Automobilgeschichte auf der Straße: Mille Miglia 2021

Keine Kommentare Lesezeit:

Es war der Dezember 1925, als sich vier junge Männer aus Brescia – Graf Franco Mazzotti, Graf Aymo Maggi, Renzo Castagneto und Giovanni Canestrini – schworen, ihre Heimatstadt zu einem Zentrum des Motorsports zu machen, indem sie ein Rennen veranstalten würden. Es war der Anfang der Geschichte der „Mille Miglia“, die bis heute von ihrem Zauber nichts verloren hat.

Die Idee der vier motorbegeisterten Gentlemen: Es sollte ein Straßenrennen – zumeist über unbefestigte Landstraßen – werden und in Brescia starten und enden. Dreizehn Jahre später wurde Rom, das bis heute ein Highlight der Mille Miglia ist, als Wendepunkt der Strecke festgelegt. Als Streckenlänge ergaben sich ungefähr 1.600 Kilometer – oder eben etwa 1.000 US-Meilen. Zwei Jahre nach Beginn der ersten Überlegungen – am 26. März 1927 – war es so weit: Zum ersten Mal fiel der Startschuss für 77 Wagen.

Ein BMW 328 Touring Coupé beim Start des Mille Miglia Grand Prix in Brescia 1940

Klassiker der Langstrecken-Straßenrennen – damals wie heute

Neben der „Targa Florio“ galt die Mille Miglia als der Klassiker unter den Langstrecken-Straßenrennen und als Inbegriff des „Gran Turismo“ (GT), der schnelle Reisesportwagen für Langstreckenrennen beschreibt, wie sie etwa von Ferrari eigens für die Mille Miglia entwickelt wurden, denn die Mille Miglia gehörte zur 1953 eingeführten Sportwagen-Weltmeisterschaft.

Automobilgeschichte auf der Straße erleben

Vom 16. bis 19. Juni ist es wieder einmal so weit. Oldtimerfans aus der ganzen Welt holen die exklusivsten Sportwagen der Automobilgeschichte aus der Garage, um zur alljährlichen „Mille Miglia“ in das norditalienische Brescia zu kommen. Es werden weder Kosten noch Mühen gescheut, um unter den 375 Teams zu sein, die für das schönste Oldtimerrennen der Welt zugelassen werden. Die Teilnahme ist ausgesuchten Modellen des automobilen Rennsports bis zum Baujahr 1957 vorbehalten, die auch am Originalrennen der Mille Miglia teilgenommen haben, als die Tour von Brescia nach Rom und zurück noch Teil des offiziellen Rennzirkus war. Die Mille Miglia bietet also eine weltweit nahezu einzigartige Möglichkeit, Raritäten der Automobilgeschichte auf der Straße zu erleben. Begleitet wird das diesjährige Rennen, quasi als Beiwerk, von einhundert exklusiven Ferraris.

Zaungäste erwünscht an den vielen Etappen zwischen Brescia und Rom

Start und Ziel sind unveränderliche Tradition. Das Rennen startet jedes Jahr von ihrer Heimatstadt Brescia in Richtung Rom, von wo es wieder zurück zur triumphalen Zieleinfahrt in Brescia geht. Lediglich der Streckenverlauf und die Zwischenetappen ändern sich von Jahr zu Jahr. Und wahrhaftt: Kein Land könnte diesem Rennen einen schöneren Rahmen bieten als Italien.

Ausfahrt mit Ausblick – hier am Gardasee

Alfa Romeo, Ferrari, Mercedes und Co – Mindestalter 55 Jahre!

Zu den Schmuckstücken, die das Mille Miglia-Publikum in diesem Jahr zu Gesicht bekommt, gehören mehrere Alfa Romeo 6C 1750 mit von der Designschmiede Zagato entworfener Karosserie. Für Gänsehaut bei Liebhabern historischer Renngeschosse dürfte auch das Wiedersehen mit Ferrari 340 America Spider Vignale und 275/340 America Scaglietti sorgen. Die Sportwagen, von den Italienern speziell für den amerikanischen Markt entwickelt, waren in den 1950er Jahren die leistungsstärksten und teuersten Pferde im Ferrari-Stall. Rund 70 Jahre später treffen sie bei der Mille Miglia wieder auf eine Legende mit Stern – den Mercedes-Benz 300 SL. Gleich elf Exemplare dieses Modells gehen in diesem Jahr in Brescia an den Start, darunter ein Prototyp, den die Stuttgarter 1952 auf der 1000-Meilen-Strecke einem Härtetest unterzogen hatten. Noch ein Vierteljahrhundert mehr haben die OM 665 „Superba“ auf dem Buckel. Mit Wagen dieses Typs hatte die italienische Autoschmiede „Officine Meccaniche“ 1927, bei der ersten Mille Miglia der Geschichte, über alle Konkurrenten triumphfiert.

Ein Rennfahrer, der auch Opernsänger war

In den frühen Jahren dominierte Alfa Romeo die jährliche Leistungsschau. Fast die Hälfte der zwischen 1927 und 1957 ausgetragenen Mille Miglia-Rennen entschied die Mailänder Autoschmiede für sich. Auch dank waghalsiger Piloten wie Giuseppe Campari, der nicht nur Rennfahrer, sondern Opernsänger war. Nach dem Weltkrieg geschuldeter Zwangspause wurde die Rennserie 1947 fortgesetzt, obgleich die Straßen in schlechtem Zustand und Gummireifen Mangelware waren. Zehn Jahre später traten die Piloten zur letzten Tour alten Zuschnitts an. Nach tragischen Unfällen wurde das Straßenrennen verboten. 1977 wurde das Rennen neu aufgelegt – als Parade historischer Autotypen, die zwischen 1927 und 1957 mindestens einmal in Brescia an den Start gegangen waren.

Exakt 1.996.250 Euro kostete ein solcher BMW 507 aus dem Baujahr 1958, den RM Sothebys Anfang Februar 2020 versteigerte

„Crossing the Future” : Fahrzeuge mit Elektroantrieb, Supercars und Hypercars

Inzwischen hat sich die Veranstaltung ein neues Logo gegeben. Mille Miglia schreibt sich 1000 Miglia und will 2021 auch wieder Leistungsschau automobiler Innovationen sein. Unter dem Motto „Crossing the Future” präsentieren sich Fahrzeuge mit Elektroantrieb, Supercars und Hypercars auf einem extra eingerichteten Parcours. Für die historischen Sportwagen dagegen geht es bei der 1000-Meilen-Fahrt längst nicht mehr um Geschwindigkeitsrekorde, sondern um die Zuverlässigkeit einer gut gepflegten Antriebstechnik, um Fahrgeschick und ums Sehen-und-Gesehen-Werden. Bevor sich die Sieger am 19. Juni in Brescia küren lassen, wird auch die 1000 Miglia 2021 einen Abstecher an den Gardasee machen. In den eleganten Badeorten Sirmione am Südufer und Salò am Westufer werden sich Autos und Fahrer bejubeln lassen.

Wahrzeichen von Brescia – Der Duomo

Erkundungstour in Brescia 

Für Teilnehmer und Zuschauer ist die Mille Miglia immer auch ein Anlass, in Brescia auf Erkundungstour zu gehen. In einem ehemaligen Kloster residiert das Mille Miglia Museum, wo Besucher dem Enthusiasmus der Rennpioniere für die große Freiheit auf vier Reifen nachspüren können.  Zu kulinarischen Entdeckungen laden die quirlige Stadt, in der die italienische Aperitif-Kultur zelebriert wird wie nirgendwo sonst, und ihr vielseitiges Umland gleichermaßen ein. Quasi vor der Haustür liegen Garda-, Idro- und Iseosee, das Weingebiet Franciacorta, die Voralpentäler Val Trompia, Val Sabbia und Val Camonica. Fisch, Olivenöl, Käse, Wein – überall locken authentische Genüsse. Selbstverständlich macht es Spaß, die Gegend in einem schmucken Oldtimer zu erkunden. Brescias Umland empfiehlt sich aber auch als exzellentes Fahrrad-Terrain.

Pictures courtesy of www.1000miglia.it & www.visitbrescia.it/de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Language