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Konföderation: Ein neuer Entwurf für Europa
Nach mehr als einem Vierteljahrhundert Europäische Union (EU), die im Kern wirtschaftsorientiert, zentralistisch und auf Erweiterung bzw. Größe angelegt war, ist die Zeit der Umkehr in Richtung einer subsidiären Konföderation gekommen. Die Verabschiedung vom dysfunktionalen Konzept des Zentralstaates, das von der EU-Kommission unentwegt fortgeführt wird, ist überfällig. Von Stephan Werhahn.
Die Historie und die Einsicht in die Funktionsweise überstaatlicher Zusammenschlüsse zeigen, dass sie von beschränkter Dauer sind, einer ständigen Weiterentwicklung bedürfen, so sie ihrem Auftrag gerecht werden wollen. Das Modell des Nationalstaates hat sich erst ab dem 18. Jahrhundert etabliert, das des Bundesstaates amerikanischer Prägung wurde erst Ende der 1950er-Jahre vollendet. Die Montanunion wurde 1952 und die EWG 1959 und die EU 1993 (Maastricht) gegründet. Europa ist und bleibt »work in progress«.
Was Europa sein soll
Mit der Wahl des lateinischen Begriffs der Konföderation soll auf die kulturelle-historische Zusammengehörigkeit eines Europa abgestellt werden, das im ständigen Werden ist; nicht eines, das auf die Bewahrung der gegenwärtigen Verfassung, die Optimierung der Verwaltung und die billige Inkaufnahme nationaler und wirtschaftlicher Interessen eingeschränkt ist. Konföderation soll die erwünschte Weiterentwicklung des wirtschaftlich-staatlichen Konstruktes der Union bezeichnen.
„Nach innen ist Europa zuerst als Kulturgemeinschaft – danach als Wirtschaftsraum zu verstehen“
Nach innen ist Europa zuerst als Kulturgemeinschaft – danach als Wirtschaftsraum zu verstehen. Aus dieser Reihenfolge ergeben sich viele Folgerungen. Um einige beispielhaft zu nennen:
- Auf die christlichen Wurzeln Europas ist ausdrücklich zu verweisen.
- Die Türkei ist wirtschaftlich assoziierungsfähig, jedoch kulturell nicht »beitrittsfähig«.
- Brüssel kann EU-Headquarter sein, aber nicht »europäische Hauptstadt« (Krakau, Prag, Wien).
- Die Exekutivgewalt der EU-Kommission ist auf die Kernaufgaben zu beschränken.
- Die Regionen (zu einem guten Teil identisch mit Staaten wie Slowakei, Malta, Cypern, Slowenien u.a.) erhalten subsidiär umfangreiche Kompetenzen.
- Der EuGH erfährt eine Einschränkung seiner schwach legitimierten juridischen Hoheit.
Die extremen Größenunterschiede der EU-Staaten (Malta-D=1:100), die Zusammensetzung großer Nationalstaaten aus gewachsenen Regionen (z.B. Wales, Schottland, Katalonien, Elsass, Lothringen), die Existenz autonomer Regionen (z.B. Südtirol, Baskenland) und solcher, die eine frühere Staatlichkeit hatten und eine starke Identität bewahrt haben (z.B. Bayern) sind besser als bisher zu berücksichtigen. Die Vorteile zwischen-staatlicher regionaler Kooperation (z.B. Bodenseeregion, Region Basel, Alpe-Adria) sind beträchtlich ausbaufähig.
Der Leitsatz des »Menschlichen Maßes« bedeutet gesunde, ökologisch unbedenkliche, gewaltfreie, überschaubare Verhältnisse. Dazu gehört v.a. eine Reform der Konzentration in der europäischen Wirtschaft, der Vereinheitlichung und Bevorzugung von Größe. Dezentrale Strukturen, der Mittelstand, kleine Einheiten (z.B. in der Landwirtschaft) dürfen nicht weiter benachteiligt werden. Dem hypertrophen Wachstum von Metropolen ist ebenso wie der Verschandelung, der Zersiedelung der Landschaft und dem ungehemmten Verbrauch natürlichen Ressourcen entgegenzuwirken. Die Soziale Marktwirtschaft (im ursprünglichen ordo-liberalen Format) ist als gesellschaftliches Ordnungsmodell für Europa gut geeignet. Fehlentwicklungen staatlicher Wohlfahrt und Haftungsübernahmen unter dem Signum der Solidarität müssen korrigiert werden, damit es nicht zu kollektiven Mitnahmeeffekten innerhalb Europas kommt und soziale und nationale Spannungen entstehen.
Nach außen muß Europa als Vertretung gemeinsamer Interessen auftreten und Schutzraum für seine Bürger bieten
Angesichts der im Gang befindlichen Polarisierung vor allem von USA und China, der exponierten geographischen Lage und der demographischen Schieflage muss Europa sich auf seine Besonderheit besinnen, seine zukünftige Rolle bestimmen und behaupten. Die Gefahr einer von außen betriebenen Vereinzelung europäischer Staaten ist ernst zu nehmen. Das verlangt eine Einigung auf den dafür notwendigen Auftrag einer koordinierten Außen- und glaubwürdigen Verteidigungspolitik, wie auch den effektiven Schutz der Außengrenzen. Letzter ist in den Augen der Mehrheit der Bürger zum nicht bestandenen Testfall der EU geworden. Ein flexibles Geldwesen und eine in Maßen geregelte Marktordnung sind weitere Gemeinschaftsaufgaben.
Wege und Schritte zur Konföderation
Für den langen Weg in die Zukunft einer Konföderation gibt es keinen Masterplan: Abfolge der Schritte, Priorisierung der Maßnahmen und ihr Zusammenwirken sind nicht vorher bestimmbar, sie unterliegen einem umfassenden Veränderungsprozess mit einer Vielzahl von Entwicklungen, Übereinkünften, auch von Zufällen. Umfassende Studien sollen die europaweite Diskussion zum Verhältnis von Nationalstaaten, Regionen und der Konföderation begleiten und die Konsensbildung erleichtern.
Stephan Werhahn ist Gründungsdirektor des “Instituts Europa der Marktwirtschaften”.
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