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Die Antwort an den Internationalen Währungsfonds
Der Internationale Währungsfonds (IWF) veröffentlichte unlängst eine Studie, in der er die Familienunternehmen für die immer stärker werdende Ungleichheit in Deutschland verantwortlich macht. Laut IWF konzentriere sich der Reichtum der Bundesrepublik in den Händen von wenigen großen Familienunternehmen. Wir dokumentieren die Replik des Präsidenten des Verbandes Die Familienunternehmer, Reinhold von Eben-Worlée, an den Acting Managing Director des IWF, David Lipton.
Berlin, 17. Juli 2019
Sehr geehrter Herr Lipton,
wir mussten durchaus irritiert zur Kenntnis nehmen, dass der am 10. Juli veröffentlichte Länderbericht des Internationalen Währungsfonds für Deutschland die familiengeführten Unternehmen unseres Landes für eine vermeintlich wachsende Vermögensungleichheit (mit)verantwortlich macht.
DIE FAMILIENUNTERNEHMER halten dies für eine in der Sache nicht gut begründete und geradezu fahrlässig interpretierte Zuschreibung. Wir schließen uns insofern den Ausführungen von Steffen Meyer, des IWF-Executive Director for Germany, an, der in seinem Statement zu diesem Länderbericht ausdrücklich auf die Erfordernis tiefergehender Prüfung hinweist und zudem die immense Bedeutung der Familienunternehmen für die deutsche Wirtschaft hervorhebt.
In der Tat kann der Anteil des familiengeführten Mittelstandes an Wohlstand und Wachstum aus unserer Sicht kaum überschätzt werden: Der herausragende wirtschaftliche Erfolg Deutschlands hängt stark mit seinen Familienunternehmen und ihrer einzigartigen Finanzierungskultur zusammen. Mit ihren Gewinnen stärken Familienunternehmer ihr Eigenkapital, um vorzusorgen und bei konjunkturellen Schieflagen ihre Unabhängigkeit von den internationalen Finanzmärkten zu bewahren. In der letzten weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise haben sich daher die Familienunternehmen als Stabilitätsanker der deutschen Volkswirtschaft erwiesen.
Auch werden in keinem anderen größeren Land der Europäischen Union so viele Patente und geistige Schutzrechte angemeldet wie in Deutschland. Das liegt auch an den innovativen mittelständischen Familienunternehmen, die mit ihrem hohen, über Generationen aufgebauten Eigenkapital wichtige Investitionen in die Entwicklung von Zukunftstechnologien tätigen können. Fast die Hälfte allerfamiliengeführten Weltmarktführer, der sogenannten „Hidden Champions“, die im B to B meist in kapitalintensiven Hightech-Branchen erfolgreich sind, kommt aus Deutschland. Ohne die besondere Verschonung von Betriebsvermögen in der Erbschaftssteuer wäre das nicht möglich.
Anders als in den angelsächsischen Ländern ist unser volkswirtschaftliches Modell nicht darauf ausgerichtet, dass ein Unternehmer innerhalb einer Generation sehr reich werden kann, um am Lebensende sein Unternehmen zu verkaufen und seinen Kindern Geldvermögen zu vererben. In den angelsächsischen Ländern ist dies im Steuersystem abgebildet: niedrige Einkommensteuern zu Lebzeiten, hohe Erbschaftssteuer bei Übertragung in die nächste Generation. In Deutschland ist es genau umgekehrt: eine relativ hohe Einkommensteuer steht einer relativ geringen Erbschaftssteuer auf Betriebsvermögen gegenüber, damit die nächste Generation das Unternehmen weiterführt. Aus unserer Sicht verdient dieses auf Konstanz und Nachhaltigkeit hinwirkende Prinzip Wertschätzung und sollte nicht in einem gleichmacherischen Furor zur Disposition gestellt werden, auch nicht vom IWF.
Aber nicht nur der Beitrag deutscher Familienunternehmen zur deutschen und europäischen Volkswirtschaft verdient eine tiefergehende Analyse, auch die vom IWF postulierte steigende Ungleichheit der Einkommen und Vermögen in Deutschland muss einer differenzierten Betrachtung unterzogen werden: Seit 2005 hat sich die Einkommensungleichheit in Deutschland nicht mehr statistisch signifikant verändert. Im Jahr 2015 lag der Gini-Koeffizient der Nettoeinkommen – also der Einkommen nach Steuern, Sozialbeiträgen und zuzüglich monetärer Transfers – in Deutschland bei 0,29. Mittels der europaweit durchgeführten Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (European Union Statistics on Income and Living Conditions, EU-SILC) lässt sich die Ungleichheit international einordnen: Deutschland zählt demnach zu der Gruppe mit unterdurchschnittlicher Ungleichheit der Nettoeinkommen.
Aufgrund der umfangreichen staatlichen Umverteilung durch Steuern und Transferleistungen liegt die Ungleichheit der verfügbaren Einkommen in Deutschland auch unterhalb des OECD-Durchschnitts! Z.B. sind die Einkommen in den USA, wo eine deutlich höhere Erbschaftssteuer als in Deutschland erhoben wird, deutlich ungleicher verteilt als in Deutschland und den meisten europäischen Ländern (Gini-Koeffizient der USA: 0,39). Selbst den Vergleich zu den oft gerühmten skandinavischen Staaten muss Deutschland nicht scheuen (Gini-Koeffizient bei Vermögen in Deutschland bei 0,791, in Schweden bei 0,834).
Nicht nur die Ungleichheit von Einkommen, sondern auch die Ungleichheit von Vermögen wird in dem Bericht des IWF verkürzt dargestellt, was in der Öffentlichkeit zu Fehlinterpretationen führen wird: Das Durchschnittsvermögen der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland verdoppelt sich, wenn deren Rentenansprüche in die Vermögenskalkulation eingerechnet werden. Dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge steigt durch die Rentenanwartschaften das Durchschnittsvermögen von 85.348 Euro auf 176.789 Euro. Das mittlere Vermögen (Netto-Medianvermögen) versechsfacht sich gar. Weil die Rentenanwartschaften gleichmäßiger in der Bevölkerung verteilt sind als die Nettovermögen, sinkt das Maß für die Vermögensungleichheit daher um 25 Prozent! Nur wenige andere Länder haben ein so staatlich reguliertes Rentensystem. Es ist daher völlig unverständlich, warum der IWF dies in seinem Länderbericht komplett ignoriert.
Abschließend ist noch auf einen zentralen Punkt hinzuweisen: In der Tat ist in Deutschland ein im internationalen Vergleich erheblicher Teil des gesamten privaten Vermögens in Unternehmen gebunden. Dieses dient damit typischerweise den Produktions- und Investitionsprozessen. Vermögen in Familienunternehmen ist vielmals durch Unternehmenssatzungen oder Gesellschafterverträge, wie etwa in Gestalt von sogenannten Reinvestitionsgeboten oder auch durch Beschränkungen für Anteilsveräußerungen, ganz gezielt dem Konsum durch die Eigentümer entzogen. Das private Vermögen der Familienunternehmerkommt als betrieblich gebundenes Produktivvermögen der gesamten Volkswirtschaft zugute.
DIE FAMILIENUNTERNEHMER empfehlen dringend, dass sich der IWF in einem künftigen Report vertieft mit Deutschland und seinen familiengeführten Unternehmen beschäftigt. Wir stehen Ihnen gerne als Ansprechpartner und auch mit weiteren Daten zur Verfügung.
Da Ihr Report bereits für diverse Diskussionen gesorgt hat, erlauben wir uns, dieses Schreiben als Antwort ebenfalls der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.
Reinhold von Eben-Worlée, Geschäftsführender Gesellschafter der E.H. Worlée & Co. (GmbH & Co.) KG in Hamburg, ist Präsident des Verbands DIE FAMILIENUNTERNEHMER
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