![](https://ddwcdn.b-cdn.net/wp-content/uploads/2020/02/reins-klein.png)
Je tiefer die Krise, desto kreativer die Menschen
Das „Wirtschaftswort des Jahres 2021“ ist gekürt. Jurymitglied und Mit-Initiator Armin Reins über Wortfindungsstärken in Zeiten der Pandemie.
Seit nunmehr fast zwei Jahren beeinflusst die Pandemie unser Alltags- und Arbeitsleben. Das zeigt sich nicht nur in veränderten Verhaltensweisen, sondern auch in unserem Sprechen. Hier vollzieht sich seit Corona-Beginn Erstaunliches. Neue Wörter werden erfunden, ältere plötzlich salonfähig.
Ein Beispiel ist der „Booster“, den man früher bestenfalls als Imponier-Vokabel aus der Waschmittelwerbung kannte. Oder das „Spike-Protein“, das sprachlich so alltäglich geworden ist wie das „Vitamin C“.
„In Vor-Pandemie-Zeiten wären Schüler zum elitären Bildungsbürgertum gezählt worden, hätten sie von ‚Inzidenzen‘ gesprochen. Mittlerweile gehören Wörter wie „Resilienz“ oder „vulnerable Gruppen“ zum Standard-Repertoire“
Lateinische Fachbegriffe aus der Epidemiologie gehen in den Wortschatz selbst von Kindern ein. In Vor-Pandemie-Zeiten wären Schüler zum elitären Bildungsbürgertum gezählt worden, hätten sie von „Inzidenzen“ gesprochen. Mittlerweile gehören Wörter wie „Resilienz“ oder „vulnerable Gruppen“ zum Standard-Repertoire. Sogar das griechische Alphabet feiert sein Comeback. Wer wusste bis vor Kurzem überhaupt von der Existenz des Buchstabens „Omikron“?
Einen wahren Booster-Effekt scheint die Pandemie auf die Kreativwirtschaft auszuüben. Obwohl sie von Corona besonders stark in den Würgegriff genommen wurde, zeigt sie in der Krise einen überbordenden Erfindungsreichtum. Täglich werden neue Begriffe geschaffen, um mit den Entwicklungen noch Schritt halten zu können. Vom „Impfnationalismus“ über die „Kontaktschuld“ bis zum „Kamillentee-Modus“. Nichts macht die Menschen anscheinend kreativer als riesige Herausforderungen. Und das aus gutem Grund. Denn neue Realitäten erfordern eine Benennung, damit wir sie begreifen und verarbeiten können. Wenn sich eine Gesellschaft neu ausrichtet, kann das aber auch andere Ursachen haben, wie etwa aktuell der Drang nach mehr Diversität. Auch dieser gebiert derzeit Wörter, die unseren Alltag prägen. Manche von ihnen werden verschwinden, andere uns dauerhaft begleiten. Die schönsten, originellsten und prägendsten sind es aber auf jeden Fall wert gewürdigt zu werden.
- Das Wirtschaftswort des Jahres
- Interview mit Armin Reins: Wie Sprache den Unternehmenserfolg bestimmt
- Armin Reins im Lexikon des Chefwissens
Armin Reins arbeitet seit vier Jahrzehnten in der Kommunikationsbranche. Er streitet jeden Tag selbst für bessere Text-Qualität in seiner eigenen eigenen Agentur REINSCLASSEN. Die Markenberatungs- und Werbeagentur mit Sitz in Hamburg, Frankfurt und Baden-Baden gehört zu den am meisten mit Awards ausgezeichneten B2B-Agenturen Deutschlands. Zu ihren Kunden gehören u.a. Vodafone, Nivea, Siemens, und Haufe-Lexware. Er hat zahllose nationale und internationale Kreativ- und Effizienzpreise gewonnen und sechs Bücher über Sprache in der Kommunikation geschrieben. Im Oktober 2020 erschien von ihm (zusammen mit Géza Czopf und Veronika Classen) „Corporate Language – das Praxisbuch“ im Verlag Hermann Schmidt.
Schreibe einen Kommentar