Von Remscheid nach Silicon Valley
Beliebte touristische Ziele von CEO und Unternehmern: Sylt, Marbella, St. Tropez? Alles falsch. „Digitalisierung gucken im Silicon Valley“ steht zur Zeit am höchsten im Kurs. Ein mittelständischer Erfahrungsbericht von Inga Bauer, Geschäftsführerin der Bauer & Böcker GmbH & Co. KG, Remscheid.
Ein Gefühl von Aufregung und Neugier ließ mein Herz schneller klopfen als es am 25.5.2017 um 9 Uhr mit dem ersten offiziellen Teil der German Valley Tour 2017 im Stanford Court Hotel in San Francisco los ging. So lange hatte ich mich auf diese Reise gefreut, so viel hatte ich im Vorfeld gelesen und ich wusste, danach werde ich anders denken und handeln.
Auf ins Mekka der Startup-Szene
Mit 65 Teilnehmern und zum vierten Mal reiste der deutsche Start-up Verband unter Leitung des Vorsitzenden Florian Nöllmit seinem kompetenten Team in das Mekka der Start-up Szene. Das hervorragend ausgearbeitete Programm verschaffte uns innerhalb von sechs Tagen einen vorzüglichen Einblick in das Ökosystem des Silicon Valleys. Wir trafen und besuchten Vordenker, visionäre Gründer, Start-ups, Wagniskapitalgeber, Acceleratoren und bekannte “Einhörner”. Eindrucksvoll und abrundend wurde die Reise durch informative Netzwerkabende im deutschen Konsulat in San Francisco sowie beim World Economic Forum.
Die wichtigste Erkenntnis: Das locker sitzende Geld der Venture Capital Firmen gepaart mit Technologie-Know-how, Kreativität und Fantasie der Gründer ist der Innovationsmotor für die ganze Region. Firmen bauen steht für die neue Goldgräberstimmung.
Natürlich muss man dann auch die Geschäftsidee zu einem verkaufsfähigen Produkt bringen und vermarkten. Für skalierbare und schnellwachsende Geschäftsmodelle sind die USA mit ihren experimentierfreudigen und technologie-affinen Käufern und einer professionellen Marketing- und Vertriebsstrategie der perfekte Einstieg, um schnell und wenn möglich exponentiell zu wachsen.
Starte auf dem US Markt
Wir sind erstaunt, wie viele Deutsche wir bei unseren Besuchen treffen! Bei den großen Unternehmen sitzen Deutsche in verantwortungsvollen Positionen. In vielen Beispielen hören wir, dass deutsche Gründer in die Bay Area kommen, um für ihre Zukunftsideen Wagniskapital einzusammeln, das ihnen in Deutschland verwehrt blieb. Die Präsentationen von Dedrone aus Kassel und der Firma Shop.co belegen diese Situation.
Beim Besuch des German Accelerator wird uns ein Masterplan vorgelegt: Verlagere einen Teil Deines Unternehmens in die USA, pitche Deine Idee vor den einflussreichen VC´s, baue hier Marketing und Vertrieb auf. Starte auf dem US Markt. Lasse Entwicklung und Produktion in Deutschland, weil in Deutschland gut ausgebildete und im Verhältnis zu den USA günstige und loyale Mitarbeiter hochwertige Produkte herstellen.
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Im Gegensatz zur deutschen Start-up Szene in Berlin ist das Leben im Großraum San Francisco sehr teuer. Ein kleines Zimmer in einer Wohngemeinschaft kostet schnell 1600 $ im Monat. Da es aber in einer Gesellschaft nicht nur die gut Ausgebildeten gibt, bleibt ein Großteil der Bevölkerung weit abgeschlagen von dem Wohlstand und lebt bei den hohen Preisen am Existenzminimum. Wer den Job verliert, hat sofort keine Einkünfte mehr und keine soziale Absicherung. Die Armut wird sichtbar vor den Eingängen bekannter Firmen auf der Marketstreet. Menschen liegen auf dem Gehsteig und es riecht unangenehm nach Urin.
Bei dem Besuch von Udacity, einer Online Universität die von dem Deutschen Sebastian Thrun mitgegründet wurde, bekommen wir die beste Vorsorge erklärt: Sich selbst in den neuen Technologien weiterzubilden, ist die einzige Möglichkeit mit der enormen Entwicklungsgeschwindigkeit schritt zu halten und so vom Wohlstand nicht abgehangen zu werden.
In Deutschland geht Start-ups schnell die Puste aus
Am letzten Tag erweitert die Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries unsere Gruppe (Bild oben). In einer Talkrunde teilen wir mit Frau Zypries unsere Erkenntnisse der Woche. Wir reklamieren, dass durch das fehlende oder zu knappe Wagniskapital ein Braindrain aus Deutschland in die USA stattfindet. Unsere Universitäten bilden kostenlos aus und die schlauen Köpfe ziehen mit ihren Geschäftsideen in Richtung USA, weil dort auf einen besseren Nährboden und einen größeren Markt stoßen. Beispiele wie My Taxi, die ein halbes Jahr vor Ueber gegründet wurden und 7 Flats ein deutsches Airbnb zeigen, dass ein Start-up aus Deutschland mit einer guten Idee schnell die Puste ausgeht, wenn ein US Wettbewerber hinzu stößt.
Auch wenn die deutsche Wirtschaft in den letzten Monaten bei der Digitalisierung aufgeholt hat und agilere Methoden adaptiert, sind wir technologisch immer noch in unseren alten Feldern unterwegs. Die neuen Technologien, allen voran künstliche Intelligenz sowie Deep Learning, Machine Learning, Big Data, Robotik, Augmented Reality und Virtual Reality sind die Disrupter aller bestehenden Branchen. Ich würde jedem deutschen Unternehmer empfehlen, eine ähnliche Reise zu unternehmen, um neue Geschäftsideen zu generieren, um eine Vorahnung zum bekommen wie und wann das eigene Geschäftsmodell in Gefahr ist. Dafür muss man nicht unbedingt ins Silicon Valley reisen. Dies kann man z.B. auch bei der “Innovationtour” erleben einem zweitägigen Workshop in die Berliner Start-up Welt. Weitere Informationen auf Anfrage.
Ich werde auf jeden Fall mit noch mehr Nachdruck die Digitalisierung in unserem Unternehmen vorantreiben. Für die Verschlankung und Digitalisierung der internen Prozesse sowie für den Ausbau des digitalen Vertriebs habe ich einige Ideen im Gepäck. Das wichtigste ist aber auch für mich, dass ich das lebenslange Lernen nicht aufhöre. Deswegen werde ich an einen Online Kurs für Programmierung starten.
Inga Bauer ist Geschäftsführerin der Bauer & Böcker GmbH & Co. KG, Remscheid
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