2024: Nichts für schwache Nerven

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Bauernproteste läuten bereits den Jahresanfang ein. Europa- und Landtagswahlen mit Erdrutsch-Potential für die etablierten Parteien folgen. Dieses Jahr wird nichts für schwache Nerven. Das zeigt auch unser Stimmungsüberblick zu den wirtschaftlichen Perspektiven.

„Die deutsche Wirtschaft leidet darunter, dass sie nicht planen kann“

IW-Direktor Michael Hüther sagt angesichts der traditionellen Verbandsumfrage zum Jahreswechsel des Instituts, die selten eine düstere Lage und pessimistischere Prognose wie derzeit, ergeben hat: „Die deutsche Wirtschaft leidet flächendeckend darunter, dass sie nicht planen kann. Die Ampel verspricht viel und hält wenig. Das Desaster um den Haushalt zeigt, wie gravierend die Lage ist. Eine Reform der Schuldenbremse wäre eine Chance, um kurz- und mittelfristig zumindest einige Unsicherheiten auszuräumen und den Unternehmen eine Perspektive für Investitionen am Standort Deutschland zu bieten. Andernfalls werden wir in den nächsten Jahren verstärkt das beobachten, was schon begonnen hat: eine Deindustrialisierung und eine zunehmende Orientierung ins Ausland.“

„Ohne eine wettbewerbsfähige Wirtschaft kann die ganze Ampelkoalition einpacken“

Marie-Christine Ostermann, Präsidentin der Familienunternehmer, bezieht sich auf die extrem pessimistische Jahresausblickumfrage des Verbands, wonach jeder dritte Familienunternehmer eine starke Verschlechterung seiner Geschäftslage erwartet – die schlechtesten Werte seit Beginn dieser Umfrageserie (2011) überhaupt: „Deutschland und Europa sind als Investitionsstandorte nicht mehr attraktiv. Und es sind politische Fehler, die unseren Standort nicht mehr wettbewerbsfähig sein lässt. Die Wirtschaftspolitik in Berlin und auch in Brüssel ist völlig aus dem Ruder gelaufen, die Bedürfnisse und Sorgen der Unternehmen werden seit Jahren ignoriert. So werden Familienunternehmer verprellt. Die Regierung muss nach einem völligen Überdrehen der jahrelangen Nachfragepolitik bereits den Haushalt 2024 auf Angebotspolitik umstellen, sonst ist der wirtschaftliche Niedergang jahrelang zu spüren. Von Bundeskanzler Scholz erwarten wir, dass er endlich alle Kräfte seiner Regierung auf die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas konzentriert. Ohne eine wettbewerbsfähige Wirtschaft kann die ganze Ampelkoalition doch einpacken. Beginnen sollte der Kanzler damit, dass Deutschland in allen EU-Räten sofort ein Veto einlegt, wenn Frau von der Leyens Kommission oder das EU-Parlament mit neuer Bürokratie oder neuen, wettbewerbsverzerrenden Subventionen um die Ecke kommt. Wir Familienunternehmer wollen gerne in Deutschland bleiben, aber unsere Arbeitsplätze müssen sich hier auch rechnen.“

„Energieangebot muss erhöht werden“

Ifo-Präsident Clemens Fuest hält nach einem Rückgang der Wirtschaftsleistung in 2023 eine ähnliche Entwicklung auch in diesem Jahr für möglich, zitiert ihn dpa von der CSU-Bundestagsabgeordneten im oberbayerischen Kloster Seeon am 7.1.: „Auch für dieses Jahr sind die wirtschaftlichen Aussichten eher bescheiden. Das Wirtschaftswachstum wird nach unserer Einschätzung irgendwo zwischen null und einem Prozent landen. Es kann, wenn es schlecht läuft, aber auch ins Negative rutschen. Wichtiger sind die mittelfristigen Wachstumsaussichten. Und auch da steht Deutschland vor großen Herausforderungen.“ Fuest nannte hohe Energiekosten und den wachsenden Arbeitskräftemangel. Das Energieangebot müsse erhöht werden. „Es bringt nichts, erst das Energieangebot zu verknappen und dann gegen die hohen Preise, die daraus notwendigerweise folgen, anzusubventionieren.“ Beim Arbeitskräftemangel müsse die Politik durch Strukturreformen etwas tun. „Es geht da darum, die Anreize zu arbeiten, zu verbessern.“

„Die wirtschaftspolitische Geisterfahrt der Ampelregierung treibt die Insolvenzwelle“

Der Generalsekretär des Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, betrachtet mit Sorge, dass seit Mitte 2023 die Unternehmensinsolvenzen gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 19 Prozent im letzten Halbjahr deutlich gestiegen sind: „Das Ausscheiden nicht mehr wettbewerbsfähiger Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell verloren haben, gehört zur Sozialen Marktwirtschaft. Wenn aber die Insolvenzzahlen in Deutschland stärker ansteigen als im globalen Vergleich, wie der Kreditversicherer Allianz Trade herausgearbeitet hat, dann geht es offensichtlich auch Unternehmen mit eigentlich intaktem Geschäftsmodell an den Kragen, denen die verheerende Wirtschaftspolitik zum Verhängnis wird. Hausgemacht hohe Kosten für Energie und Arbeit bei gleichzeitigem Fach- und Arbeitskräftemangel bringen mehr und mehr Unternehmen in Deutschland in eine finanzielle Schieflage. Für wirtschaftliche Stabilität und Wachstum entscheidend sind ein breiteres, kostengünstigeres Energieangebot sowie niedrigere Steuern und Abgaben, außerdem mehr Investitionen in digitale und Verkehrsinfrastruktur statt konsumtiver Sozialausgaben, eine Durchforstung des Regulierungsdickichts sowie eine Stärkung der Fachkräftebasis. Die Finanzierungsbedingungen für die Unternehmen sind trotz gestiegener Zinsen gut. Die Banken stellen konstant Finanzierungsmittel bereit. Die rückläufige Kreditnachfrage der Unternehmen zeigt aber auch, dass die Regulierungswut des grüngeführten Bundeswirtschaftsministeriums zum Kostentreiber und Unsicherheitsfaktor für die Unternehmen geworden ist. Die Bundesregierung muss zur Halbzeit der Legislatur eine komplette Kehrtwende vollziehen und endlich der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes oberste Priorität einräumen.“

„Kein großer Knall, sondern ein stetiges Siechtum“

Dr. Daniel Stelter, Ökonom, Autor und Blogger („Think beyond the obvious“), äußerte sich in einem Interview mit der Schwäbischen Zeitung: „Viele verkennen, wie schlecht es um unser Land steht und welche enormen Verhaltensänderungen eigentlich notwendig wären, um unseren Wohlstand zu erhalten. (…) Deutschland wird nicht mit einem großen Knall untergehen. Wir werden vielmehr ein stetiges Siechtum erleben, wie es in Italien seit etwa 20 Jahren der Fall ist – mit kaum Wachstum und einer Abwanderung der gut Ausgebildeten. Unser Wohlstand wird immer weiter sinken. Schon heute sind wir stark abgestürzt – etwa im Vergleich zu den USA. Wir werden in Sachen Wohlstand immer weiter nach hinten durchgereicht. Es gibt eine Studie, die besagt, dass in 20 Jahren – wenn es so weitergeht – der Abstand zwischen uns und den USA so groß sein wird wie heute zwischen uns und Indien. (…) Man muss sagen, Kanzlerin Angela Merkel hat schon keinen guten Job gemacht – und die Ampel macht nun alles noch viel schlimmer. Es liegt aber nicht nur an der Politik, sondern auch ein gutes Stück an uns selbst. Wir Bürger lassen das alles so durchgehen, wir nicken es ab. Die Politiker wollen gewählt werden und machen entsprechend wenig sinnvolle Versprechungen – die wir dann glauben.“

„Bürokratie und Kosten müssen endlich reduziert werden“

Thomas Hoppe, Bundesvorsitzender der Jungen Unternehmer: „Die Nebenkosten steigen nicht nur für Wohnungen und Häuser. Auch der Faktor Arbeit wird in Deutschland immer teurer. Steigende Sozialversicherungsbeiträge führen dazu, dass die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland sinkt und die Arbeitnehmer weniger Netto von ihrem Bruttoeinkommen haben. Fachkräfte, die das durchschauen, werden nicht nach Deutschland einwandern oder sogar von hier weg ins Ausland gehen. Wir konkurrieren nicht nur mit Unternehmen in Deutschland, sondern vor allem außerhalb der Staatsgrenze. Bürokratie und Kosten müssen daher endlich reduziert werden, wenn Deutschland als Standort langfristig erfolgreich sein soll. Die Bundesregierung sollte die Sorgen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ernst nehmen, statt die Kosten weiter aus dem Ruder laufen zu lassen. Die Sozialleistungen müssen reformiert und Eigenverantwortung in der Vorsorge gepusht werden. Politiker, die wollen, dass die Unternehmen in Klimaschutz am heimischen Standort investieren, müssen auch für eine nachhaltige Sozialpolitik sorgen. Deutschland braucht dringend einen Pakt für nachhaltige Sozialsysteme. Ziel aller Anstrengungen muss sein, Unternehmer und Gründer in Deutschland zu halten, damit wir uns den Sozialstaat weiter leisten können. Denn Wirtschaftskraft und Wohlstand sind die Grundlage für unseren umfassenden Sozialstaat, nicht wie Olaf Scholz auf dem SPD-Parteitag meinte, der Sozialstaat sei Grund des Wohlstands.“

„Viele Betrieb werden verlorengehen, manche werden die Chancen erkennen“

DDW-Herausgeber Michael Oelmann: „Optimistisch soll man ein neues Jahr angehen. Mit Zuversicht auf das, was kommen mag. Doch die Lage macht es schwer, denn selten in der Vergangenheit war die wirtschaftliche Stimmung in Deutschland derart schlecht, wie zum Jahresbeginn 2024. Dass es so nicht weitergehen kann, ist der allgemeine Tenor. Die Frage ist, wie die nötige Wende gestaltet wird: Ob die Bundesregierung die Kraft zur Neuausrichtung schafft. Ob es zu einem politischen Knall kommt. Oder, was das schlimmste wäre, ob sich das Trauerspiel bis 2025 durchzieht. Auf Unternehmensseite werden viele Betriebe bis dahin verlorengehen. Manche aber werden die Chancen erkennen, die es immer gibt, und den Grundstein legen, um am Wettbewerb vorbeizuziehen. Gute Nerven sind also gefragt, und daher dennoch: Zuversicht in das eigene Tun.“

Fotos:
Ganz oben: Transparent bei einer Blockade durch Bauern der Autobahnauffahrt Leipzig Ost an der A14 am 8.1.2024 (Picture Alliance)
Hüther: IW Köln
Ostermann: Anne Großmann Fotografie
Steiger: Wirtschaftsrat
Hoppe: © DIE JUNGEN UNTERNEHMER / Anne Großmann Fotografie

Eine Antwort zu “2024: Nichts für schwache Nerven”

  1. Eure aufgeführten Artikel sagen alle etwas aus. Dehnen ich auch ohne wenn und aber zu stimme!

    Warum wird nicht danach gehandelt ? Es kann nur ein Mittel geben diese Ampelkoalition muss weg um der Standort Deutschland noch zu retten. Ich finde der Bauernverband ist der erste Schritt in die Richtige Richtung das muss weiter verfolgt werden.
    M.f.G. Kubitzky H.

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