Hommage an unsere Familienunternehmer

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Vier Dinge haben wir in dieser Pandemie über uns selbst gelernt. Drei davon sind eher negativer Natur, aber da ist auch die eine zentrale Erkenntnis, die uns ehrt und zugleich verpflichtet. 

Von Gabor Steingart

Die schwierigen Lernerfahrungen aus der Pandemie sind offensichtlich:

  1. Unser Staat, eine Konstruktion aus Kaisers Zeiten, ist groß, teuer und arrogant, aber in einem beängstigenden Ausmaß ineffektiv. Er braucht dringend ein Update.
  2. Der Parteienstaat hat auch in der Krise keinen zweiten Helmut Schmidt hervorgebracht. Eine Blutzufuhr aus der Bürgergesellschaft wäre wünschenswert.
  3. Das Bildungssystem hat unter dem Zwang zur Digitalisierung geächzt und gestöhnt. Das Lehrpersonal war willig, aber die technologische Infrastruktur erwies sich als armselig. Der Auftrag an uns alle lautet: Humboldt neu denken.

Womit wir bei der einen großartigen Erkenntnis wären. Denn wenn etwas in der Kategorie Fünf-Sterne-Plus wirklich funktioniert hat, dann das deutsche Familienunternehmertum.

Was die beiden BioNTech-Gründer Uğur Şahin und Özlem Türeci an Risikobereitschaft und Unternehmergeist bewiesen, gleicht einem modernen Märchen:

Er ist der Sohn eines türkischen Ford-Gastarbeiters, der das Erich-Kästner-Gymnasium in Köln besuchte und sich als Jugendlicher vom deutschen Arzt und Fernsehmoderator Hoimar von Ditfurth zur Berufswahl als Mediziner inspirieren ließ.

„Die Familienunternehmen sind das Wertvollste, was diese Volkswirtschaft zu bieten hat. Hier findet man jene fleißigen Menschen, die von Spitzenleistungen träumen und nicht vom bedingungslosen Grundeinkommen“

Sie ist die Tochter eines türkischen Chirurgen, der im katholischen Krankenhaus St.-Elisabeth-Stift im Kreis Cloppenburg eine Anstellung fand. Sie besuchte das Werner-von-Siemens-Gymnasium in Bad Harzburg und habilitierte schließlich an der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität. Nichts in den Biografien dieser beiden Gastarbeiterkinder deutete darauf hin, dass sie eines Tages Milliardäre sein würden.

Ihre Lebensleistung ist beeindruckend: Şahin und Türeci haben nicht nur einen Durchbruch in der Forschung erzielt, sondern in Windeseile den richtigen Partner für den Vertrieb ihres Impfstoffes gefunden und eine globale Produktionskette aufgebaut, die Millionen Menschen das Leben rettete. Allein dafür hätten die beiden ein lebenslanges Wohnrecht im Schloss Bellevue verdient.

Das aktuelle Buch „Die unbequeme Wahrheit“ von Gabor Steingart ist im Penguin Verlag erschienen. (ISBN 978-3-328-60112-8, 139 Seiten, 9,99 Euro in der Kindel Ausgabe)

Wir als Nation aber sollten uns durch diesen Triumph nicht nur geschmeichelt, sondern auch verpflichtet fühlen. Die Familienunternehmen sind das Wertvollste, was diese Volkswirtschaft zu bieten hat. Hier findet man jene fleißigen Menschen, die von Spitzenleistungen träumen und nicht vom bedingungslosen Grundeinkommen. Hier wird nicht gegendert, sondern gearbeitet. Hier ist man nicht apokalyptisch, sondern zuversichtlich gestimmt.

Doch bedauerlicherweise wird die Zuneigung der Familienunternehmer zur Gesellschaft von dieser oft nicht erwidert. Die größte Enttäuschung im Leben der Familienunternehmer ist die Art und Weise, wie der Staat sie behandelt. Sie werden in den Sonntagsreden der Politiker gelobt und montags bis freitags rücken ihnen die Bürokraten und Steuerbeamten auf den Pelz. Man will sie dirigieren, reglementieren und von den Früchten ihrer Arbeit profitieren.

„Wenn wir aus dieser Pandemie jedoch eines gelernt haben sollten, dann dieses: Die heimischen Familienunternehmer sind der wichtigste nachwachsende Rohstoff, den dieses Land zu bieten hat“

Der Familienunternehmer ist für viele Politiker nicht mehr als die Melkkuh, der sie mit kalten Händen ans Euter fassen. Weil sie glauben, dass das bei den kleinen Leuten gut ankommt. Weil sie denken, so kann man Wahlen gewinnen. Weil sie die Großkonzerne mit ihren steueroptimierten Holdingzentralen in Luxemburg, Irland und auf den Cayman Islands nicht zu packen kriegen.

Wenn wir aus dieser Pandemie jedoch eines gelernt haben sollten, dann dieses: Die heimischen Familienunternehmer sind der wichtigste nachwachsende Rohstoff, den dieses Land zu bieten hat. Vielleicht sollten wir die kleinen und mittleren Unternehmen nicht melken, sondern streicheln. Dafür braucht es womöglich gar keinen neuen Steuerrabatt, sondern nur eine Extraportion Respekt.

Und wie wäre es eigentlich, wir würden etwas ganz und gar Verrücktes tun – und von den Familienunternehmern lernen? Nicht nur von ihrer unternehmerischen Ambition, sondern von ihrem persönlichen Mut, diese Ambition gegen die Zumutungen des Alltags zu verteidigen. Zuweilen ist Unternehmersein nur ein anderes Wort für Schmerztherapie.

Oder um es mit dem Gründer und Familienunternehmer Henry Ford zu sagen: „Es gibt mehr Leute, die kapitulieren, als solche, die scheitern. “

Gabor Steingart ist Journalist & Buchautor mit unternehmerischem Ehrgeiz. Sein täglicher Newsletter „Steingarts Morning Briefing“, in dem er jeden Morgen pointiert das aktuelle Welt- und Wirtschaftsgeschehen kommentiert, ist die Nummer Eins in Deutschland.
Mehr Informationen zur Person finden Sie hier.

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