Torben Fischer und Sandra Söbbing, Experten von der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

Chefs und Steuern: Mit einem Bein im Gefängnis?

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Die Schrauben der Steuergesetzgebung werden kontinuierlich angezogen. Vorständen und Geschäftsführern droht bei Steuerverkürzung Haftung aus Privatvermögen und Freiheitsentzug – selbst, wenn sie ohne eigene Kenntnis von Mitarbeitern oder Vorgängern begangen wurde.

Was wenige wissen: Ein innerbetriebliches Kontrollsystem, das sogenannte Tax Compliance Management System (Tax CMS), bietet einen erheblichen Schutz für den „Worst-Case“. Wie ein solches Tax CMS aufgebaut werden kann, dazu sprach DDW mit Torben Fischer und Sandra Söbbing, Experten von der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

 

Frau Söbbing, wie kann das sein: Als Geschäftsführer droht mir Freiheitsentzug bei Steuerverkürzung, selbst wenn ich nachweislich nichts von den Vorgängen wußte?

Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer müssen ihr Unternehmen so organisieren und beaufsichtigen, dass die Gesetze eingehalten werden. Unter Umständen gilt dies selbst dann, wenn der Bereich Steuern nicht zu seinem Aufgabengebiet gehört und er selbst diese Funktion nur „faktisch“ hat. Haftung tritt daher in der Regel ein, selbst wenn Mitarbeiter oder gar Vorgänger falsche oder unvollständige Erklärungen abgegeben haben.

Gilt das nur für Großunternehmen?

Fischer: Mitnichten. Angesichts der Verschärfung der Regelungen und drohenden Sanktionen ist das auch für mittelständische Unternehmen, ihre Gesellschafter und Organe von erheblicher Bedeutung.

Steuerverkürzung: Strafaussetzung auf Bewährung deutlich erschwert

Aber „schützt“ nicht der Steuerberater, den jeder hat?

Wenn aus dem Unternehmen falsche Daten gemeldet werden, liegt die Verantwortung beim Geschäftsführer oder Vorstand. Da hilft auch der Steuerberater nicht, der diese Daten verarbeiten muß.

Söbbing: Zumal Vergehen auch aus ganz anderen Bereichen, als nur durch die Steuerabteilung oder Buchhaltung, erfolgen können. Das geht von der Bewirtungsrechnung des Außendienstlers über IT-Strukturen bis hin zu falsch titulierten Veranstaltungen oder der Frage, wo Ware hingegangen ist.

Welche Strafen drohen?

Lässt sich eine entsprechende vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung der Erfüllung steuerlicher Pflichten nachweisen, droht eine Haftung mit dem Privatvermögen. Eine leichtfertige Steuerverkürzung oder Steuerhinterziehung kann Geldstrafen sowie Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren nach sich ziehen. Überschreitet die Verkürzung 1 Million Euro, gibt es in der Regel dann auch keine Strafaussetzung zur Bewährung mehr.

„Jedem sind die Namen einstmals hochgeachteter Manager bekannt, die jetzt nur noch im Zusammenhang mit ihren Steuervergehen verbunden werden“

Fischer: Nicht zu vergessen der Reputationsschaden ganz abseits aller strafrechtlichen Folgen. Jedem sind die Namen einstmals hochgeachteter Manager bekannt, die jetzt nur noch im Zusammenhang mit ihren Steuervergehen verbunden werden.

Wie kann nun ein Tax CMS hier absichernd wirken?

Dem Bundesfinanzministerium zufolge kann im Falle einer Steuerverkürzung ein „innerbetriebliches Kontrollsystem“, das der Erfüllung steuerlicher Pflichten dient, gegen den Vorwurf des Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit sprechen. Ein Tax Compliance Management System dient der systematischen Einhaltung der steuerlichen Vorgaben und insofern der aktiven Vermeidung finanzieller und steuerstrafrechtlicher Folgen.

Quick-Check: Wo steht Ihr Unternehmen?
Trotz der stetig komplexer werdenden steuerlichen Dokumentationsvorgaben und regulatorischen Anforderungen zögern gerade mittelständische Unternehmen, wenn es darum geht, bisher im Unternehmen vorhandene Compliance-Strukturen von Grund auf zu erneuern oder gar erst zu implementieren. Zumeist begründet sich diese Sichtweise mit dem unternehmensinternen Aufwand sowie der finanziellen Belastung.
BDO bietet jetzt einen Quick Check an, mit dem schnell und effizient analysiert wird, welche Risiken und potentiellen Schwachstellen im Hinblick auf ein Tax CMS bestehen.
Mehr Infos über torben.fischer@bdo.de, Tel. 040 / 3029 3104, oder sandra.soebbing@bdo.de, Tel.:  069 / 9594 1322.

Wie wird ein solches System umgesetzt?

Fischer: Ein innerbetriebliches Kontrollsystem für die Einhaltung steuerlicher Vorschriften sollte bestenfalls als Teilbereich eines umfassenden Compliance-Management-Systems ausgestaltet sein. Das Modell des Instituts der Wirtschaftsprüfer e. V. basiert auf sieben Grundelementen: Kultur, Ziele, Risiken, Programm, Organisation, Kommunikation sowie Überwachung. Dieses Modell stellt einen Orientierungsrahmen dar, verzichtet jedoch auf starre Anforderungskriterien, so dass strukturelle und inhaltliche Gestaltungs- und Handlungsspielräume erhalten bleiben, um ein für das Unternehmen passendes Tax CMS entwickeln zu können.

Regelverstöße zeitnah aufdecken

Söbbing: Tax Compliance Risiken, also die Risiken für Verstöße gegen einzuhaltende Regeln, werden dabei anhand ihrer Eintrittswahrscheinlichkeiten und möglicher Folgen bewertet. Die Reaktionen auf die identifizierten Risiken werden im Tax Compliance-Programm niedergelegt. Im Idealfall haben die entsprechenden risikosteuernden Maßnahmen dabei eine präventive, also fehlervermeidende Wirkung. Weil sich auch hierdurch keine absolute Sicherheit gewinnen lässt, ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Regelverstöße zeitnah aufgedeckt werden.

Fischer: Zudem müssen betroffene Mitarbeiter und gegebenenfalls Dritte ausreichend informiert werden. Dies umfasst die sie jeweils betreffenden Anforderungen, Verpflichtungen und Teile des Tax Compliance-Programms ebenso wie die festgelegten Rollen. Darüber hinaus sollten Berichtswege, -inhalte, -turnus und -empfänger zu definieren – und nicht zuletzt die Möglichkeit, Hinweise auf Regelverstöße zu melden.

„Entscheidend geprägt wird all dies letztlich durch die Unternehmenskultur, durch die Grundeinstellung und die Verhaltensweisen des Managements“

Also ist es mit der „einmaligen“ Einrichtung eines Tax CMS nicht getan?

Söbbing: Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung ist es essenziell, dass sich der Vorstand beziehungsweise die Geschäftsführung von der Wirksamkeit des CMS überzeugt. Das erfordert eine angemessene Überwachung der Einhaltung der Maßnahmen des Tax Compliance-Programms, der Prozessabläufe, der Wahrnehmung notwendiger Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen sowie der Schnittstellen zu den externen Dienstleistern. Entscheidend geprägt wird all dies letztlich durch die Unternehmenskultur, durch die Grundeinstellung und die Verhaltensweisen des Managements sowie dessen Kommunikation ins Unternehmen.

Auch eine Tax-CMS bietet keine hundertprozentige Sicherheit

All das hört sich nach einem weiteren bürokratischen „Monster“ an. Welcher Mittelständler soll das, bitte, noch meistern?

Man muß keine schlaflosen Nächte haben: Vieles läßt sich pragmatisch lösen und kann vor allem auf die Größe des Unternehmens hin angemessen ausgestaltet sein. Manches läßt sich auch durch die Unternehmen selbst einrichten. Letztlich ist ein Tax CMS auch eine Chance, Abläufe im Unternehmen zu verbessern.

Sie raten also zu der Einführung im Unternehmen?

Fischer: Auch ein Tax CMS bietet zwar keine hundertprozentige Sicherheit. Menschliche Fehlleistungen lassen sich beispielsweise ebenso wenig ausschließen wie ein Umgehen oder die Außerkraftsetzung von Kontrollen durch die aktive Zusammenarbeit mehrerer Personen. Trotzdem kann man insgesamt sagen: ein ansonsten wirksames Tax CMS bietet auch im Falle eines Regelverstoßes einen gewissen Schutz vor Strafen.

Söbbing: Verschärfte Regelungen und drohende Sanktionen für Unternehmen und ihre Organe machen ein angemessen ausgestaltetes und wirksames Tax Compliance Management System meines Erachtens unverzichtbar. Nur so können Vorstände und Geschäftsführer im Ernstfall darlegen, dass sie unrichtige oder unvollständige Steuererklärungen nicht billigend in Kauf nehmen, sondern klare Prozesse und Strukturen zur Vermeidung von Fehlern geschaffen haben.

Torben Fischer ist Senior Manager der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Fachbereich Forensic, Risk & Compliance am Standort Hamburg

Sandra Söbbing ist Partnerin und Standortleiterin Steuern und wirtschaftsrechtliche Beratung der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft am Standort Frankfurt am Main

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