unternehmen rund sieben Prozent ihrer Mitarbeiter ab. Im gleichen Zeitraum erhöhte sich die Zahl der Mitarbeiter in den 500 größten deutschen familiengeführten Unternehmen um neun Prozent. Und das Phänomen beschränkt sich nicht auf Deutschland: Die TOP-500-Familienunternehmen weltweit erzielten im selben Zeitraum ein Beschäftigungswachstum von knapp elf Prozent. Das Modell »Familienunternehmen« erweist sich offenbar gerade in der komplexen, globalisierten Wirtschaftswelt des 21. Jahrhunderts als besonders erfolgreich.
Dahinter steckt oft eine Familie
Das Phänomen, das da als Folge der Krise in die Schlagzeilen rückte, ist natürlich keineswegs neu. Auch vor dem großen Crash kam den Familienunternehmen fast überall in Europa eine große, sogar entscheidende volkswirtschaftliche Bedeutung zu, vor allem in Österreich, Deutschland, der Schweiz und Italien, wo dieser Typ von Unternehmen zahlenmäßig bei weitem die Mehrheit repräsentiert.
Viele prominente Firmennamen finden sich in dieser Liste, bei den meisten wird der allgemeinen Öffentlichkeit gar nicht bewusst sein, dass dahinter eine Familie steht. Zumindest braucht es wohl einen Augenblick des Nachdenkens, bis klar wird, dass Porsche und Oetker, Miele, Fielmann, Lavazza, Pirelli, Bertelsmann und Bahlsen nicht einfach Marken, sondern auch Familiennamen sind.
Familien stehen aber auch hinter dem Schweizermesser-Hersteller Victorinox oder den Gummibären von Haribo – der Name ist eine Abkürzung für Hans Riegel Bonn. Lego und IKEA, Barilla, Bauli oder Bulgari sind ebenso Familienunternehmen wie die deutsche Geobra GmbH, von der zwar kaum jemand den Namen kennen wird, dafür aber jedermann die Produkte, nämlich die bei Kindern weltweit beliebten Playmobil-Figuren. Falls die Sprösslinge eher Überraschungseier und die darin enthaltenen Plastikminiaturen bevorzugen: Die stammen von einem der innovativsten Süßwarenkonzerne der Welt, der so heißt wie die Familie, der er gehört, nämlich Ferrero. Das deutsche Modelabel Joop ist ebenso im Familienbesitz wie die italienische Nobelschneiderei Ermenegildo Zegna oder die spanische Textilkette Zara.
Von wegen brav und bieder
Die Beispiele widerlegen das weitverbreitete Klischee, wonach Familienunternehmen meist Kleinbetriebe seien, die brav und bieder in ihrer Marktnische vor sich hinwerken. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass auch in den sogenannten Nischen Global Champions agieren, die technologisch ihre Branche anführen, gibt es Familienunternehmen in jeder Größenordnung. Auch die Börsennotierung ist kein Widerspruch zur Tatsache, dass eine Familie die Kontrolle über eine solche AG ausübt – meist ist es dann eine Familienstiftung oder eine Holding, die einen für die Kontrolle ausreichend hohen Aktienanteil hält.
Der Autor enthüllt in seinem gerade erschienenen Buch die geheime DNA, die allen erfolgreichen Familienunternehmen gemein ist. Genau zehn Eigenschaften unterscheiden die herausragenden Familienunternehmen von den soliden, die besten von den guten. Markus Weishaupt liefert damit das praktisch anwendbare Handwerkszeug für Familienunternehmen, die noch nicht in der ersten Reihe stehen, dort aber hinwollen.
Das Buch „Radikal anders – Die DNA erfolgreicher Familienunternehmen“ ist im Campus-Verlag erschienen (Bestellmöglichkeit hier).
Robuste finanzielle Strukturen
So erwirtschaften allein die 1.000 umsatzstärksten Familienunternehmen Deutschlands einen Umsatz von 1,65 Billionen Euro und beschäftigen über sieben Millionen Mitarbeiter, wie das Ranking von Die Deutsche Wirtschaft zeigt. Und eine Studie des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn, das im Rahmen seiner Frühjahrsbefragung 2014 eine repräsentative Stichprobe von 400 der 4.500 größten deutschen Familienunternehmen untersuchte, brachte den Nachweis einer regen Investitionstätigkeit unter den Großen im Family-Business. Im Schnitt steckten diese Unternehmen 5 Prozent ihres Jahresumsatzes in Sachinvestitionen, wobei mehr als drei Viertel der Investitionssumme in Projekte innerhalb Deutschlands flossen. Nicht weniger als 68,9 Prozent der Top-4.500 unter den Familienunternehmen haben zwischen 2004 und 2014 Maßnahmen für externes Wachstum ergriffen, in den meisten Fällen durch den Kauf von Unternehmen.
Robuste finanzielle Strukturen sind ein weiterer Befund dieser Studie: Rund zwei Drittel der angegebenen Investitionen in Sachanlagen wurden aus Eigenmitteln finanziert, 52 Prozent verwendeten Gewinne zur Stärkung ihrer Liquiditätsreserven. Die Wirtschaftstreuhand-Agentur PWC untersuchte im Herbst 2012 Familienunternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz und stellte fest: 70 Prozent hatten in den zwölf Monaten vor der Befragung ihren Umsatz gesteigert – also in einem Jahr, wo die Wirtschaft insgesamt stagnierte und das BIP lediglich um kaum wahrnehmbare 0,4 Prozent zulegte. 80 Prozent der Firmen erwarteten auch für die bevorstehenden fünf Jahre 2012–2017 ungebrochen weiteres Wachstum.
Die Statistik präsentiert also Familienunternehmen als überwiegend wachstumsstark und finanziell solide. Ihre große Bedeutung für die Volkswirtschaft rührt darüber hinaus aber auch daher, dass sie so zahlreich sind. In Deutschland können nicht weniger als 85 Prozent aller aktiven Unternehmen als Familienunternehmen eingestuft werden. Sie sind für 55 Prozent der Wirtschaftsleistung verantwortlich und beschäftigen 60 Prozent aller Arbeitnehmer. In Italien fallen über fünf der sechs Millionen Unternehmen in diese Kategorie, sie erwirtschaften 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts mit 75 Prozent aller Erwerbstätigen.
Mehr an Substanz interessiert, als an kurzfristigem Ertrag
Eine zentrale Ursache, warum Familienunternehmen so oft zur treibenden Kraft der Wirtschaft ihres Landes werden, liegt hierin: Wenn Unternehmen von ihren Eigentümern geführt werden, dann sind diese in der Regel an der Substanz mehr interessiert als am kurzfristigen Ertrag. In wilden Boomzeiten wirken Familienunternehmen daher für den einen oder anderen Betrachter vielleicht als ein wenig langweilig, weil sie nicht auf den allgemeinen Hype aufspringen. Wenn dann aber die unvermeidliche Abwärtswelle folgt, sind Familienunternehmen typischerweise ebenfalls nicht an Bord der sinkenden Schiffe, sondern navigieren mehr oder weniger ruhig auf ihr Ziel zu.
Zur Sicherheit muss hier angemerkt werden, dass die Überlegenheit der Familienunternehmen kein Naturgesetz ist. Die beschriebenen Eigenschaften treffen nicht zwangsläufig auf alle Familienunternehmen zu, es gibt im Gegenteil viele Beispiele, wo solche Unternehmen gerade daran scheiterten, dass eine Familie dahinterstand, die intern zerstritten war, oder dass aus dynastischen Gründen ein Sohn ans Ruder kam, der von seinen Fähigkeiten und Neigungen her zum Firmenchef einfach nicht geeignet war. Schlechte Manager werden nicht dadurch besser, dass ihnen die Firma gehört, deshalb gibt es natürlich auch Eigentümer, die kurzfristig denken oder Entscheidungen, die sie selbst fällen könnten, endlos an Gremien delegieren.
10 Merkmale, die Familienunternehmen auszeichen
Familienunternehmen sind nicht zwangsläufig erfolgreich. Sie sind es aber in auffallend hohem Maße, wie die Statistik und die volkswirtschaftlichen Kennzahlen immer wieder nachweisen. Dafür gibt es sachlich nachvollziehbare Gründe. Die schon in der Definition des Familienunternehmens angelegten Faktoren »Zusammenfallen von Eigentümerschaft und Unternehmensführung« sowie »generationenübergreifende Langfristigkeit« sind nur zwei von insgesamt zehn entscheidenden Merkmalen, die Familienunternehmen auszeichnen:
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Sie entscheiden schnell und trotzdem richtig: Konvergenz von Eigentum und Führung
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Sie bauen auf für die nächste Generation: Langfristigkeit
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Sie handeln nach den Gesetzen des ehrbaren Kaufmanns: Auf die Werte kommt es an
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Kompetenz, Einsatz, Loyalität: Das Geheimnis treuer Mitarbeiter in Familienunternehmen
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Spitz statt breit: Erfolg durch Konzentration auf Kernkompetenzen
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Innovationskraft: Die Lust, immer wieder neu anzufangen
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Internationalität: Der Markt ist die Welt
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Sie kümmern sich um Qualität und Kunden
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Familienunternehmer sind Herr im eigenen Haus: Unabhängigkeit als Wert
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Auf Wachstumskurs: Familienunternehmen sind in der Lage, Ihre Führungs- und Managementstrukturen anzupassen
Familienunternehmen können sowohl zähe Langlebigkeit entwickeln als auch an die Spitze der Exzellenzpyramide in ihrer Branche aufsteigen, wenn sie sich ihrer Stärken bewusst sind und die Herausforderungen ernst nehmen, die sich mit dem Wachstum und der Diversifikation ebenso stellen wie mit den Veränderungen in ihren Märkten. Irgendwann haben ja die meisten Firmen einmal als Familienunternehmen angefangen – verdanken ihre Gründung also der Vision eines einzelnen Unternehmers. Gianni Agnelli, Gründer von Fiat, brachte es einmal so auf den Punkt: »Jedes Unternehmen hat einmal als Familienunternehmen angefangen. Die Frage ist, wie lange es als solches überlebt.« Dass nicht alle überleben, dass auch von den Überlebenden nicht alle Familienunternehmen bleiben, hängt mit den Herausforderungen zusammen, die solche Unternehmen meistern müssen: wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben und zugleich die Familie bei der Stange zu halten, sodass sie ihr Bekenntnis zur Zukunft des Unternehmens und ihren Einsatz dafür aufrecht erhält.
„Du bist gefeuert, mein Sohn“
Die Interessen des Unternehmens und die der Familie können ja durchaus auch einmal in Konflikt geraten, wie eine typisch amerikanische Anekdote um den Unternehmer Stew Leonard illustriert.
Mister Leonard ist Eigentümer einer Lebensmittelkette, die an der US-Ostküste, vor allem in den Staaten New York und Connecticut, recht erfolgreich operiert und so heißt wie ihr Gründer, nämlich Stew Leonard’s. Alle seine Kinder arbeiten im eigenen Unternehmen – allerdings nicht alle mit dem gleichen Erfolg. So musste einmal der Leiter der Einkaufsabteilung den Big Boss informieren, dass einer der Söhne den Aufgaben nicht gewachsen sei und seine schlechte Performance schon zu Unruhe unter den anderen Angestellten führe. Der Vater reagierte umgehend, lud den (erwachsenen) Sohn ins Elternhaus ein und zog sich mit ihm in den heißen Whirlpool hinten auf der Terrasse zurück, wobei er einen Strohhut und eine Schirmmütze mit dem Firmenlogo an den Rand des Pools legte. Stew setzte die Firmenmütze auf und sagte zu seinem Sohn: »Das ist mein Chef-Hut. Du bist gefeuert.« Darauf wechselte er die Kopfbedeckung und fügte hinzu: »Das ist jetzt mein Vater-Hut. Sohn, es tut mir leid zu hören, dass du deinen Job verloren hast. Kann ich dir irgendwie helfen?«
Die Methoden können, wie man sieht, recht unterschiedlich sein. Doch die Hürden sind für alle Familienunternehmen die gleichen. Nur wer sie meistert, kann damit rechnen, über Generationen hinweg zu prosperieren.
Markus Weishaupt ist Experte für Familienunternehmen und geschäftsführender Gesellschafter von Weissman & Cie. Italia, Weissman Austria und Weissman Suisse, dreier Tochterunternehmen der WeissmanGruppe mit Sitz in Nürnberg, welche seit 30 Jahren auf die Beratung von mittelständischen Familienunternehmen spezialisiert ist. Er ist gefragter Unternehmensberater für größere, meist international ausgerichtete Familienunternehmen in den Bereichen Strategie, Führung und Organisationsentwicklung und begleitet Unternehmerfamilien in den Nachfolgeprozessen und als Mitglied von Familien- und Beiräten.
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