Wirtschaft stark halten: Fünf Beispiele, was es jetzt braucht

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In Hannover fanden die Familienunternehmer-Tage 2022 des Verbands DIE FAMILIENUNTERNEHMER statt. Unter anderem mit den Bundesministern Christian Lindner und Robert Habeck diskutieren die Unternehmer über die auch wirtschaftlich dramatischen Zeiten. Wir dokumentieren Auszüge aus der Eröffnungsrede des Präsidenten des Verbands.

Von Reinhold von Eben-Worlée

In diesen Wochen stehen wir alle unter dem Eindruck des furchtbaren Krieges, den Russland gegen die Ukraine führt. Putins Ziel ist ein großrussisches Reich. Dazu setzt er auf die brutale Macht des Stärkeren. Mit diesem imperialen Krieg greift Russland auch unsere Freiheit und unsere Werte an. Diese Aggression darf nicht siegen! Übrigens wird in anderen Weltregionen genau beobachtet, wie sehr die Demokratien der Industrieländer bereit und fähig sind, die bisherige auf Recht basierende Weltordnung zu verteidigen. Darum ist es richtig, dass wir Deutschen den Ukrainern helfen. Es braucht praktische, direkte Hilfe für die Menschen – und auch für die Verteidigung. Wir Familienunternehmer unterstützen daher alle Bemühungen um humanitäre und um militärische Hilfe. Das schließt ausdrücklich auch schwere Waffen ein, denn dieser russische Angriff darf nicht siegreich sein. Es ist gut, dass die Bundesregierung hier nicht mehr zaudert und zurücksteht.

„Wir Familienunternehmer und unsere Mitarbeiter wissen, was für uns auf dem Spiel steht; gemeinsam würden wir dem russischen Druck standhalten“

Um Putin zum Frieden zu zwingen, fordern jetzt viele ein Energieembargo. Das Schwierigste daran ist die Gas-Abhängigkeit nicht nur der deutschen Industrie, sondern großer Teile der europäischen Industrie. Ich werde hier nicht in Details von reißenden Wertschöpfungsketten einsteigen. Aber unsere Sorgen, dass ein Gasembargo zu schwersten volkwirtschaftlichen Schäden führen würde, sind gewaltig. Unser Verband teilt vor diesem Hintergrund die Vorsicht der Bundesregierung gegenüber einem Energieembargo. Es ist richtig, dass unsere Regierung mit Umsicht reagiert, aber alles tut, um unsere Erpressbarkeit schnell zu beenden. Wenn Putin tatsächlich uns Europäern das Gas abdrehen sollte, wäre wohl die Bereitschaft in der Bevölkerung, die dann einsetzende Wirtschaftskrise durchzustehen, ungleich höher als wenn die eigenen Regierungen die Wirtschaftskrise auslösen. Wir Familienunternehmer und unsere Mitarbeiter wissen, was für uns auf dem Spiel steht; gemeinsam würden wir dem russischen Druck standhalten.

Es sind bittere Monate, die die deutsche Politik und Teile unserer Gesellschaft jetzt durchmachen. Deutschland lernt gerade wieder, wie wichtig es ist, die eigene Stärke und Abwehrfähigkeit nicht zu vernachlässigen. Diese Abwehrkraft ist ganz entscheidend auch auf wirtschaftliche Stärke angewiesen. Nur wirtschaftlich starke Nationen können sich ein Militär leisten, das Aggressoren abschreckt; und Sanktionen sind wirkungsvoller, wenn sie von einer starken Wirtschaft unterstützt werden; und im Inland ist es beruhigend, wenn in schweren Zeiten starke Unternehmen der Stabilitätsanker für die Mitarbeiter sind.

Lassen Sie mich an fünf Beispielen klarmachen, was es jetzt braucht:

Erstens Beschleunigung – unsere Verfahren müssen schneller und einfacher werden. Wir Familienunternehmer wollen in Deutschland investieren – aber dem stehen langwierige Verfahren und Genehmigungsprozesse entgegen. Wir alle können ein Lied davon singen, wieviel Zeit und Formulare es von der Idee bis zur Umsetzung braucht. Es ist gut, dass sich die Bundesregierung auf eine Beschleunigung bei Planungs- und Genehmigungsverfahren verständigt hat. Aber die Beschränkung dabei nur auf die Erneuerbaren ist ein Fehler – unser Appell: erweitern Sie das auf alle Wirtschaftsbereiche.

Zweitens brauchen wir mehr demografischen Realismus: Wir müssen unsere sozialen Sicherungssysteme generationengerecht machen. Seit vielen Jahren wird wider besseres Wissen in die falsche Richtung gesteuert, indem Leistungsausweitungen eingeführt werden, die nicht durch Beiträge gedeckt sind. Es hilft doch nichts, die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen. Die zahlenmäßig schwächeren jungen Generationen werden die Lasten nicht tragen können. Jetzt ist eine Kurskorrektur nötig: Passen Sie als erste Schritte das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung an und lösen Sie sich von der Fehlentscheidung der Rente mit 63. Beides hätte auch unmittelbare Auswirkungen auf meinen nächsten Punkt:

Drittens: Wir Familienunternehmer brauchen Fachkräfte! Es ist gut, dass jetzt endlich ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild für die Fachkräftegewinnung aus dem Ausland eingeführt wird. Auch bei der heimischen Fachkräftegewinnung besteht dringend Reformbedarf. Es gibt in den MINT-Fächern bei den Schulabgängern viel zu große Wissenslücken. Und bei den Studenten der MINT-Studiengänge gibt es unverantwortlich hohe Abbrecher-Zahlen. Da muss die Bundesregierung ran! Brechen Sie Verkrustungen und Überregulierungen auf und machen Sie unseren Arbeitsmarkt leichtgängiger.

„Einige sehen sich mit der bitteren Frage konfrontiert, ob sie ihr Unternehmen aufgeben müssen“

Viertens: Die hohen Energiepreise belasten unsere Unternehmen nicht erst seit dem Ukraine-Schock. Einige sehen sich mit der bitteren Frage konfrontiert, ob sie ihr Unternehmen aufgeben müssen. Wenn die Transformation zur CO2-Neutralität über eine vermehrte Strom-Nutzung laufen soll, dann darf doch Strom in unserem Land nicht der teuerste im EU-Vergleich sein. Die Steuern auf Strom müssen deutlich gesenkt werden. Für jedes Windrad und jede Photovoltaik-Anlage braucht es ein Reservekraftwerk bei von Windstille und Dunkelheit. Dafür waren Gaskraftwerke vorgesehen, betrieben mit billigem russischen Gas. Flüssiggas wird doppelt so teuer sein. Bis dieses Kostenproblem gelöst ist, sollten wir die letzten Atomkraftwerke länger laufen lassen. Wenn wir eine Industrienation bleiben wollen, brauchen wir grundlastfähige Energiequellen. Dafür muss noch viel mehr als bisher bei Speicher-Technologien und effizienterer Wasserstoff-Produktion geforscht werden.

Schließlich fünftens: Unser deutsches Geschäftsmodell setzt darauf, dass wir Rohstoffe und Vorprodukte weltweit einkaufen. Unsere Volkswirtschaft ist auf Freihandel und Globalisierung angewiesen. Falschverstandene Autarkie und Protektionismus sind für unsere Unternehmen, unsere Arbeitnehmer und unsere Sozialsysteme eine echte Bedrohung. Jetzt muss Europa zügig Freihandelsabkommen mit Nord- und Südamerika abschließen. Um glaubwürdig zu sein, muss die Ampelkoalition dafür endlich die letzten Teile des Ceta-Abkommens mit Kanada ratifizieren und dann in Brüssel Druck machen, damit der Freihandel vorankommt. Nach den amerikanischen Abkommen ist dann das Investitionsschutzabkommen mit China wichtig. In diesen Zeiten kommt es aber auf die richtige Reihenfolge an.

Die Ampelkoalition hat in ihrem Koalitionsvertrag einen neuen Aufbruch versprochen. Sie wollte mehr Fortschritt wagen. Leider ist vieles von diesem Fortschritt auf sandigen Boden gebaut – er gründet auf neuen Schulden, die in Gestalt von Neben- und Ergänzungshaushalten oder Sondervermögen nur einen anderen Namen tragen.

Darum mein Appell an die Bundesminister: Sie sollten bitte bei allen politischen Wünschen immer berücksichtigen: Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Wir Familienunternehmer gehören übrigens auch zu den Steuerzahlern: die von heute sind hier im Saal und hören Ihnen zu, die von morgen bereiten sich gerade auf die Unternehmensnachfolge vor.

Reinhold von Eben-Worlée, Geschäftsführender Gesellschafter der E.H. Worlée & Co. (GmbH & Co.) KG in Hamburg, ist Präsident des Verbands DIE FAMILIENUNTERNEHMER. Die Familienunternehmer in Deutschland beschäftigen in allen Branchen über 8 Millionen Mitarbeiter und erwirtschaften jährlich einen Umsatz in Höhe von 1.700 Milliarden Euro

Bild: Anne Großmann Fotografie

 

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