Lieferkettenprobleme bei Halbleitern: Wie deutsches Hightech Neongas-Verknappung entschärft

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Eine durch den Krieg in der Ukraine verursachte Neongas-Knappheit könnte die ohnehin schon angespannte globale Halbleiter-Lieferkette weiter unter Druck setzen, wobei kleinere Abnehmer am meisten gefährdet sein dürften. Doch Hightech aus Deutschland schafft technologische Alternativen.

von Mike Heenan

Viele Rohstoffe sind in das Fadenkreuz des Krieges zwischen Russland und der Ukraine geraten, was Preissteigerungen unvermeidlich macht, und es wachsen die Bedenken hinsichtlich der Beschaffung dieser Rohstoffe von außerhalb der Ukraine und Russlands. Es gibt viele Auswirkungen des Krieges auf bestimmte Sektoren und die möglichen Nebeneffekte, die in anderen Branchen zu spüren sein könnten. Ein solcher Rohstoff, der negativ beeinflusst wird, ist Neongas, ein wichtiger Rohstoff für die Halbleiterindustrie. Schätzungen zeigen, dass 80 Prozent der derzeit hergestellten Halbleiter mit Neongas hergestellt werden.

Mike Heenan ist Senior Research Analyst bei Aegon Asset Management (Bild: Unternehmen)

Die Halbleiterhersteller zögern, Neongas durch neue Quellen zu ersetzen, da der Herstellungsprozess in der Regel sechs Monate lang angepasst werden muss, um die Produktion wieder auf ein optimales Niveau zu bringen. Eine genaue Schätzung des Anteils des Neongases, das in der Halbleiterfertigung verwendet wird und aus der Ukraine und Russland stammt, ist schwierig, aber Branchenexperten gehen von bis zu 70 Prozent und nicht weniger als 25 Prozent aus.

Mehrere Chiphersteller haben öffentlich erklärt, dass der Krieg zwischen Russland und der Ukraine kurzfristig keine Auswirkungen auf die Produktion haben wird, da die Managementteams Neongasvorräte von drei bis sechs Monaten angelegt haben.

EUV-Lithographie – Deutsche Technologie für das digitale Zeitalter
Anlagen zur Chipherstellung der neuesten Generation sind nicht mehr auf Neongas angewiesen, und deutsches Hightech spielt dabei eine Schlüsselrolle. Die optische Lithographie für die Fertigung von Mikrochips hat eine 40jährige Tradition in Deutschland. Ob mobile Endgeräte, autonomes Fahren oder künstliche Intelligenz – durch die Miniaturisierung und Automatisierung in unserer digitalen Welt steigen die Anforderungen an die Computerleistung unaufhörlich. Die Folge: Immer mehr Transistoren müssen auf den Halbleitern im Innern der Chipsätze Platz finden. Die technologische Entwicklung ist dabei immens: Die Größe von Halbleiterstrukturen nähert sich nach und nach Atomdimensionen an. Einen enormen Sprung hat dabei die EUV-Technologie (extrem Ultraviolette Strahlung) gegenüber die aktuell vorherrschenden DUV-Technologie (deep ultraviolet light) gebracht. Die deutschen Unternehmen Carl Zeiss AG (Rang 44 im Ranking der Deutschen Weltmarktführer) und Trumpf GmbH & Co. KG (Platz 72) haben das Potential dieser Technik vor Jahren erkannt und sind in diesem Bereich Weltmarktführer. Die optischen Systeme von Zeiss und die CO2-Lasersysteme von Trumpf sind wichtige Bauteile für die Anlagen des weltweit größten Herstellers von Lithografiesystemen, ASML. 2020 wurden die Unternehmen für ihre Arbeit im der EUV- Lithographie vom Fraunhofer Institut mit dem Deutschen Zukunftspreis ausgezeichnet. (Redaktion DDW)

Wenn der Krieg allerdings weitergeht und Anlagen zerstört werden, wird dies in den nächsten sechs bis neun Monaten wahrscheinlich erhebliche Auswirkungen auf die Lieferkette haben. In der Zwischenzeit haben die bestehenden Unterbrechungen in der Neongasproduktion neuen Anbietern die Möglichkeit gegeben, in den Markt einzutreten, wobei der größte Produzent China ist.

Kleinere Unternehmen eher betroffen

Der Großteil der chinesischen Lieferungen unterstützt die asiatischen Chiphersteller, aber mögliche Neongas-Engpässe in Verbindung mit den zunehmenden Covid-19-bedingten Schließungen in China machen es weniger wahrscheinlich, dass die Halbleiter-Lieferkette in absehbarer Zeit in der Lage sein wird, die erhöhte Nachfrage zu decken. Infolgedessen glauben einige Experten, dass die Chiphersteller in den USA und Europa in naher Zukunft stärker von Neon-Knappheit bedroht sind, da schätzungsweise 70 Prozent des Neon-Gases immer noch aus Osteuropa bezogen werden.

Sollte es zu einer Verknappung von Neongas kommen, würden große, bekannte Unternehmen wahrscheinlich kaum betroffen sein. Kleinere Abnehmer (weniger häufige Produktionsläufe/kleinere Mengen) werden jedoch wahrscheinlich zur Unterstützung der größeren Unternehmen gezwungen sein.

EUV-Anlagen (Extreme Ultraviolet) benötigen kein Neongas

Aus der Sicht des Verbrauchers zum Beispiel werden die Verknappung von Neongas und der darauf folgende Preisanstieg wahrscheinlich nur minimale Auswirkungen auf die Gesamtpreise auf dem Endmarkt für Produkte wie Laptops und Smartphones haben. Die meisten Unterhaltungselektronikgeräte werden von den größten Technologieunternehmen der Welt hergestellt, die aufgrund langfristiger Beziehungen und erwarteter künftiger Mengen als erste mit Chips beliefert werden.

Zudem werden in High-End-Geräten wahrscheinlich die modernsten Halbleiterchips verwendet, die mit EUV-Anlagen (Extreme Ultraviolet) hergestellt werden, die kein Neongas benötigen. Führend in dieser Technologie ist Knowhow aus Deutschland: Trumpf und Carl Zeiss sind in diesem hochspezialisierten Bereich tätig und beliefern ASML, den niederländischen Weltmarktführer für solche Anlagen.

Dennoch könnte die Produktion bestimmter Chips für Kunden mit kleineren Stückzahlen, z. B. in der Automobilindustrie, deutlich zurückgehen, was die Lieferkette in den kommenden Wochen und Monaten vor noch größere Herausforderungen stellen wird.

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Beitragsbild:  Arbeit an der Entwicklung einer neuen Generation von EUV-Lithographiesystemes (Bild: Trumpf)

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