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Kontakt-Tracer & Co.: Wie Betriebe wieder anlaufen können
Durch COVID-19 hat die Umsetzung des Arbeits- und Infektionsschutzes für unzählige Unternehmen eine hohe Dringlichkeit erreicht. Doch Home Office ist nur für bestimmte Berufsgruppen als Schutzmaßnahme geeignet. Um den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard auch für gewerbliche Mitarbeiter effektiv anwenden zu können, braucht es mehr. Dazu gehören neben Sicherheitsabständen und Hygienemaßnahmen auch Kontakt-Tracing sowie kluge Planung und digitale Entscheidungsintelligenz. Von Dr. Jörg Herbers, Bereichsleiter Workforce Management bei INFORM
Für Unternehmen, die ihre Betriebe jetzt wieder hochfahren und hunderte oder tausende Mitarbeiter aus der Kurzarbeit oder vorübergehender Schließung zurückholen, stehen einige organisatorische Herausforderungen an. Die Arbeit der Mitarbeiter muss jetzt im Kern so organisiert werden, dass es zu so wenig physischen Kontakten wie möglich kommt. Dort, wo Kontaktpunkte unvermeidbar sind, versucht man, sie auf kleine Personengruppen einzuschränken. Dazu müssen Schicht- und Einsatzpläne unter völlig neuen Aspekten neugestaltet werden.
Für Schichtbetriebe sieht der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard bundeseinheitlich und branchenübergreifend vor, dass möglichst dieselben Personen in gemeinsamen Schichten arbeiten sollen. Sie sind von anderen Gruppen örtlich oder zeitlich zu trennen. Arbeitsbeginn und -ende sollen nach Möglichkeit so gestaltet werden, dass Ballungen von Personen z. B. in Pausen- und Umkleideräumen oder an der Zeiterfassung vermieden werden. Außerdem gilt es, Distanzregeln einzuhalten. Wie lässt sich all das noch effizient gestalten?
Corona Tracer: digitale Erfassung möglicher Infektionsketten
Die für den öffentlichen Raum diskutierten Tracing-Apps sind für den Infektionsschutz in Unternehmen nicht anwendbar, weil mit ihnen nicht gezielt bestimmte Mitarbeiter in Quarantäne geschickt werden können. Kommt es also zu einer Ansteckung, kann es sein, dass eine oder mehrere Schichtgruppen vorsorglich die Arbeit einstellen oder Betriebe sogar ganz geschlossen werden müssen. Um das zu vermeiden, können sogenannte Corona Tracern eingesetzt werden.
Corona Tracer sind kleine, wartungsfreie Geräte etwa in der Größe einer Streichholzschachtel, die Mitarbeiter wie Mitarbeiterausweise am Körper tragen. Sie zeichnen Annäherungen auf weniger als 1,5 Meter zwischen Mitarbeitern anonym auf. Die Zuordnung jedes Geräts zum jeweiligen Mitarbeiter wird nur an einer vertrauenswürdigen Stelle im Unternehmen hinterlegt. Mit Hilfe der Geräte lassen sich bei Infektionsfällen die Kontaktpersonen der letzten zwei Wochen nachvollziehen und somit Gefährdungslagen beurteilen. Zudem müssen keinerlei Apps auf den privaten Smartphones der Mitarbeiter installiert und dort Daten ausgelesen werden. So kann man den Dokumentationsanforderungen, die eine Verfolgung von Infektionsketten in Betrieben erfordert, auch gegenüber Gesundheitsämtern einfach und datenschutzkonform umsetzen.
Personaleinsatzplanung algorithmisch optimieren
Ein weiteres unterschätztes Problem betrifft die die Personaleinsatzplanung. Mitarbeiter fallen krank aus, andere sind in häuslicher Quarantäne. Schichtgruppen werden neu organisiert, Arbeitsanfang und -ende sowie Pausen entzerrt, Teams örtlich separiert. Andere Mitarbeiter gehören Risikogruppen an und sind deshalb nicht voll einsetzbar, ein weiterer Kollege muss zu Hause seine kleinen Kinder betreuen. Wie schafft man es bei all dieser Komplexität noch, die Mitarbeiter sinnvoll einzuteilen? Dazu muss die Personalabteilung Kurzarbeit, Ausfälle wegen Kinderbetreuung und Anordnungen der Gesundheitsämter korrekt abrechnen. Dennoch müssen immer genügend Mitarbeiter mit der richtigen Qualifikation zur richtigen Zeit am richtigen Arbeitsplatz stehen, um Aufträge zu erfüllen und Wirtschaftsergebnisse zu stabilisieren. Mit zehntausenden Zeilen Planung in Excel ist Überforderung vorprogrammiert.
Dazu ein konkretes Beispiel aus dem Maschinenbau: Das klassische Vorgehen wäre, Mitarbeiter pauschal in die Kurzarbeit zu schicken, also z. B. einheitlich von einem Zweischicht- auf einen Einschichtbetrieb umzustellen. Ein betrieblich sehr viel nachhaltigerer und bedarfsgerechterer Plan würde vorsehen, dass unterschiedliche Mitarbeitergruppen in unterschiedlichen Kurzarbeitsmodellen arbeiten. Basierend auf einer systematischen, modellbasierten Bedarfsplanung für die verschiedenen Tätigkeiten ließe sich beispielsweise einrichten, dass bestimmte Aufträge in der Produktion von bestimmten Mitarbeitern mit bestimmten Qualifikationen trotz Kurzarbeit termingerecht bearbeitet werden können.
In der Realität muss ein solcher Plan nicht nur einmal, sondern u. U. im Abstand weniger Wochen mehrfach an den Mehr- oder Minderbedarf an Arbeitskapazität angepasst werden. Die dazu nötige Anpassungsfähigkeit ist die Königsklasse der Planung. Digitale Entscheidungsintelligenz ist der Schlüssel zu ständig auf die jeweilige Situation angepassten Plänen. Mathematisch lassen sich alle relevanten Bedingungen modellieren, unter denen Algorithmen dann innerhalb kürzester Zeit Millionen von Plänen gegeneinander abgleichen. So ist es möglich, unter den unzähligen Varianten den einen Plan zu finden, der alle Bedingungen optimal erfüllt. Das ist entscheidend, wenn sich die Planungssituation immer wieder ändert.
Einsatzpläne zielgerichtet kommunizieren
Doch selbst wenn ein optimierter Plan vorliegt, der verschiedene Arbeitszeitmodelle – wie Vollzeitkräfte auf Rahmendienstplänen, Teilzeitkräfte mit individuellen Modellen und Leiharbeiter – unter einen Hut bringt, stoßen Unternehmen auf eine weitere Herausforderung, die auf den ersten Blick banal anmuten mag. Werden Mitarbeiter stufenweise aus der Kurzarbeit zurückgeholt, müssen sie von ihren neuen Arbeitseinsätzen erfahren. Das gleiche gilt, wenn aufgrund des schwankenden Arbeitsaufkommens Einsatzpläne regelmäßig geändert werden müssen.
Gerade gewerbliche Mitarbeiter verfügen meist weder über ein Firmen-E-Mail-Konto noch über einen privaten Zugang zum betrieblichen Intranet. Wer also nicht hunderte oder tausende Mitarbeiter einzeln anrufen will, muss über digitale Kommunikationslösungen nachdenken, die über die nächsten Arbeitseinsätze informieren. Solche Lösungen können auch verwendet werden, um Anträge für Urlaub oder Freizeitausgleich digital zu verarbeiten. Es braucht also nicht einfach ein Chat-Tool, sondern ein System, das die Dienstplanerstellung intelligent unterstützt und von den Mitarbeitern auch mobil und von zu Hause aufgerufen werden kann.
Post-Corona: Ein Arbeiten auf Augenhöhe?
Kleine und große Krisen zeigen an, an welcher Stelle es Unternehmen an Resilienz fehlt. Welche Prozesse, Abläufe oder Pläne haben dem unerwarteten Druck nicht standgehalten? Einen Totalausfall kann man natürlich nicht planen, viele kleinere Betriebsstörungen aber abfedern. Ich würde mir wünschen, dass sich Unternehmen daran erinnern, dass sie mit einem flexiblen Digital Decision Making – also daten- und Algorithmen-gestützten Entscheidungsprozessen – weiter kommen als mit Abläufen, die vor allem aus Gewohnheit so ausgeführt werden wie vor zwanzig Jahren. Mit der heutigen Technologie und Rechenleistung können wir so granular und flexibel planen, dass man auf viele Betriebsstörungen schnell und angemessen reagieren kann. Ich glaube, dass sich Unternehmen an diese außerordentliche Flexibilität gewöhnen müssen. Und diese Flexibilität nützt nicht nur den Unternehmen, sondern auch den Mitarbeitern. Gerade eine jüngere Arbeitnehmergeneration und Mitarbeiter, die Kinder oder pflegebedürftige Angehörige betreuen müssen, benötigen eine Flexibilität auch in ihrem Interesse.
Die Corona-Situation zeigt sehr eindrücklich, welchen Vorteil digitalisierte gegenüber weniger digitalisierten Bereichen haben. Das sieht man z. B. an den Schulen, die sich mit einem systematisch digitalen Unterricht noch schwertun, während Händler, die auch digitale Angebote haben, viel zu tun haben. Das zeigt, wie wichtig es ist, intelligente Digitaltechnologie in betrieblichen Anwendungen zum Einsatz zu bringen, wo sie Menschen voranbringt – und zwar nicht nur in Bezug auf Produktivität, sondern im Sinne von Nachhaltigkeit und im Einklang zwischen Mensch und Technologie.
Dr. Jörg Herbers ist Bereichsleiter Workforce Management bei INFORM. Das Unternehmen entwickelt Software zur Optimierung von Geschäftsprozessen mittels Digital Decision Making auf Basis von Künstlicher Intelligenz und Operations Research. Sie ergänzt die klassischen IT-Systeme und steigert die Wirtschaftlichkeit und Resilienz vieler Unternehmen. Während datenverwaltende Software nur Informationen bereitstellt, können INFORM-Systeme in Sekundenschnelle große Datenmengen analysieren, zahlreiche Entscheidungsvarianten durchkalkulieren und die bestmögliche Lösung dem Anwender zur Umsetzung vorschlagen. Mehr als 750 Softwareingenieure, Datenanalysten und Berater betreuen heute mehr als 1.000 Kunden weltweit in Industrie, Handel, Flughäfen, Häfen, Logistik, Banken und Versicherungen. Optimiert werden Absatzplanung, Produktionsplanung, Personaleinsatz, Logistik und Transport, Lagerbestände, Supply Chain Management sowie die Betrugsabwehr bei Versicherungen und im Zahlungsverkehr. www.inform-software.de
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