Sebastian Valcic

Arbeiten für einen Gewerbepark, so groß wie eine ganze Region

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Im DDW-Ferngespräch: Sebastian Valcic. Der 30-jährige Berliner mit kroatischen Wurzeln hat nach seinem Studium in Bochum zunächst für chinesische Unternehmen in Düsseldorf und Umgebung gearbeitet und danach Rhein und Ruhr Richtung China verlassen. Für die Hi-Tech Zone der 8-Millionen-Metropole Jinan ist er für internationale Kooperationen zuständig.

Herr Valcic, die Business-Metropole Jinan bekommt zunehmend internationalen Charakter. Schon eine deutsche Kneipe gefunden?

Das ist richtig, Jinan wird zunehmend internationaler. Deutsche Kneipen oder vielmehr deutsche Restaurants gibt es, beispielsweise ein Hofbräu München. Insgesamt ist das Angebot an Bars und westlichen Restaurants hier vielleicht nicht ganz so groß wie in Peking oder Shanghai, aber man findet eigentlich alles, was man braucht. Was ich bislang vermisse, ist ein guter Bäcker mit Frühstücksbrötchen. Durch die Konferenz SMEC 2018, die kürzlich in Jinan abgehalten wurde, sind wir mit einem Unternehmen aus Berlin in Kontakt gekommen, um den Bau einer deutschen Bierbrauerei inklusive Restaurant und Bäcker in Jinan voranzutreiben. So sollte auch dieser Wunsch bald befriedigt werden können.

Was tut sich zur Zeit in Jinan; welchen Stellenwert hat die Stadt in China?

Die Stadt Jinan ist die Hauptstadt der Shandong Provinz, daher hat sie innerhalb Shandongs und auch Chinas einen großen Bekanntheitsgrad und Stellenwert. Allerdings hat Jinan momentan noch nicht den gleichen Stellenwert wie Qingdao, welches an der Ostküste der Provinz liegt. Vielen Menschen insbesondere in Deutschland ist Jinan vielleicht noch kein Begriff. Jinan macht aber momentan eine deutliche Entwicklung durch und hat mit einem GDP-Wachstum von acht Prozent eine Wachstumsrate, die über dem Durchschnitt Chinas liegt. Man sieht alte Gebäude, die abgerissen werden, und einige Monate später stehen dort bereits neue Hochhäuser. Die Entwicklung der Stadt ist beeindruckend.

Welche Dimensionen hat die Hi-Tech-Zone, für die Sie arbeiten? Der Begriff „Gewerbepark“ trifft es wohl nicht ganz, oder?

Die Jinan Hi-Tech Zone wurde 1991 vom Staatsrat als erste der offiziell genehmigten chinesischen Hi-Tech Zones gegründet. Ziel ist es, Zonen zu errichten, die das Wirtschaftswachstum dieser Städte voranbringen sollen, ausländischen Unternehmen Anreize zu bieten, sich in der Zone niederzulassen und speziell Forschung und  Entwicklung bestimmter Bereiche zu fördern. In China gibt es momentan etwas mehr als 157 Hi-Tech Zonen. Die Jinan Hi-Tech Zone befindet sich nach offiziellen Angaben im Ranking aller Hi-Tech Zonen auf dem 11. Platz und liegt damit vor Qingdao. Insgesamt besteht die Jinan Hi-Tech Zone momentan aus zehn verschiedenen Industrieparks mit einer Gesamtanzahl von ca. 40.000 Unternehmen und einer Gesamtfläche von 318 Quadratkilometern – also im Vergleich eher wie eine ganze Wirtschaftsregion in Deutschland. Die Unternehmen der verschiedenen Industrieparks sind auf verschiedene Bereiche spezialisiert, so ist der Qilu Software Park für die Bereiche Software, Robotik und Halbleiterdesign. Ein weiterer nennenswerter Industriepark ist die „Life Science City“, in dem pharmazeutische Unternehmen tätig sind und auch medizinische Geräte für Krankenhäuser produziert werden. Dann gibt es im Osten der Stadt die „Smart Equipment City“, in dem die meisten ausländischen Unternehmen angesiedelt sind und ihre Produktion haben.

Welche Bedeutung haben deutsche und europäische Unternehmen für das Projekt?

Die deutsche Firma Festo baut momentan ihre weltweit größte Fabrik in der Hi-Tech Zone. Neben Festo sind auch weitere Unternehmen wie Bosch, Continental, Mahle, SKF und weitere angesiedelt. Seit 2016 gehört auch das Gebiet um den Jinan Flughafen zur Hi-Tech Zone, mit einer Freihandelszone sowie Fokus auf Logistik. Hier ist auch der Sino-European Manufacturing Park mit Fokus auf chinesisch-europäische Zusammenarbeit angesiedelt. Die Hi-Tech Zone hatte im letzten Jahr ein GDP-Wachstum von 12,1 Prozent, was deutlich über dem Durchschnitt der Stadt Jinan und dem Wachstum Chinas liegt. Aus all diesen Gründen ist mit einem deutlich wachsenden Anteil europäischer und deutscher Unternehmen zu rechnen.

Muss man chinesisch sprechen können, wenn man wie Sie in China lebt und arbeitet? Und wenn ja: Wie schwer ist es, Mandarin zu lernen?

Chinesisch zu sprechen ist von großem Vorteil, aber unverzichtbar ist es nicht. Ich kenne einige Europäer, die schon länger hier wohnen ohne ein Wort chinesisch zu sprechen. Diese kommen auch gut zurecht. Dennoch hilft einem das Sprachverständnis natürlich sehr weiter, auch in Alltagssituationen wie im Restaurant oder bei der Bank. Auch zum Kontakteknüpfen ist die Sprache von Vorteil – Chinesen freuen sich und sind weitaus offener, wenn man chinesisch spricht. Mandarin zu lernen braucht Zeit, man muss sich täglich intensiv mit der Sprache beschäftigen. Besonders die verschiedenen Töne sind anfangs schwer zu unterscheiden. Doch auch das Internet bietet viele Möglichkeiten, sich in der Sprache fortzubilden.

Was zeichnet Jinan kulturell und historisch aus?

Jinan kommt kulturell und historisch eine ganz wichtige Bedeutung zu. Erstens, weil der Heimatort von Konfuzius, das Qufu, sehr nah an Jinan gelegen ist. Deshalb wird gesagt, dass der Geburtsort der chinesischen Kultur in Shandong und damit bei Jinan liegt. Zweitens ist Jinan eine Stadt der Quellen – es gibt 72 verschiedene Quellen hier. Unter der Erde ist zum Großteil Quellwasser. Dies zieht jedes Jahr auch viele chinesische Touristen an. Drittens ist der kulturelle Wert unter den Menschen bemerkenswert: die Bewohner Jinans sind sehr hilfsbereit und ehrlich, auch gegenüber Ausländern, was Jinan meiner Meinung nach von anderen Städten abhebt.

Hand aufs Herz: Vermissen Sie vor lauter Wachstum und Dynamik manchmal auch „deutsche Gemütlichkeit“?

Um ehrlich zu sein nicht so sehr, wie man vielleicht erwartet. Ich freue mich aber, über Weihnachten mal wieder in Deutschland zu sein, um dort gemütliche Feiertage zu verbringen. Jinan hat aber auch einige Cafés, wo man in Ruhe einen Kaffee trinken und dabei Zeitung oder ein Buch lesen kann. Notfalls muss man es sich zu Hause gemütlich machen.

Zu guter Letzt: Was sind Ihre Tipps, wenn man Jinan besucht?

Wie oben angesprochen, sollte man sich die Quellen ansehen, speziell die Baotu Quelle. Weiterhin liegt im Stadtzentrum ein See, der Daming See, an dessen Ufer man gut spazieren gehen kann und der speziell abends mit seinem Lichtermeer eine schöne Atmosphäre bietet. Der Süden Jinans ist sehr bergig – unter Anderem gibt es eine Bergkette, die zum Mountain Tai führt, einem der bekanntesten Berge Chinas. Hier kann man gut wandern, sich schöne Landschaften ansehen und im Sommer auch selber grillen. Wenn man etwas Authentisches erleben möchte, sollte man abends in ein chinesisches Grillrestaurant gehen. Dort gibt es Spieße aller Art und man kann dazu Bier trinken. Das gehört mit zur chinesischen Kultur.

 

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