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Die Krise legt die Defizite bei der Automatisierung im Mittelstand offen
Wie mit dem Brennglas zeigt sich jetzt, dass Automatisierung keine Gefahr, sondern Schutz für Arbeitsplätze darstellt. Der deutsche Mittelstand muss und wird moderner aus der Krise hervorgehen. Von Dr. Jens Kotlarski
Wenn die Nachfrage fehlt, hilft auch die effizienteste Produktionsstruktur nichts. Das mussten beispielsweise die Autohersteller erfahren, die im Zuge der Corona-Krise ihre Fertigung geschlossen haben. Doch das ändert an einem anderen, grundsätzlichen Befund nichts: Weite Teile der deutschen Wirtschaft spüren jetzt auf das Schmerzlichste, wo ihre Lücken in der Automatisierung liegen. Denn hohe Produktionskosten bzw. Arbeitskostenanteile schlagen voll durch in einer konjunkturellen Krise.
Auf dem Papier ist die deutsche Wirtschaft zwar gut unterwegs bei seinem Automatisierungsgrad. Das zeigt sich beispielsweise im internationalen Vergleich der installierten Roboter pro Arbeitskraft. Doch das Bild trügt. Denn es sind genau jene Automobilhersteller, die das Bild verzerren. Die großen Automotive-Konzerne, die die deutsche Wirtschaft prägen, sind längst in höchstem Maße automatisiert. Bei den KMU sieht es dagegen ganz anders aus.
Automatisierung in Konzernen hat mit der Wirklichkeit in Mittelstandsbetrieben nichts zu tun
Das liegt zunächst einmal an der Struktur der Produktion bei den ganz Großen. Robotik in der Automobilproduktion setzt auf planbare Größen: Die gleichen Produktionsschritte, gut planbar für Laufzeit von fünf bis sieben Jahre, ermöglichen 24/7-Prozesse in fast menschenleeren Produktionsstraßen. Das hat mit der Wirklichkeit in den allermeisten Mittelstandsbetrieben nichts zu tun. Hier sind flexible Prozesse nötig. In drei Wochen wird jenes Produkt gefertigt, in den nächsten ein anderes.
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Die Automatisierungs- und Robotiksysteme, die für diese flexiblen Anforderungen – und natürlich die viel geringeren Investitionskosten – geeignet sind, kommen erst mit den letzten Jahren auf den Markt. Aber es gibt sie, und sie sind wirkungsvoll. Roboteraffine Länder wie Südkorea, in denen man praktisch mit der Technik aufwächst, diese sehr viel ergebnisoffener einsetzt und bereits sehr früh ein Bewusstsein für Mehrwehrte hat, sollten und müssen uns als Vorbild und den deutschen Unternehmen insgesamt als Benchmark dienen.
Chance für den Mittelstand
Was lässt uns im Mittelstand hinterherhinken? Meine Einschätzung ist: Es ist eine weit verbreitete Angst vor Veränderung. In vielen Betrieben ist Robotik noch ein Fremdwort. Ein solches Verhalten ist sogar verständlich, wenn es einem gut geht, wenn der „Laden läuft“. Genau deshalb birgt die aktuelle Krise auch die Chance, einen gewaltigen Innovationsschub nach sich zu ziehen. Denn jetzt wird vieles in Frage gestellt. Was kann ich anders machen? Wo kann ich besser, effizienter werden? Welche Abläufe kann ich nachhaltiger gestalten? Für die allermeisten Unternehmen ist diese Zeit der wirtschaftlichen Krise die Zeit solcher entscheidenden Fragen.
An welcher Stelle Maschinen und Roboter die bisher menschliche Arbeitskraft ersetzen, war dabei bislang oft ein Thema, bei dem eher die Sorge um Arbeitsplatzvernichtung im Vordergrund stand. Heute sieht das ganz anders aus: Unternehmen, die in hohem Maße flexibel automatisiert und damit kosteneffizienter sind, sind jene, die ihre Arbeitsplätze werden halten und gar neue schaffen können.
Diese Erkenntnis wird sich durchsetzen bis hinunter in die Kleinbetriebe. Und auch außerhalb der Industrie, insbesondere wenn man die ‚systemrelevanten‘ Aufgaben und Unternehmen im Hinterkopf hat. Robotik wird nicht länger ein Fremdwort sein in den Betriebsstätten. Was jetzt zählt, ist der Mut, es einfach einmal anzupacken, sich zu orientieren, Erfahrungen zu sammeln. Der deutsche Mittelstand, da bin ich gewiss, wird anders aus dieser Krise hervorgehen.
Jens Kotlarski ist CEO der Yuanda Robotics GmbH aus Hannover und Geschäftsführer der Wissens- und Technologietransfer-Unternehmens FORWARDttc GmbH.
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