Hidden Champions – Auslaufmodell oder Zukunftsmotor?

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Wie die Familienunternehmer unter den Marktführern und Hidden Champions ihre aktuelle Lage und die großen Zukunftsperspektiven sehen, dazu bot der diesjährige Campus for Family Business ein unmittelbares Bild. Vor allem ein Thema bewegt zwangsläufig jedes Familienunternehmen.

Unter den rund 150 Teilnehmern auf dem Campus der WHU Otto Beisheim School of Management in Vallendar bei Koblenz finden sich traditionell eine Reihe der namhaftesten deutschen Unternehmerfamilien (DDW-Leser waren eingeladen). In der geradezu familiären Atmosphäre sprachen in diesem Jahr unter anderem Selina Stihl (Stihl Holding AG & Co. KG), Christoph Werner (dm-drogerie markt GmbH + Co. KG), Catharina Prym (Prym Group), Michael Mack (Miteigentümer des Europa-Park Rust), Dr. Florian Langenscheidt, der norwegisch-schweizerische Multi-Familienunternehmer Prof. Dr. Peter Lorange, Susanne Szczesny-Oßing (EWM AG), Marie-Christine Ostermann (Rullko Großeinkauf GmbH & Co. KG) oder Sarna Röser (Unternehmensgruppe Röser und Bundesvorsitzende Junge Unternehmer).

Deutschland hat weltweit mit Abstand die meisten Weltmarktführer

Der norwegisch-schweizer Familienunternehmer, Investor und Universitätsgründer Professor Dr. Peter Lorange hielt beim Vorabendevent im Kurfürstlichen Schloss in Koblenz die Ansprache. Mittlerweile hat er sich der Vernetzung und Inspiration von Familienunternehmern und Investoren mit seiner Plattform Lorange Network auf die Fahnen geschrieben

Dass das diesjährige Oberthema der Hidden Champions nicht von ungefähr familiengeführte Unternehmen betrifft, zeigt alleine diese Zahl aus den DDW-Analysen: Rund ein Drittel der 1.000 wichtigsten deutschen Weltmarktführer sind zugleich Top-Familienunternehmen (Details hier).

Diesen Zusammenhang analysierte auch Professor Dr. Hermann Simon, Gründer und Ehrenvorsitzender der auf Pricing spezialisierten Strategieberatung Simon-Kucher & Partners, der wie kaum ein anderer den Begriff des Hidden Champions geprägt hat. Für ihn steht fest: Die Hidden Champions sind und bleiben Zukunftsmotor der deutschen Wirtschaft. In der Regel würde sich laut Simon global eine lineare Korrelation zwischen der Anzahl der Großunternehmen eines Landes und der Summe dessen Exporte erkennen lassen. Deutschland bilde hier gemeinsam mit China eine Ausnahme, denn zwei Drittel der deutschen Exporte würden mittelständischen Unternehmen, oftmals Hidden Champions, entstammen.

Der weltweit renommierte Experte und Berater für Hidden Champions, Professor Dr. Dr. mult. Herrmann Simon kennzeichnete die Erfolgsmodelle der Marktführer

Insgesamt 16 solcher Hidden Champions kommen hierzulande auf eine Million Einwohner, womit Deutschland weltweit mit Abstand am meisten jener Weltmarktführer hat, die auf ihrem Gebiet Spitzenreiter sind und dennoch national wie international über einen besonders geringen Bekanntheitsgrad verfügen. Aber was macht unsere Hidden Champions eigentlich so erfolgreich? Simon zufolge setzen sie sich extrem ambitiöse Ziele, sind überdurchschnittlich innovativ und verbinden Fokussierung in Produkt und Know-how mit globalem Vertrieb und Marketing.

“Zukunftsmotor, aber kein Selbstläufer”

Michael Mack, CEO des Europa-Freizeitparks, konnte die Herausforderungen der Digitalisierung exemplarisch beschreiben: Mit einem Unternehmensteil ist er Hersteller von weltweit einzigartigen Achterbahnen mit Virtual Reality-Elementen

Ein bemerkenswert zuversichtliches Bild zeichnete Simon hinsichtlich der Digitalisierung. Die Hidden Champions behaupteten hier ihre führende Marktposition bei der Digitalisierung der Industriegütermärkte. Dies gilt gleichermaßen für Produkte wie für industrielle Prozesse und Services. Ihre Fokussierung auf spezifische Prozesskompetenzen und Kundennähe kämen auf diesem neuen Feld höchste Bedeutung zu. Denn genau diese Kenntnis sei Voraussetzung dafür, dass Digitalisierung echten Kundennutzen stiftet.

Selina Stihl und Catharina Prym sprachen später in der Podiumsrunde “Next Generation”. Beide, wie auch Mitdiskutant Christoph Werner, sammelten langjährige Auslandserfahrungen

Doch nicht jeder Teilnehmer des Campus for Family Business ist so optimistisch eingestellt wie Simon. „Hidden Champions sind ein Zukunftsmotor, aber kein Selbstläufer“, führte Catharina Prym, Spezialistin für Familienunternehmen von PwC und Mitglied der Unternehmerfamilie Prym in 15. Generation, an. Michael Mack, CEO des Europa-Freizeitparks, kritisierte darüber hinaus die hiesige noch immer mangelhafte Infrastruktur. Ein unzureichendes Mobilfunknetz und rechtliche Hürden im Bereich der digitalen Verwaltung wären nur zwei Herausforderungen, die alltägliche Prozesse erschweren. Paul Hertwig von N+P Informationssysteme war ähnlicher Meinung und ergänzte, dass es immer schwerer werden würde, Talente, allen voran IT-Experten, für Familienunternehmen in ländlichen Regionen zu gewinnen.

Komplexe Governancestrukturen

Eine der Kernherausforderungen, die sich zwangsläufig für jedes Familienunternehmen stellt, ist das Thema des Generationenwechsels. Mit dem Thema des Nachwuchses für deutsche Mittelständler beschäftigte sich am Nachmittag auch die Podiumsdiskussion „Next Generation“. Man könne die nachfolgenden Generationen nicht mehr an das Unternehmen binden. Vielmehr müsse man schon frühzeitig versuchen, Interesse zu wecken, berichtete Selina Stihl von der gleichnamigen Stihl AG. Vor der Herausforderung einer professionellen Family Governance, die das Verhältnis von Gesellschaftern untereinander und zum Unternehmen regelt, stünde jedes über Generationen wachsende Familienunternehmen, beschrieb Catharina Prym – eine Erfahrung, die sie nicht nur aus ihrer Arbeit als Beraterin für Familienunternehmen, sondern als Teil einer der ältesten Unternehmerdynastien in Deutschland kennt.

Christoph Werner hat jüngst die Führung der dm Drogeriemärkte übernommen. In der Podiumsrunde mit Michael Oelmann beschrieb er das besondere Mitarbeiter- und Kundenverhältnis, das den Erfolg seines Unternehmens ausmacht

Über das Zusammenspiel komplexer Governancestrukturen aus Familienstiftung und operativer Führung konnte auch Christoph Werner berichten. Als eines der sieben Kinder des Unternehmensgründers hat er in diesen Tagen die Führung der dm-drogerie markt GmbH + Co. KG übernommen.

Die Frage, ob innerhalb komplexer Strukturen großer Familienunternehmen so etwas wie eine “unternehmerische Handschrift” noch möglich sei, bejahten alle drei. Zu den Ideen und Herausforderungen für das eigene Unternehmen befragt, nannte Selina Stihl den Ausbau des E-Commerce sowie elektrisch betriebener Stihl-Produkte. Christoph Werner nannte es als seine größte Herausforderung, das traditionell besondere Verhältnis von dem zu Mitarbeitern und Kunden in eine neue Zeit zu tragen. Auch in einem sehr großen Unternehmen den Kunden stets zum Zentrum des Handelns zu machen, statt sich in konzernartiger Nabelschau um sich selbst zu drehen, so der anthroposophisch geprägte Werner, bilde für ihn den Garant künftigen Erfolgs.

Leserevent
Die Veranstaltung steht im Kontext des Lesernetzwerks “Connectors Club” von DDW, das Treffen auf Top-Führungsebene anbietet. Interesse an der Teilnahme an diesen und anderen Veranstaltungen im Connectors Club richten Sie gerne an corporate@die-deutsche-wirtschaft.de.

 Unternehmer und Wirtschaft als Feindbild?

Sarna Röser, Bundesvorsitzende der Jungen Unternehmer und selbst Nachfolgerin eines in dritter Generation geführten Familienunternehmens

Die Herausforderung, den Nachwuchs für das eigene Familienunternehmen zu begeistern, würde zusehends auch durch ein in der Öffentlichkeit verbreitetes, negatives Unternehmerbild erschwert, kritisierte später Sarna Röser, Bundesvorsitzende der jungen Unternehmer, in ihrer Rede. Unternehmer müssten nicht zuletzt deshalb noch mutiger und experimentierfreudiger werden und dürften nicht in ein von Röser als „German Angst“ bezeichnetes Stadium fallen. Denn eines sei klar: „Gründer und junge Unternehmer sind die Lebensversicherung von Deutschland.“

 

Der alljährliche Campus for Family Business bietet Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis in geradezu familiärer Atmosphäre auf dem Campus der WHU

Schirmherr Dr. Florian Langenscheidt griff das Stimmungsbild auf. Der Mittelstand und seine Hidden Champions prägten Deutschland wirtschaftlich wie kulturell. Dieses Modell müsse stärker im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankert werden. Das mitunter deutlich spürbare Unbehagen über das in den aktuellen Debatten verbreitete Unternehmer- und Industriebild brachte die zweite Schirmherrin der Veranstaltung, die Koblenzer IHK-Präsidentin und Familienunternehmerin Susanne Szczesny-Oßing, in einem flammenden Statement auf den Punkt: Wenn Unternehmer und Wirtschaft als Feindbild stilisiert würden, könnten keine der großen Herausforderungen der Gesellschaft bewältigt werden.

 

 

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