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Macrons Industriepolitik: Der Weg in die Planwirtschaft?
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat mal wieder einen großen Appell zur Reform Europas an die Bürger verkündet. Diesmal ging es beim Gastbeitrag Macrons für mehrere führende Zeitungen auch um Vorschläge zur Industriepolitik, und die sind befremdlich. Einen durch Abschottung und Protektionismus heraufbeschworenen Wirtschaftskrieg mit China und den USA würden die zerstrittenen Europäer verlieren. Von Dr. Ulrich Horstmann
Die Unklarheit über die Kompetenz-Kompetenz in der EU lähmt seit Jahren den Kontinent. Sicher und nachvollziehbar ist, dass eine vorrangig deutsche Führung nicht (mehr) gewünscht ist. Kanzlerin Merkel hat viel Vertrauen verspielt und reagiert als gealterte Politikerin allenfalls auf Macrons Vorschläge. Sie scheint sie inzwischen zu unterstützen. Das wäre falsch, denn seine Reformvorhaben haben es in sich. Sie schwächen die Wirtschaft. Befremdlich sind z.B. Macrons Sätze zur Abschottung auch mit Hilfe einer neuen Industriepolitik:
„Wir müssen unsere Wettbewerbspolitik reformieren, unsere Handelspolitik neu ausrichten: in Europa Unternehmen bestrafen oder verbieten, die unsere strategischen Interessen und unsere wesentlichen Werte untergraben, wie Umweltstandards, Datenschutz und eine Entrichtung von Steuern in angemessener Höhe; und in strategischen Branchen und bei öffentlichen Aufträgen zu einer bevorzugten Behandlung europäischer Unternehmen stehen, wie es unsere Konkurrenten in den USA und in China tun.“
Was heißt hier bestrafen oder verbieten? Welche Unternehmen sind im Fokus? Sind es vorrangig US-amerikanische und chinesische Digitalkonzerne? Gehört Besteuerung zu wesentlichen Werten in Europa? Das wäre neu. Eigentlich ist eine Steuerlast doch zuerst ein Übel, weil finanzielle Spielräume von Unternehmen und damit auch der Bürger eingeschränkt werden. Auch über die Angemessenheit der Steuern ließe sich streiten. Das ist alles eher schwammig. Die vorgesehene bevorzugte Behandlung europäischer Unternehmen könnte zu weiteren Gegenmaßnahmen der USA und Chinas führen.
Macrons Reformen sind industriepolitisch falsch, aber durchsetzbar
Viel irritierender ist, dass diese Reformvorschläge durchsetzbar erscheinen: Macrons neue Industriepolitik scheint auch die von Kanzlerin Merkel zu sein. Erste Vorstöße dazu gab es von Wirtschaftsminister Altmaier, der am 5. Februar seine ‚Nationale Industriestrategie 2030‘ vorlegte, die in besonderem Maße seine Handschrift trägt. In den Qualitätsmedien wurde die vorgelegte Strategie bereits äußerst kritisch beurteilt. Sie ist in mehrfacher Hinsicht problematisch für Börsen und Anleger.
Macrons Industriestrategie und Altmaiers ‚Nationale Industriestrategie 2030‘ sind keine marktwirtschaftlichen Konzepte, sie würden sie sogar noch weiter außer Kraft setzen. Der Weg in die Planwirtschaft wäre geebnet. Mit der Neuerfindung planwirtschaftlicher Lenkung werden Schlüsselbranchen wie die Autoindustrie oder der Maschinenbau ihrer Autonomie zunehmend beraubt. Das schafft Entwertungs- bzw. Abschreibungsrisiken.
Anti-Erhard Altmaier
Altmaier kann sich nicht auf Ludwig Erhard berufen (Macron würde ihn ehrlicherweise nicht als Referenz nennen). Erhard bekämpfte Marktmacht und Kartelle zur Sicherung des Wettbewerbs, Altmaier setzt dagegen auf ‚Nationale Champions‘. Von den Konsumenten, die bei Ludwig Erhard noch im Mittelpunkt seiner volksnahen Politik standen, ist in der Strategie kaum die Rede.
Altmaiers ‚Nationale Industriestrategie 2030‘ dürfte also offensichtlich bald in eine Europäische Industriepolitik eingebettet sein, die in besonderem Maße auch die Handschrift Frankreichs und die von Kanzlerin Merkel trägt. Da viele finanziell angeschlagene Unternehmen unter den Gesellschaften zu finden ist, die unter Staatsschutz gestellt werden könnten, wird diese Industriepolitik absehbar zu Lasten der Steuerzahler gehen. Es ist davon auszugehen, dass die Konsumenten durch die Aufrechterhaltung nicht überlebensfähiger wirtschaftlicher Strukturen noch mehr für Produkte und Dienstleistungen zahlen müssen. Die Produktivität könnte noch weiter sinken. Der europaweite Schutz für große, oft sehr marode, Konzerne wird sich an den Märkten negativ auswirken.
Deutsche Steuerzahler sollten nicht auch noch für die Rettung französischer Staatskonzerne aktiviert werden. Eine Hilfe für inländische Gesellschaften ist ordnungspolitisch genauso wenig vertretbar. Ein so hilfloses und unberechenbares Agieren, das die Marktwirtschaft schwächt, scheint auch zum ‚Prinzip Merkel‘ zu gehören.
Vergleich mit Frankreich
Mit der Umsetzung der industriepolitischen Vorhaben würde ein staatlicher Dauerinterventionismus wie in Frankreich üblich. Dort hat eine Lenkung der Volkswirtschaft von oben eine lange Tradition. Macron setzt sie fort, wie sein jüngster Gastbeitrag zeigt. Vorläufer dieser dauernd steuernden Eingriffe war das System von Jean-Baptiste Colbert, dem Begründer des Merkantilismus und Finanzminister unter Ludwig XIV. Die nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführte ‚Planification‘ sah eine Beteiligung der Regierung bei der Strukturierung der Wirtschaft vor.
In der Broschüre ‚Nationale Industriestrategie 2030‘ von Wirtschaftsminister Altmaier werden Zielvorgaben genannt, die an die Planification in Frankreich erinnern:
„Ein Ziel ist dabei der schrittweise Ausbau des Anteils der Industrie an der Bruttowertschöpfung auf 25 Prozent in Deutschland und 20 Prozent in der Europäischen Union bis zum Jahre 2030“.
Das ist völliger Quatsch, wie bereits vielfach kritisiert wurde. Der Staat ist kein besserer Planer als die vielen im Wettbewerb stehenden Unternehmen. Außerdem sind die mittelständischen Unternehmen, die es so in Frankreich nicht gibt, für unsere Wirtschaft viel wichtiger als die vermeintlichen Leuchtturmunternehmen aus der ersten Reihe, die bereit sind, sich von der Politik lenken zu lassen . Es muss ihnen sehr schlecht gehen. Vermutlich möchten sie Subventionen erhalten. Das Eintreten führender Vertreter der Wirtschaft für Industriepolitik ist höchst befremdlich.
Airbus ist nicht nur ein industriepolitisches Ruhmesblatt
Die Erreichung bestimmter Industriequoten und die Steuerung von M&A-Aktivitäten sind nicht die Aufgabe des Staates. Frankreich hat mit seinen staatsnahen Champions eher schlechte Erfahrungen gemacht. Das vermeintliche Erfolgsbeispiel Airbus, das Altmaier nennt, ist mit hohen staatlichen Subventionen und Missmanagement erkauft. Die Entwicklung und Bau des Airbus A380 war z.B. nicht Ausdruck unternehmerischer Vorsicht, nach Bestellrückgängen ist ein Auslaufen der Produktion nun beschlossen. Hunderte Millionen von Staatskrediten stehen auf dem Spiel. So etwas darf nicht Ziel deutsch-französischer Politik sein. Die Branchen und die Unternehmen, die in der Broschüre genannt werden, sollten mit einer großen Portion Skepsis analysiert werden.
Eigentlich müsste auch das Rating von Deutschland auf dem Prüfstand stehen
Durch die Aufrechterhaltung nicht überlebensfähiger wirtschaftlicher Strukturen sind die Preise für Produkte und Dienstleistungen zu hoch, die Produktivität zu niedrig. Eine solche Protektionspolitik signalisiert Schwäche und Verzweiflung der Regierung. Das müsste ein Downgrade für den Standort Deutschland auslösen, der bereits durch die vielfältigen Verpflichtungen gegenüber den südlichen EU-Staaten wirtschaftlich schwächer geworden ist.
Eine marktwirtschaftliche Ordnungspolitik für Europa
Gelegentlich schlagen wir bei Ludwig Erhard nach. Im Buch ‚Deutsche Wirtschaftspolitik‘ werden wir oft fündig. Hier sind viele Reden und Briefe von ihm zu finden, die u.E. zeitlos sind und so heute wie damals überzeugend sind. Es ist zwar weniger bekannt als das populärwissenschaftliche und von Wolfram Langer bearbeitete Buch ‚Wohlstand für Alle‘, enthält aber mehr Erhard. Bereits 1946, also kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, beschrieb Erhard die staatliche Aufgabe, die die eines Schiedsrichters zu Sicherung des maximalen Wettbewerbs entspricht (zitiert aus Freie Wirtschaft und Planwirtschaft, in ‚Die Neue Zeitung‘ vom 14.10.1946, im Buch: ‚Deutsche Wirtschaftspolitik‘, 1992, S. 20 und 21):
„Wenn künftig der Staat darüber wacht, dass weder gesellschaftliche Privilegien noch künstliche Monopole den natürlichen Ausgleich der wirtschaftlichen Kräfte verhindern, sondern dass dem Spiel von Angebot und Nachfrage Raum bleibt, dann wird der Markt den Einsatz aller wirtschaftlichen Kräfte in optimal Weise regulieren und damit auch jede Fehlleitung korrigieren“.
Bislang war nur die Agrarpolitik in der EU protektionistisch. Diese war schon markt-wirtschaftsfeindlich genug, senkt die Exportchancen von Entwicklungsländern und fördert die Migration aus solchen benachteiligten Regionen (Afrika). Dieser falsche Ansatz sollte nicht auf die Industrie und Finanzwirtschaft übertragen werden.
Vielfache Kritik an den Plänen einer protektionistischen Industriepolitik
In den Qualitätsmedien wurden die vorgelegten, planwirtschaftlich anmutenden Strategien bereits äußerst kritisch beurteilt. Es drängt sich der Eindruck auf, dass Sorgen wegen eines Ausverkaufs der deutschen Wirtschaft durch China nur den äußeren Anlass boten, die Wirtschaft nach sozialistischen Maßstäben neu zu ordnen. Die neue Industriepolitik, die Kosten durch die Aufnahme oft wenig qualifizierter Flüchtlinge (die hier dann noch auf die schiefe Bahn geraten, weil sie keiner geregelten Arbeit nachkommen können), und die Finanztransfers in den Süden Europas zeigen, das sich Deutschland überhebt.
Politische Hybris, wohl auch Unfähigkeit der Entscheidungsträger, lassen Schlimmes befürchten. Nicht nur die Anleger würden verstärkt fliehen, die Firmen und die gut ausgebildeten jüngeren Arbeitnehmer tun das auch. Sie werden nicht ohne Weiteres ersetzbar sein. Die Erfolgsstorys deutscher Auswanderer in den USA sind weiterhin beeindruckend. Auch wenn Trump hierzulande ritualhaft kritisiert wird, ist die Abstimmung mit den Füßen weiter eindeutig. Wertschöpfung erfolgt woanders, während das Land hier sozialistisch erstarrt und China zur Referenz in allen Bereichen macht. Auch das könnte am Ende die Ära Merkel prägen.
Einen Wirtschaftskrieg mit China und den USA würden die zerstrittenen Europäer verlieren
Einen Wirtschaftskrieg mit China und den USA würde Deutschland und auch die zerstrittenen Europäer sicher verlieren. US-Präsident Trump wird zwar dämonisiert, aber die Wirtschaftsdaten sprechen für ihn, was in unseren Medien, die anscheinend vergessen haben, die eigene Regierung zu kritisieren, meist ‚tiefgehängt‘ wird. Chinas rigides Wirtschaftsmodell sollte von uns nicht kopiert werden, es entspricht nicht unseren freiheitlichen Vorstellungen. Auch bei einem Wirtschaftskrieg würde die EU den Kürzeren ziehen. Der Grund ist, dass man die eigene politische Zerstrittenheit in der EU durch das Etablieren neuer Feindbilder, ob die USA oder China, nicht überwinden kann. Die Abkehr von ordnungspolitischen Wettbewerbsprinzipien würde Europa nur schwächen. Da sowohl die USA als auch China geschlossen auftreten und von ihren politischen Führern wirkungsvoll vertreten werden, hat die EU ohnehin keine Chance, auch nur ernsthaft gehört zu werden. Es wäre ehrlicher, vor allem die US-Regierung nicht immer wieder vor den Kopf zu stoßen. Sie könnte noch gebraucht werden.
Dr. Ulrich Horstmann ist Vorstand im Institut ‚Europa der Marktwirtschaften‘, Buchautor und Publizist (u.a. „SOS Europa“, aktuelles Buch: „Digitale Knechtschaft“). Weitere Beiträge von Ulrich Horstmann auf DDW hier.
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