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Gigantische Privatlager: Smartphone-Material für über zehn Jahre
Fast jeder hat eines Zuhause herumliegen: ein altes und ausrangiertes Smartphone. Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, dass die darin enthaltenen Materialien ausreichen würden, um den Rohstoffbedarf aller neuen Smartphones der kommenden zehn Jahre zu decken. Rückführungs- und Recyclingprozesse müssen noch effizienter werden, um das Potenzial auszuschöpfen.
Seltene Rohstoffe wie Gold, Palladium oder Platin schlummern nicht nur tief im Boden, sondern oftmals auch in der eigenen Wohnung. Alte Elektrogeräte wie defekte Fernseher, klapprige Laptops und Schubladenhandys enthalten wertvolle Rohstoffe, die auf dem Weltmarkt in Zeiten von Lieferschwierigkeiten und Konflikten nicht einfach zu bekommen sind. Werden Rohstoffe und Materialien aus Altgeräten oder das Gerät selbst aufbereitet und wiederverwendet, spricht man von Kreislaufwirtschaft. Eine neue IW-Berechnung macht nun das Potenzial deutlich: Würden alle Handys und Smartphones, die in Deutschland ungenutzt herumliegen, recycelt, würden die gewonnenen Materialien den Bedarf für alle neuen Smartphones der nächsten zehn Jahre decken. In deutschen Haushalten lagen 2022 laut Bitkom circa 210 Millionen Schubladenhandys, 87 Prozent der Bürger haben mindestens ein ausrangiertes Handy.
Urban Mining schont die Umwelt
Dass die Kreislaufwirtschaft in Zukunft immer wichtiger wird, zeigen drei globale Trends: Erstens wächst der Bedarf nach Rohstoffen mit der Weltbevölkerung. Insbesondere der steigende Konsum von Elektrogeräten ist ein Problem. Ausrangierte Geräte liegen oft in Schubladen und Kellern herum, das führt dazu, dass Rohstoffe knapper und teurer werden. Ein drittes Problem: Mit dem höheren Konsum steigen auch die Abfallmengen. Urban Mining, also die Gewinnung und Nutzung der Rohstoffe aus Altgeräten, schützt daher langfristig nicht nur die Umwelt. Es macht die deutsche Wirtschaft und die Verbraucher auch unabhängiger von Exportländern wie China.
Das Materiallager, welches Deutschland aufgebaut hat, bietet ein wichtiges Potenzial, Rohstoffe, die bereits abgebaut wurden, wiederzuverwerten und im Kreislauf zu halten.
Als Nettoimporteur von Rohstoffen ist die deutsche Wirtschaft insbesondere bei Materialien für zukünftige Technologien auf den internationalen Handel angewiesen. Auch aus diesem Grund wird das Denken in Kreisläufen für die Verbesserung der Ressourceneffizienz und -schonung von zentraler Bedeutung sein. Der gesamte Lebenszyklus einer Ressource – von der Bereitstellung über ihre Nutzung bis hin zur wiedergewinnenden Nachsorge – muss entsprechend mitgedacht und optimiert werden. In diesem Zusammenhang kann Urban Mining als Bestandteil einer Kreislaufwirtschaft betrachtet werden.
Prozesse müssen effizienter werden
Durch die Nutzung Urbaner Minen kann zwar nicht das gesamte Konzept einer Kreislaufwirtschaft abgedeckt werden, jedoch kann Urban Mining als zusätzliche Rohstoffquelle eine wesentliche Rolle spielen. Insbesondere vor dem Hintergrund der angespannten Rohstoffsituation muss diese Möglichkeit gesamtwirtschaftlich genutzt werden, um zum einen Ressourcen zu schonen und wiederzuverwenden und um zum anderen die Abhängigkeit auf internationalen Rohstoffmärkten zu reduzieren. Das Materiallager, welches Deutschland aufgebaut hat, bietet ein wichtiges Potenzial, Rohstoffe, die bereits abgebaut wurden, wiederzuverwerten und im Kreislauf zu halten.
Gleichzeitig sind viele Recyclingprozesse noch nicht effizient genug, die Wiederverwertung lohnt sich betriebswirtschaftlich nicht. Der reine Metallwert eines alten Handys liegt bei 1,15 Euro, die Kleinteiligkeit der Geräte erschwert das Recycling. „Das Recycling stellt nur eine Lösung dar. Besser wäre es, bereits bei der Produktentwicklung Abfälle zu vermeiden oder die Geräte und ihre Komponenten für eine Wiederverwendung professionell aufzubereiten“, sagt Studienautorin und Kreislaufwirtschaftsexpertin Adriana Neligan. Ein erster wichtiger Schritt wäre, dass die Verbraucher ihre ungenutzten Altgeräte zurückbringen. Aber auch die Politik müsse hier unterstützen, Tempo machen und für bessere Anreize bei der Sammlung sorgen.
Aktueller Regulierungsrahmen
Auf nationaler Ebene existierten beispielsweise das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess) sowie das Kreislaufwirtschaftsgesetz und die Rohstoffstrategie. Das Ressourceneffizienzprogramm in seiner dritten Fortschreibung ist die nationale Strategie für die Entnahme und Nutzung von natürlichen Rohstoffen. Deren definiertes Ziel ist die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourceneinsatz, die Reduktion der damit verbundenen Umweltbelastung und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Die Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ist seit Herbst 2020 in Kraft und bezweckt die Förderung der Kreislaufwirtschaft und die Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen. Die Rohstoffstrategie, deren aktuelle Fassung aus Januar 2020 ist, setzt an der grundlegenden Problematik an, dass Rohstoffe am Anfang der industriellen Wertschöpfungskette stehen und eine sichere Verfügbarkeit sowie ihre nachhaltige Nutzung existenziell für nachgelagerte Wirtschaftsbereiche sind.
Die ganze Studie steht hier bei dem IW Köln zum kostenfreien Download zur Verfügung
Auch im Bereich der Elektrogeräte existieren konkrete politische Ziele zur Ressourcenschonung durch eine Verlängerung der Produktlebensdauer. Der Aktionsplan für eine Circular Economy der EU beinhaltet eine „Initiative für zirkuläre Elektronik“, die bestehende und neue Instrumente mobilisiert. Im Einklang mit dem politischen Rahmen für nachhaltige Produkte soll die Initiative verschiedene Maßnahmen umfassen. Leitgedanke ist hierbei, den Wertverlust zu vermeiden, der entsteht, wenn vollständig oder teilweise funktionsfähige Produkte ausrangiert werden, weil sie nicht repariert werden können, der Akku nicht ersetzt werden kann, die Software nicht mehr unterstützt wird oder die in den Geräten enthaltenen Materialien nicht wiederverwertet werden (Europäische Kommission, 2020). Zudem sollen ab Herbst 2024 EU-weit einheitliche Ladekabel für Smartphones und andere Elektrogeräte wie Tablets, E-Reader, Digitalkameras, Kopfhörer, tragbare Lautsprecher und Tastaturen verwendet werden mit dem Ziel Elektroschrott zu vermeiden.
Mit dem im Frühjahr novellierten Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) sollen unter anderem die Sammelquoten von Altgeräten in Deutschland erhöht werden, indem die Rücknahme erleichtert wird. Auch die Rücknahmeverpflichtungen für Altgeräte wurden in Deutschland verschärft, sodass unter anderem Lebensmittelgeschäfte und Discounter (ab 800 Quadratmeter) seit Juli 2022 zur Rücknahme verpflichtet sind.
In diesem Zusammenhang hat die EU-Kommission neue Ökodesign-Maßnahmen für Smartphones, Tablets und Laptops beschlossen, die im Rahmen der Ökodesign-Richtlinie umgesetzt werden sollen. Zudem hat die EU-Kommission eine Überprüfung der Vorschriften zur Beschränkung der Verwendung gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten, das heißt der RoHS-Richtlinie, eingeleitet. Ziel ist die Überprüfung der Wirksamkeit und Effizienz der darin genannten Ziele. Bezogen auf die Materiallager von Elektrogeräten wird auf EU-Ebene aktuell geprüft, inwiefern Anreize für die Rücknahme beziehungsweise Rückgabe von Kleinelektronik gesetzt werden können, die nicht mehr genutzt wird (Europäische Kommission, 2022). Eine weitere Maßnahme im Rahmen der Initiative ist die Einführung von Regulierungsmaßnahmen für Elektronik und IKT im Rahmen der Ökodesign-Richtlinie, um sicherzustellen, dass die Geräte auf Energieeffizienz und Langlebigkeit, Reparierbarkeit, Aufrüstbarkeit, Wartung, Wiederverwendung und Recycling ausgelegt sind (Europäische Kommission, 2020). Der kommende Ökodesign-Arbeitsplan soll weitere Einzelheiten dazu enthalten.
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