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Immobilien: Harte Landung oder sanfte Zykluswende?
Exogene Schocks und mehrere volkswirtschaftliche Zyklen überlagern sich zum ersten Mal seit Jahrzehnten zu einer großen und langen Welle. Wie ist vor diesem Hintergrund die Zukunftseinschätzung der Immobilienwirtschaft?
von Werner Rohmert
Wo sind die ganzen Menschen geblieben, die in Flughäfen, Gastronomie, Logistik, Spargel- oder Erdbeer-Ernte, Handwerk, Bau u.v.m. sichtbar fehlen? Wir hatten gerade die von uns organisierte Verbandstagung der Immobilienjournalisten, immpresseclub e.V.. Die Hotel-Veranstaltungsorganisation war zum Fremdschämen. Die Managerin hatte auf Hinweis Tränen in den Augen. Sowieso-Personalmangel, Urlaub, Krankheit, keine Lust … . Ach so, wir sprechen hier nicht vom 2-Sterne-Haus, sondern von einem voll belegten Haus der 250 Euro pro Zimmer Kategorie. Ich lasse den Namen einmal weg, denn wir haben schon viele Veranstaltungen mit bestem und herzlichem Service und erstklassigem Zimmer-Produkt in der Kette durchgeführt. Dem noch anwesenden Personal konnte man auch keinen Vorwurf machen. Wir haben einfach unser Geschirr selber abgeräumt. Die Bar war sowieso generell geschlossen. Um 22.00h machte auch der Rest dicht. Es tat aber der Fröhlichkeit bis morgens 04.30h auch keinen Abbruch. Wir bekamen jede Menge Eiskübel und Wein und Sekt für das Selbstbedienungs-Open-End hingestellt. Der Nachtportier holte gegen Strichliste Bier. Kein Barkeeper schaute genervt auf die Uhr oder machte Druck. Gerne wieder so.
„Die Zeitenwende ist da. Die Inflation ist da. Die Zinsen sind da. Der Krieg ist da. Die Rohstoff-Abhängigkeit ist da. Die geopolitische Neugestaltung ist da“
Die Immobilienwirtschaft macht dem Begriff „Nach“denken wieder alle Ehre. Letzte Woche punktete mit einem Veranstaltungsmarathon vom BIIS über Fondskongress und immpresseclub bis hin zu ZIA. Das Meinungsbild differenziert sich aus. Die Volkswirte beim BIIS und immpresseclub schauen ziemlich pessimistisch in die nähere UND fernere Zukunft. Uns stehe eine langfristige Anpassungs- bzw. Strukturkrise bevor. Und die Welt werde nicht wieder, wie sie war. Die ZIA-Immobilienwirtschaft denkt eher kurzfristig, operativ, politisch und förderungsfordernd – auch in Background-Gesprächen. „Es wird schon alles nicht so schlimm …“, was ich übrigens auch selbst fühle. Aber „Vor“denken“ gibt eine andere Antwort. Die Zeitenwende ist da. Die Inflation ist da. Die Zinsen sind da. Der Krieg ist da. Die Rohstoff-Abhängigkeit ist da. Die geopolitische Neugestaltung ist da. Die Völkerwanderung kommt wieder. Können die Notenbanken weiter Wohlstand drucken? Exogene Schocks und mehrere volkswirtschaftliche Zyklen überlagern sich zum ersten Mal seit Jahrzehnten zu einer großen und langen Welle. „Houston, wir haben ein Problem“, fasste Prof. Hanspeter Gondring zusammen. Zum Trost: Apollo 13 landete trotzdem, auch wenn es über einige Zeit verdammt eng wurde.
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Keine Fortsetzung des Booms erwartet
Von den „4D’s“, Demographie, Dekarbonisierung, Deglobalisierung und Digitalisierung, die unsere längerfristige Zukunft bestimmen werden, sind die ersten 3 inflationstreibend und alle kosten Nerven und Wettbewerbsfähigkeit. Aus meiner Sicht müssen wir auch „5D’s“ betrachten, da Defense mit explodierenden Verteidigungsausgaben ja jetzt wieder über Jahrzehnte und lange nach Putin noch die Inflation vor sich hertreiben wird. Im besten Fall steht die Rückzahlung der Friedensdividende an. Im schlechtesten Fall haben wir mit der Friedensdividende den Frieden konsumiert.
Ich habe das Gefühl, als seien die aktuellen Meldungen der Immobilienwirtschaft alle irgendwie aus der „Zeitung von gestern“. Nichts ist älter. Ein nachlaufender Zyklus wie in der Immobilienwirtschaft sollte nicht unbedingt zu nachlaufendem Denken anregen. Nachlauf ist theoretisch mehr Chance als Risiko. Nur, viele Kinder schwimmen schon im Brunnen. Ich habe die meist langjährigen Immobilienjournalisten auf unserer Tagung nach ihrer persönlichen Zukunftseinschätzung gefragt. Eine Fortsetzung des Booms sah KEINER der anwesenden Journalisten. Bei WOHNEN erwarten 40 Prozent der Kollegen eine harte Landung und die Mehrheit eine sanfte Zykluswende. Bei GEWERBE ging bei fast drei Viertel der Kollegen der Daumen deutlich nach unten.
„Sportliche Vorläufer eines möglichen Tsunamis“
Wenn ich visionär über geopolitische Lösungen nachdenke, erinnere ich mich an das Strategiespiel „Risiko“ meiner Studienzeit. Und da sehe ich am Ende des langen, jetzt kommenden, dystopischen Spiels 3 oder 4 waffenstarrende, abgeschottete, sich selbst nicht mehr bekämpfen könnende und ökonomisch hochentwickelte Blöcke als Inseln inmitten eines weltweiten Stromes von klimatisch und wirtschaftlich induzierten Völkerwanderungen. Was ich nicht sehe, sind Wohlstandgleichverteilungen in einer dekarbonisierten Welt des Windes, des Wassers oder der Sonne – auch wenn das technisch möglich wäre. Energie ist genug da. Der Weg dahin wird nicht klappen. Ich hoffe nur, dass meine Urenkel Platz in einem der Blöcke finden – oder wir eine technische Lösung finden. Bedenken Sie, das erste „Handy“ kam in Deutschland erst vor genau 30 Jahren mit dem Ericsson mit der Klappantenne heraus. Ich hatte es wenige Wochen später – und habe heute noch meine „Berliner“-Mobilnummer mit der „3“.
Der vom Autor dieses Beitrags, Werner Rohmert, herausgegebene „Immobilienbrief“ berichtet über Fakten, Meinungen und Tendenzen des deutschen Immobilien-Marktes und ist eine der renommiertesten Fachpublikationen des Marktes.
Schwerpunkt ist dabei die gewerbliche Immobilie. Aber auch die Wohnungswirtschaft kommt nicht zu kurz. Neben redaktionellen Beiträgen liest man kurze Namensartikel bekannter Journalisten und Mitglieder der Immobilien-Szene, so dass Background-Informationen, Meinungen und Wertungen regelmäßig Anlass zu Diskussionen geben.
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Lernen, was eine Immobilie wirklich ist
Zurück zur Immobilie: Gestern Abend befasste sich die „Story im Ersten: Immobilienpoker“ mit Adler. Die Fragen der nächsten Jahre werden nicht nur bei Adler sein, ab welcher Anzahl von gleichgelagertem Bewertungs- und Grundstücks-Ungeschick Vorsatz anzunehmen ist und welche Trottelbande in Deutschland Finanzaufsicht führt. Letzte Woche hat sich das Manager Magazin mit Corestate beschäftigt. Im Moment bin ich auf die nähere Zukunft gespannt und glaube, dass wir auch journalistisch wieder mehr Spaß bekommen. Insbesondere in Projektentwicklung, Schwarmfinanzierung und IFRS Bewertungsoptimismus öffnen sich da manche Flanken. Krypto säuft auch erwartungsgemäß ab. Adler, Consus, Corestate, Eyemaxx oder Terragon sind wahrscheinlich nur sportliche Vorläufer eines möglichen Tsunamis.
Gleichzeitig glaube ich auch, dass einige Bestandshalter mit optimistischer Bewertungs- und Finanzierungshaltung wieder einmal lernen müssen, was eine Immobilie wirklich ist. Die Bandbreite des Immobilieneigentums reicht nach 15 Prosperitätsjahren nun einmal vom „Goldesel“ über „Arbeitsbeschaffungsprogramm“ über „Verpflichtung des Eigentums“ hin zum „gesellschaftlichen Selbstbedienungsladen“. Auf der anderen Seite haben aber jetzt wieder die Verlierer der letzten 15 Jahre ihren Spaß. Und wenn alles schiefgeht, ziehen wir uns in die Zauberwelt von Harry Potter, der am Sonntag vor 25 Jahren mit einer Startauflage von 500 gebundenen Exemplaren in GB erschien, zurück. 100 Millionen wurden verkauft. Für mich persönlich leider eines der letzten Bücher, bei dessen Lesen ich die Welt wechselte.
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Werner Rohmert sorgt als Wirtschaftsjournalist mit dem Schwerpunkt Immobilien mit zahlreichen Fachbeiträgen und seinen eigenen Newslettern wie dem Immobilien-Brief für Immobilienkompetenz. Im Jahr 2001 gründete der Dipl. Volkswirt den Verlag Research Medien AG. Den Vorsitz des immpresseclub e.V., der Arbeitsgemeinschaft dt. Immobilienjournalisten, hält er seit 2004 inne. Hier erfahren Sie mehr.
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