Mit Enterprise Mobility zur Prozessindustrie 4.0

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Eine kollaborative Produktion, wie sie in der Industrie 4.0 vorgesehen ist, fordert auch eine verstärkte Kommunikation zwischen den beteiligten Akteuren im Unternehmen. Enterprise Mobility wird dabei zur Schlüsselkompetenz. Im Praxisinterview spricht Nader Halmuschi, Managing Director Automation & Communication Systems über den Weg, den das führende Unternehmen für Sicherheitstechnik im Bereich Explosionsschutz geht.

Herr Halmuschi, was bedeutet Enterprise Mobility für die Sicherheitstechnik in der Prozessindustrie?

Enterprise Mobility ist in aller Munde und scheint zum neuen Innovationstreiber in der Industrie zu werden. Viele sehen in der Enterprise Mobility sogar eine der zentralen Grundlagen für eine Industrie 4.0 und damit auch für eine Prozessindustrie 4.0. In letzter Konsequenz geht es generell um die Vernetzung in der Industrie 4.0. Für uns in der Ex-Branche geht es natürlich insbesondere darum – um es flapsig zu formulieren – das „Büro“ in die „Zone“  – den explosionsgefährdeten Bereich – zu bringen. Ziele im Zusammenhang mit Enterprise Mobility sind die ganz klassischen Themen wie Produktivität, Effizienz, Verbesserung der Sicherheit.

Wie haben Sie auf diese Ausgangslage reagiert?

Für uns war und ist das Thema Enterprise Mobility von strategischer Bedeutung. Wir haben uns schon sehr früh mit dem Thema auseinandergesetzt und haben vor einigen Jahren eine eigene Tochter gekauft – die Firma Pixavi in Norwegen – um uns dafür zu rüsten. Unser Unternehmen ist jetzt mehr als 40 Jahre in der Sicherheitstechnik, mittlerweile das zweitgrößte Unternehmen in unserem Segment. Natürlich hatten wir viele Vorerfahrungen, aber wir mussten auch viele neue Dinge lernen. Das Vernetzungsthema, die Integration, aber auch beispielsweise Fragen um das WLAN im Ex-Bereich: Sie können dort nicht einfach einen Router aufstellen, Sie brauchen eine Box darum, alles muss zertifiziert sein. Das alles waren also neue Herausforderungen. Hier mussten wir Kompetenzen auf- und ausbauen.

Wie sind Sie diesen Weg angegangen, diese neuen Kompetenzen und die neuen Technologien zu verankern?

Wir haben unter anderem eine eigene Business Unit zum Thema Enterprise Mobility geschaffen, die ich leite. Im Laufe der Zeit mussten wir dabei die Kulturen von einem gereiften Unternehmen und einer kleinen Firma angleichen. Jetzt, wo wir erfolgreich sind, können wir mit einem Lächeln sagen: Es war für uns schon eine Herausforderung. Am Ende haben alle Seiten voneinander gelernt. So haben wir bspw. eine neue Webseite für die Mutter realisiert, bei der wir Ideen unserer Tochter übernommen haben, weil wir von den Lösungen der Tochter so beeindruckt waren, was Interaktivität oder Multimedia ihrer Webseite angeht. Oder wir benutzen mittlerweile Handys bzw. Smartphones und Tablets als Bedieneinheit, um unsere Daten mobil zu kommunizieren und die Analyzer des Hauses remote zu steuern, so wie man heute privat zuhause die Jalousien steuern kann. Der Leiter der Raffinerie, der gerade in Florida Urlaub macht, kann im Krisenfall eine Videodirektverbindung auf sein Telefon oder Tablet erhalten, wenn es dort ernsthafte Probleme gibt.

Die „mobile“ Tochter hat uns also auch mobilisiert. Auf der anderen Seite kamen wir mit unseren Strukturen, unseren Prozessen – das kann man bei einem Start-Up nicht erwarten oder in Perfektion umsetzen. Da muss man Verständnis haben. Unter dem Strich kann ich sagen: Es war die richtige Entscheidung, und die Mühen haben sich gelohnt. Wir sind mittlerweile einer der Marktführer für Enterprise Mobility und bieten durchgängige Lösungen.

Das Büro am Arm: Lösungen der Enterprise Mobility ermöglicht verstärkte Kommunikation im Zuge der Industrie 4.0
Das Büro am Arm: Lösungen der Enterprise Mobility ermöglicht verstärkte Kommunikation im Zuge der Industrie 4.0

Was sind konkrete Anwendungsszenarien von mobilen Kommunikationslösungen, die Sie heute im Ex-Bereich unterstützen?

Was sich in der Praxis als Anwendungsszenario am meisten durchgesetzt hat – und das ist durchgängig die Meinung – ist die Wartung. Die Wartung mobil zu unterstützen ist praktisch, erhöht ungemein die Transparenz und lässt sich einfach umsetzen. Durch die heute existierenden integrierten Lösungen haben Sie direkt einen mobilen Zugriff auf bspw. das SAP-System und können Daten direkt redundanzfrei transferieren, Sie können auf Bedienungsanleitungen und auf Q&A, Experten-Know-how etc. zurückgreifen. Das wird in der Praxis sehr intensiv genutzt, erhöht die Produktivität und die Akzeptanz. Dafür brauchen Sie natürlich ein explosionsgeschütztes Smartphone, da haben wir einen absoluten Treffer mit unserem Impact X geliefert, weil Sie hier ein Gerät für Zone 1 haben, das aussieht und sich so bedienen lässt wie ein iPhone. Das steigert natürlich die Akzeptanz im Feld enorm.
Das zweite große Anwendungsszenario, das in der Praxis relevant ist, hängt mit unserer neuen Helm-Kamera zusammen. Diese Kamera ist so groß wie eine Zigarre, hat aber die volle Funktionalität einer normalen Kamera und volle HD-Qualität und kann darüber hinaus ebenfalls in ein bestehendes ERP-System eingebunden werden. Sie können einfach über Video-Conferencing oder über Streaming die Probleme vor Ort so hochauflösend klären, wie es früher nicht möglich war. Das System läuft z. B. so: Sie haben einen normalen Wartungsgang auf einer Ölplattform mit drei oder vier Service-Mitarbeitern vor Ort, die die einzelnen Wartungspunkte abgehen, um die Sicherheitschecks zu fahren. Zugleich haben Sie einen Experten über einen Großbildschirm in Houston – oder wo auch immer die Mutter sitzt – angebunden.
Nehmen wir nun bspw. einen Haarriss in einem Wasseraufbereiter. Sie können diesen Haarriss über die HD-Technik in einer so hohen Feinauflösung live übertragen, live checken und gemeinsam das Problem im Online-Modus so lösen, wie es früher nicht möglich war.

Was ist der neue Mehrwert dieser Mobilität – und rechnet sich die Technologie für Ihre Kunden?

Wenn Sie von 20 Problemfällen 15 „mobil“ lösen können, was der Praxis entspricht, dann haben Sie 15 Helikopter-Flüge auf die Plattform gespart, um die Experten vor Ort zu transportieren. Sie sparen aber nicht nur 15 bis 80 Tausend Euro, die ein Helikopter-Flug kostet, sie müssen auch den Time Delay mit berücksichtigen, der den gesamten Produktionsprozess behindert und so indirekt Kosten verursacht.
Solche Analysen sind wichtig. Es kommen bei Innovationen wie Enterprise Mobility immer wieder gerne die Hinweise, dass Innovationen „so viel kosten“. Der ein oder andere Einkäufer wundert sich vielleicht, warum ein explosionsgeschütztes Smartphone mehr kostet als sein iPhone. Ich sage dann immer: Die Investitionen „kosten“ in diesem Fall weniger als 2-3 Helikopter-Flüge.

Wie sieht Ihre Roadmap für weitere Innovationen aus – und wie verhindern Sie das „Innovators Dilemma“, das heißt den Fluch der erfolgreichen Innovation? Wie kann Nachhaltigkeit von Innovation gelingen?

Das ist eine wichtige Frage, sie zeigt auch die ganze Komplexität. Natürlich können wir nicht im Detail verraten, was wir gerade entwickeln, das würde den Wettbewerb freuen. Was wir jetzt grundsätzlich machen, um innovativ zu bleiben: Wenn viele Projekte reinkommen, bauen wir die Ressourcen aus, um von den Projekten nicht aufgefressen zu werden. Zugleich haben wir eine kleine Gruppe bewusst aus dem Tagesgeschäft herausgenommen, um einfach die klassischen Fehler nicht zu machen: Wenn Sie in der Krise nicht weiter aggressiv vorangehen, weil Sie Sie nicht an den Markt glauben, dann fangen Sie schon an zu verlieren.

Wir arbeiten daher heute schon an neuen Generationen: Wir haben z. B. den wichtigen Trend der Minitiarisierung, den wir berücksichtigen müssen, der aber gerade in unserem Bereich besondere Probleme macht. Auf einer Ölplattform mit Handschuhen sind bspw. solche Schnittstellen schwer zu bedienen. Zudem werden Geräte der verschiedenen Funktionen verschmelzen. Wir werden also Multifunktions-Geräte realisieren. Aufgaben, die heute also noch separat durchgeführt werden, werden dann durch ein Gerät unterstützt. Natürlich wird auch alles weiterhin schneller, mobiler, etc.

Aber auch so ein „profanes“ Thema wie Kosten bewegt uns. Machen wir uns nichts vor: Es kommen natürlich jetzt vermehrt Nachahmer auf den Markt, die auch zusätzlichen Markt- und Preisdruck bringen. Hier muss man Innovationen in diese Richtung schaffen. Die Aufgabe heißt, dem Wettbewerb immer ein oder zwei Schritte voraus zu sein!

Nader Halmuschi ist seit Juni 2014 als Managing Director Automation & Communication Systems bei BARTEC tätig, einem der weltweit führenden Anbieter von industrieller Sicherheitstechnik für den Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen.

BARTEC Top Holding GmbH
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