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Am Gewinn ist noch keine Firma kaputt gegangen
Deutsche Unternehmen sind im internationalen Vergleich sehr gewinnschwach. Was sind die Ursachen, was die Therapien? Von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Simon
Gewinn ist das, was übrig bleibt, wenn das Unternehmen alle vertraglich vereinbarten Ansprüche von Mitarbeitern, Lieferanten, Banken, sonstigen Gläubigern und des Staates befriedigt hat.
Von dieser ebenso einfachen wie essentiellen Wahrheit können auch alle anderen, in den letzten Jahren vermehrt auftretenden Bezugsgrößen und Wortgbilde nicht ablenken. EBIT, EBITDA, EBITDAR (R für Restrukturierung), „Core Platform Contribution Profit“ (Uber), „Community-Adjusted EBITDA“ (WeWork), „Adjusted Consolidated Segment Operating Income“ (Groupon) sind nicht Gewinn!
Deutsche Unternehmen sind sehr gewinnschwach
Die Gewinnmargen werden von den Verbrauchern um das 6-7fache überschätzt. So vermuten die Verbraucher in Deutschland bei Unternehmen eine Nettogewinnmarge von 22,6 Prozent. Die tatsächliche Marge beträgt aber 3,2 bis 3,4 Prozent! In den USA: Verbraucher vermuten Nettogewinnmargen von 31 Prozent; die tatsächliche Marge beträgt 4,9-6 Prozent.
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Dies zeigt auch schon, dass deutsche Unternehmen sehr gewinnschwach sind. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sieht für Deutschland eine Gewinnmarge von 3,3, die Bundesbank 3,24 Prozent. Der Durchschnitt der OECD-Länder liegt bei 5,71 Prozent! Im Fortune Global 500 liegen die Werte 2018 bei einem Mittelwert für die Nettomarge bei 6,59 Prozent, im Median bei 4,49 Prozent. Hingegen die Deutschen Global 500: Mittelwert 4,35 Prozent, Median 3,38 Prozent.
Das einzige DAX-Unternehmen mit einer Nettogewinnmarge von mehr als 20 Prozent ist die Deutsche Börse mit 32 Prozent – wohl ein monopolartiger Sonderfall.
Auffällig dabei: Die deutschen Hidden Champions sind mit acht Prozent Nettomarge etwa 2,5mal besser als der deutsche Durchschnitt. Es gibt auch in Deutschland durchaus Unternehmen mit mehr als 20 Prozent Nettomarge, doch diese sind rar gesät. 25 davon konnte ich finden.
Bei der Eigenkapitalrendite schneiden deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich indes besser ab. Das wird aber oft mit höherer Verschuldung, also höherem Risiko, erkauft.
Zur Ethik des Gewinns
Unverständlicherweise ist das Wort Gewinn in Deutschland oft negativ besetzt. Dabei ist Gewinnmaximierung ist das Gegenteil von Verschwendung, man kann auch sagen „die Minimierung von Verschwendung“.
Ganz anders in der anglo-amerikanischen Welt, die wohl nicht ohne Grund auch deshalb in der Gewinnerzielung erfolgreicher ist. Nitin Nohria, Dean der Harvard Business School: „The first ethical responsibility of a business leader is to make a profit.“ Oder Peter Drucker: „There is no conflict between profit and social responsibility. It is not the business that earns a profit adequate to its genuine costs of capital, to the risks of tomorrow and to the needs of tomorrow’s workers and pensioners, that rips off society.” Und schon Wallace Brett Donham, von 1919 bis 1942 Dean der Harvard Business School, postulierte: „We want to educate leaders who make a decent profit decently.“
Ursachen der deutschen Gewinnschwäche
Aus meiner Analyse heraus lässt sich die „deutsche Gewinnschwäche“ auf verschiedene Ursachen zurückführen:
- Falsche Ziele (nur 28 Prozent der Unternehmen sind gewinnorientiert, die Hälfte ist volumenorientiert)
- Falsche Incentives (z.B. Umsatzprovisionen, Optionen)
- 6 mal so viele Manager kennen den Umsatz ihrer Unternehmen, aber nicht den Gewinn
- Falsche Branche / Dominanz reifer Branchen
- Verzettelung / übertriebene Diversifikation
- Scaling-Up-Schwäche (kleiner Heimatmarkt, geringes Kapitalangebot)
- Gesamtverantwortung des Vorstandes
- Mitbestimmung
- Zu weiche Banken
- Negative Besetzung des Wortes Gewinn
Aus diesen Ursachen ergeben sich logischerweise auch die notwendigen Therapien, die ich in meinem Buch ausführliche darlege.
Gewinntreiber Preis
Hervorheben will ich indes die Rolle der Gewinntreiber Preis, Absatzmenge und Kosten. Denn insbesondere beim Preis liegt das größte Potential. Die Gewinnelastizitäten liegen ganz eindeutig 1. beim Preis, 2. bei den Kosten und 3. beim Absatz.
Der Preis ist ein Instrument, das sich durch schnelle Einsetzbarkeit auszeichnet, im Gegensatz beispielsweise zu Veränderungen am Produkt, Werbekampagnen oder Kosteneinsparungen. Durch das Internet hat sich die preisliche Anpassungsfähigkeit weiter erhöht (Flatrates, Freemium, Dynamic Pricing etc.). Der Preis ist zudem das einzige Marketinginstrument, bei dem nicht vorab Ausgaben / Investitionen getätigt werden müssen.
Angesichts der herausragenden Rolle als Gewinntreiber sollte man erwarten, dass Unternehmer und Top-Manager dem Preis hohe Aufmerksamkeit widmen. In der Praxis ist die jedoch oft nicht der Fall. Vielmehr richten sich Aufmerksamkeit und Energieeinsatz des Managements am stärksten auf die Gewinntreiber Kosten und Absatz.
Keine Alternative zur Gewinnorientierung
Was Erfolg bedeutet, muß jeder Unternehmer für sich selbst entscheiden. Ich maße mir diesbezüglich keine Definitionshoheit an. Aber ich wage eine abschließende Hypothese: Wenn ein Unternehmen dauerhaft keine Gewinne macht und letztlich daran zugrunde geht, kann man schwerlich von einem Erfolg sprechen. Mein Fazit lautet deshalb, dass es für private Unternehmen keine Alternative zur Gewinnorientierung gibt. Denn am Gewinn ist noch kein Unternehmen zugrunde gegangen.
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Hermann Simon ist international gefragter Managementvordenker, erfolgreicher Unternehmer und Pricing-Spezialist. Als Entdecker der „Hidden Champions“, der unbekannten Weltmarktführer, hat er in wenigen Jahrzehnten selbst die international erfolgreichste deutsche Beratung aufgebaut: Simon-Kucher & Partners mit Sitz in Bonn ist heute der Weltmarktführer für Preismanagement.
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