Nicht mehr top? Von wegen
Deutschland als Exportweltmeister stolpert und keines der weltweiten Top-100-Unternehmen kommt mehr aus Deutschland. Doch das wahre Potenzial unserer Wirtschaft liegt in einem Bereich, das kein globales Ranking jemals begreifen wird.
von Oliver Stock
Oh je. Es sind gleich zwei Wirtschaftsnachrichten, die die Deutschen bis ins Mark erschüttern sollen: Zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrzehnt importieren wir mehr, als wir exportieren. Das kratzt empfindlich am Selbstverständnis eines Exportweltmeisters. Und damit nicht genug: Zum ersten Mal ist auch kein deutsches Unternehmen mehr unter den Top 100 der börsennotierten Konzerne in dieser Welt. Man ist hierzulande offenbar endgültig zweite Liga.
„Die Sache mit den Börsenlieblingen – das ist so eine Sache“
Doch lassen wir uns nichts einreden. Die Exporte sind nicht zurückgegangen, sondern sogar leicht gestiegen. Die Importe sind dagegen etwas stärker gestiegen – an Wert: Das liegt daran, dass Material- und Energiekosten steigen, was sie teurer gemacht hat. Fazit: Wenn der weltweite Handel stockt, kann auch ein Exportweltmeister mal stolpern. Er wird schnell wieder Fuß fassen. Und die Sache mit den Börsenlieblingen – das ist so eine Sache: Der wertvollste Konzern in dieser Liste ist neuerdings der Ölförderer Saudi Aramco. Mit Nachhaltigkeit und Digitalisierung hat das nichts zu tun. Wer will schon in so einer Liste auftauchen?
Nein, Deutschland ist Mittelstand. Und Mittelstand muss nicht an der Börse sein, um hochinnovativ und effizient zu sein, wie die Boschs, Mieles und Würths dieser Republik zeigen. Hier liegt das Potenzial unserer Wirtschaft, das kein globales Ranking jemals begreifen wird. Das ist mehr als ein Trost. Wir können stolz darauf sein.
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Oliver Stock ist Chefredakteur des „WirtschaftsKurier“ sowie Herausgeber von „Markt und Mittelstand“, die beide in der WEIMER MEDIA GROUP erscheinen. Der studierte Volkswirt und Historiker sowie Autor mehrerer Bücher und Blogger kennt die Welt der Politik, der Wirtschaft und der Unternehmen von beiden Seiten: Als Journalist arbeitet der 1965 in Hannover geborene Stock auch für focus online, die Schweizer Weltwoche und den Börsianer aus Wien. Er hat aber auch viele Jahre seines Berufslebens „auf der anderen Seite des Schreibtischs“ verbracht: als Sprecher in der Politik und von Konzernen.
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