China-Regulierung – gestern, heute und morgen

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Sowohl Deutsche als auch Chinesen haben in der Geschichte berühmte bzw. berüchtigte Mauern erbaut. Gerade in Zeiten des globalen Klimawandels scheint es jedoch sinnvoller, Windmühlen zu bauen. / Ein Überblick über regulatorische Hemmnisse für China-Investments in Deutschland.

von Dr. Christian Cornett

China hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Unsere Wahrnehmung und unser Verständnis von China haben sich verändert – und müssen sich weiter verändern. Auch die Beziehungen von politischen und wirtschaftlichen Akteuren gegenüber Chinesischen Akteuren sind heute zwangsläufig anders als in der Vergangenheit.

Aus deutscher Sicht richtet sich der Blick häufig auf die Möglichkeiten deutscher Unternehmen in China. Vor dem Hintergrund der sich wandelnden Haltung des deutschen Gesetzgebers scheint es ebenso wertvoll, die veränderten Möglichkeiten für chinesische Investitionen in Deutschland zu betrachten – zumal Wechselwirkungen zu beobachten sind.

Gerade im Umgang mit Chinesen ist es immer wieder wichtig sich vor Augen zu halten, dass gute Beziehungen von entscheidender Bedeutung sind. Oder, um es mit Konfuzius auszudrücken:

„Eine Freundschaft ist wie eine Tasse Tee. Sie muss klar und durchscheinend sein und man muss auf den Grund schauen können.“

Die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen wachsen auch in Zeiten globaler Handelsspannungen und veränderter Rahmenbedingungen weiter. Deutschland ist mit Abstand Chinas größter europäischer Handelspartner und China war im Jahr 2020 zum fünften Mal in Folge Deutschlands größter Handelspartner überhaupt. Das bilaterale Handelsvolumen beträgt seit einigen Jahren mehr als 200 Milliarden Euro jährlich; von den rund 100 Milliarden Euro deutschen Exporten nach China entfällt dabei derzeit ein Großteil auf Maschinen, Kraftfahrzeuge, Kfz-Teile sowie Elektrotechnik und Chemie. In unserer Praxis erleben wir dazu ein verstärktes Interesse in Bereichen wie Halbleitertechnologie, Biotechnologie oder Medizintechnik.

Deutsche Unternehmen haben seit Jahrzehnten in China und den chinesischen Markt umfangreich investiert; etwa um ihren Handel zu vereinfachen oder um Kosten zu senken. Inzwischen haben auch viele chinesische Unternehmen in Deutschland investiert (vgl. Liste der deutschen Unternehmen in chinesischem Besitz). Der Erwerb deutscher Unternehmen durch chinesische Investoren hatte dabei ab Anfang 2016 bis Mitte 2018 stark zugenommen; seit Mitte 2018 sind allerdings sowohl die Anzahl als auch (und besonders) das durchschnittliche Volumen chinesischer Investitionen in deutsche Unternehmen gesunken. Aber auch in den letzten zwölf Monaten hat es viele – insbesondere kleinere – Deals mit chinesischen Investitionen gegeben. Dabei ist aber seit einigen Jahren deutlich zu spüren, dass manche chinesische Investoren vor – insbesondere größeren – Transaktionen auch angesichts der zunehmenden regulatorischen Risiken zurückschrecken.

Wind of Change?

Vor einigen Jahren noch wurde im Kontext der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit China immer wieder das Credo „Wandel durch Handel“ betont: Wenn sich in China der Wohlstand durch eine gute Wirtschaftslage vermehre, werde sich das Land auf lange Sicht auch wandeln. Dieses Credo prägte lange Jahre gerade die deutsche China-Politik. Ob es dabei die Erwartung gab, nach und nach ließe sich China an Marktwirtschaft und Rechtsstaatlichkeit heranführen, was wiederum möglicherweise mit einer politischen Liberalisierung einhergehen würde, mag dahinstehen. Denn seit einiger Zeit ist der Ansatz eines „Wandel durch Handel“ von anderen Winden verdrängt worden: von einer „deutlichen Ernüchterung“, die mancher im deutsch-chinesischen Verhältnis konstatiert, über plakative Aussagen wie „wir sind liberal, aber nicht naiv“ bis zu regulativen Eingriffen und politischen Interventionen in Bezug auf chinesische Investitionen. Es ist inzwischen gut ein Jahr her, dass die Bundesregierung die Volksrepublik China im Bundestag erstmals als „Partner, Wettbewerber und systemischen Rivalen“ bezeichnete.

Vor diesem Hintergrund wurden in Europa in den letzten Jahren politische Vorbehalte gegen chinesische Investoren immer lauter. Einige europäische Staaten, darunter Deutschland, haben seit 2017 eine Reziprozität gefordert, häufig als „Level Playing Field“ bezeichnet. Damit werden neben marktöffnenden Maßnahmen offenbar „verlässliche“ Rahmenbedingungen und eine Gleichbehandlung ausländischer und inländischer Unternehmen in China gefordert. Ob und wie ein solches Level Playing Field vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Systeme überhaupt erreichbar ist, mag dahinstehen; in jedem Fall hat sich der europäische Wind gedreht: Vor wenigen Wochen, Anfang Mai 2021, wurde von der zuständigen EU-Kommissarin Margrethe Vestager erneut warnend gefordert, die Europäische Union bräuchte „einschneidende“ Regeln, um ausländische, staatlich finanzierte Firmen – etwa aus China – daran zu hindern, EU-Konkurrenten zu unterbieten. Unmittelbar vor der Veröffentlichung von neuen Regelungsvorschlägen sagte die Kommissarin dabei ausdrücklich, die Maßnahmen müssten ihrer Auffassung nach eine „ausreichend abschreckende Wirkung“ (“sufficient deterrent effect”) haben, um ihren Zweck zu erfüllen.

Zahlreiche neue Regeln, wie etwa die von der EU vorangetriebenen Gesetzesvorhaben oder die zahlreichen Novellen des deutschen Außenwirtschaftsrechts (allein die Außenwirtschaftsverordnung erfuhr mittlerweile siebzehn Novellen), illustrieren die zunehmende gesetzgeberische Intervention. So werden mit der jüngsten deutschen Novelle zusätzliche Fallgruppen von meldepflichtigen Tätigkeiten der Zielgesellschaft nach den Vorschriften zur sektorübergreifenden Prüfung geschaffen. Hierdurch steigt die Zahl der Fallgruppen, die den verschärften Regelungen unterliegen, von elf auf siebenundzwanzig. Die neuen Fallgruppen werden zum einen aufgrund der Bestimmtheit bessere Einschätzungen ermöglichen, insbesondere weil die Bundesregierung die Fallgruppen nicht einfach aus der EU-Screening-Verordnung übernommen, sondern sie weiter konkretisiert und einschränkt hat. Andere Fallgruppen bleiben jedoch weiterhin eher unscharf definiert, so dass nach unserer Einschätzung nicht nur die Anzahl der meldepflichtigen Erwerbe, sondern auch die Unsicherheit in vielen Fällen wachsen dürfte. Da – erstmalig seit Einführung der Vorschriften zu Investitionskontrollprüfungen – neben dem Erwerb von Stimmrechten zukünftig auch weitere Ereignisse die Anwendbarkeit der Regelungen auslösen können, schafft die Regelung zum anderen auch weitere Unsicherheit. Ob diese Unsicherheit als Mittel (ähnlich der von der EU-Kommissarin gewünschten ‚Abschreckung“) ganze Erwerbsvorgänge verhindern wird, bleibt abzuwarten. Langfristig gesehen wäre es für die deutsch-chinesischen Beziehungen wichtig, nicht zuletzt im Hinblick auf Glaubwürdigkeit bei der Forderung nach Reziprozität, dass die Regeln und ihre Handhabung möglichst transparent werden.

Herausforderungen wie der Klimawandel erfordern konsequente globale Lösungsansätze

Einerseits stehen wir alle gemeinsam vor Herausforderungen, etwa dem Klimawandel, die konsequente globale Lösungsansätze erfordern. Andererseits sind in den letzten Jahren verstärkt isolationistische Ansätze zu beobachten.  Auch vor dem Hintergrund der globalen Handelsstreitigkeiten der letzten Jahre setzt China inzwischen auf technologische Unabhängigkeit und Autarkie (Schlagwort „dual circulation economy“); China strebt damit unter anderem an, unabhängiger von den Schwankungen des Weltmarktes zu werden und den chinesischen Binnenmarkt zu stärken. Welche Auswirkungen diese Bestrebungen langfristig auf ausländische, insbesondere auch auf deutsche Unternehmen, haben werden, ist kaum abzusehen. Gleichzeitig wird seit einiger Zeit das Programm „Made in China 2025“, mit dem die Volksrepublik die Führungsrolle in wichtigen Zukunftsbranchen anstrebt, in Deutschland teilweise als „Kampfansage“ aufgefasst. Tatsächlich scheint sich der globale Wettbewerb gerade in einigen Bereichen zu verändern, in denen traditionell deutsche Unternehmen besonders innovativ und erfolgreich gewesen sind, etwa Hochgeschwindigkeitszüge, Maschinenbau, Luft- und Raumfahrt oder Umwelttechnik.

Mit der Ende 2020 erfolgten politischen Einigung auf das „Comprehensive Agreement on Investment“ (CAI) zwischen der EU und China kurz vor dem Ablauf des halbjährlichen Vorsitzes, hatte die deutsche Ratspräsidentschaft zwar einen Meilenstein erreicht. Denn auch wenn das Abkommen nur eine erste Grundlage für besseren Marktzugang und faireren Wettbewerb für EU-Unternehmen in China bedeutet hätte, wurde das gut sieben Jahre zwischen Brüssel und Peking verhandelte Abkommen von vielen Beobachtern doch als Fortschritt angesehen. Politische Entwicklungen haben jedoch zuletzt (vorerst zumindest) den weiteren Prozess der Ratifizierung des CAI unterbunden, zumal die sieben führenden westlichen Industriestaaten beim G7-Treffen Anfang Juni 2021 außerdem eine gemeinsame China-Strategie vereinbart haben, die die Ratizierung des CAI weiter verzögern dürfte.

Wie der Wind auch weht

Ebenso wie die EU-Regelungsvorhaben und die zahlreichen Novellen des deutschen Außenwirtschaftsrechts nicht losgelöst von der politischen Dimension gesehen werden sollten, ist in Deutschland politisch insgesamt derzeit ein gewisser Gegenwind für den grundsätzlich für beide Seiten vorteilhaften Wirtschaftsaustausch zwischen Deutschland und China festzustellen. Gleichzeitig bestehen die konkreten wirtschaftlichen Interessen auf beiden Seiten jedoch weiter und der intensive wirtschaftliche Austausch findet weiterhin statt.

In unserer Kanzlei beobachten wir die Veränderungen oft mit einem Nachlauf von drei bis zwölf Monaten – quasi aus der Perspektive der betroffenen Unternehmen. Das gilt sowohl für das Frankfurter Büro als auch für unsere mehr als 2000 Anwälte in den vierzehn KWM-Büros in China, die unter anderem die chinesischen Aktivitäten vieler führender deutscher Unternehmen rechtlich betreuen. Gute Beratung ist dabei derzeit in manchen Bereichen von Unwägbarkeiten geprägt – und auch die Schwerpunkte unserer Beratung mögen sich entsprechend der politisch motivierten regulatorischen Situation in Zukunft weiter anpassen. Aufgrund des hohen deutsch-chinesischen Handelsvolumens und nicht zuletzt der erheblichen bestehenden wechselseitigen Investitionen wird sich dabei der Beratungsaufwand jedoch nur verlagern. Derzeit erleben wir verstärkte Nachfrage in Bereichen wie Medizintechnologie oder Energie-, hierunter Windenergie. Gerade bei solchen Projekten drängt sich ein weiteres, Konfuzius zugeschrieben Bild auf:

„Wenn der Wind der Erneuerung weht,
bauen manche Menschen Mauern
und andere bauen Windmühlen.“

Sowohl Deutsche als auch Chinesen haben in der Geschichte berühmte bzw. berüchtigte Mauern erbaut. Gerade in Zeiten des globalen Klimawandels scheint es sinnvoller, Windmühlen zu bauen.

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Dr. Christian Cornett ist als Rechtsanwalt im Frankfurter Büro der im asiatisch-pazifischen Bereich führenden Kanzlei King & Wood Mallesons tätig. Er begleitet seit 1998 Unternehmenskäufe sowie kapitalmarktrechtliche Transaktionen, seit 2008 regelmäßig auch chinesische Investoren. Das Vorstehende spiegelt ausschließlich die persönliche Meinung des Autors wider. 

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