![](https://ddwcdn.b-cdn.net/wp-content/uploads/2021/03/deutschland-head-807x563.png)
Deutschlands Abstieg wird unübersehbar
Deutschland kann mit Spitzenstandorten in Nordamerika, Westeuropa und Skandinavien kaum noch mithalten. Während andere Staaten in Infrastruktur investieren oder ihr Steuersystem reformieren, kommt Deutschland nicht voran. Dass zeigt der neue Länderindex der Stiftung Familienunternehmen.
Deutschland befindet sich in der aktuellen Rangliste auf Rang 18 und büßt gegenüber dem Vorjahr vier Plätze ein. Dieser im aktuellen Länderindex erarbeitete Befund zur Position Deutschlands bietet erheblichen Anlass zur Sorge, so die Studienautoren. Unternehmen sind in Deutschland im internationalen Vergleich mit höheren Steuern, höheren Regulierungslasten und höheren Energiekosten als an den meisten anderen Standorten konfrontiert. Noch dazu bieten andere Industriestaaten mit vergleichbar hohen Arbeitskosten zumeist eine höhere Produktivität in Kombination mit einer besseren Leistung des Bildungssystems. Der einzige klare, noch verbliebene Aktivposten sei die vergleichsweise geringe Verschuldung des Staates und der privaten Haushalte: Deutschland als relativ solides Land kann es sich leisten, auf Krisen zu reagieren.
Der Länderindex als Vergleich von 21 Industriestaaten erstellt im Auftrag der Stiftung regelmäßig das Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW in Mannheim – unter der Leitung von Professor Dr. Friedrich Heinemann. Dies geschieht seit 2006 mittlerweile zum neunten Mal. Seitdem ist Deutschland um sechs Rangplätze abgerutscht.
Die gegenwärtige Krise sollte als Chance zur Umkehr begriffen werden, vor allem zum Abbau lähmender Regulierungslasten, schreiben die Studienautoren. Die steuerlichen Bedingungen müssten sich dringend verbessern. Mit Blick auf den Fachkräftemangel sei eine echte Wende in der Bildungspolitik nötig. Die Genehmigung und Durchführung öffentlicher Investitionsvorhaben sollten sich in der Breite beschleunigen.
Ernüchterndes Bild des deutschen Standorts
![](https://ddwcdn.b-cdn.net/wp-content/uploads/2023/01/heinemann-zwe.jpg)
Die Ergebnisse des Länderindex Familienunternehmen 2022 und der Vergleichsrechnung für das Jahr 2020 sind in der untenstehenden Tabelle gegenübergestellt. An der Spitze der aktuellen Rangliste befinden sich unverändert die USA, gefolgt von Kanada, Schweden und der Schweiz. Die Spitzenposition der USA resultiert vor allem aus herausragenden Ergebnissen in den Bereichen „Regulierung“ und „Energie“. Doch wer die USA als unschlagbar attraktiven Standort auch für deutsche Unternehmen betrachtet, darf die dort überdurchschnittliche Inflation nicht vergessen, so der Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ und Mitverfasser des Länderindex, Heinemann. Der Preis- und Lohndruck sei hoch in den USA. Verbunden mit der Dollar-Aufwertung mindert das die Attraktivität des Standorts.
Deutschland befindet sich in der aktuellen Rangliste auf Rang 18 und hat sich damit gegenüber der Vergleichsrechnung für das Jahr 2020 um vier Plätze verschlechtert. Nur Ungarn, Spanien und Italien schneiden noch schlechter ab. Allerdings liegen die Länder auf den Rängen 14 bis 19 in ihren Punktwerten sehr nahe beieinander, sodass der deutliche Verlust an Rangplätzen nicht überbewertet werden sollte.
Weitere Analysen und Stimmen zum Thema:
Der Wohlstandsverlust in Deutschland wird greifbar
Tritt ein, wovor Ökonomen bereits seit langem warnen: Das K.O. für Deutschland? Neueste Zahlen der KfW und des IW befeuern diese Befürchtungen. Alleine der Ukrainekrieg und alle damit verbundenen wirtschaftlichen Bedrohungen kosten rund 175 Milliarden Euro an Wertschöpfung – ein direkter Wohlstandsverlust von 2.000 Euro je Einwohner. Hier auf DDW
Insgesamt zeichnet der Länderindex Familienunternehmen jedoch ein ernüchterndes Bild des deutschen Standorts. Auch abseits des Themas Energie lassen sich keine Standortfaktoren finden, bei denen eine klare Aufwärtsbewegung zu verzeichnen wäre. Der mit Abstand größte Aktivposten des deutschen Standorts bleibt der Bereich der Finanzierung, in dem Deutschland die Spitzenposition einnimmt. Vergleichsweise gute Resultate erzielt Deutschland auch im Subindex „Infrastruktur und Institutionen“. Auch hier kann Deutschland jedoch nicht mit den Spitzenstandorten in Nordamerika, Westeuropa oder Skandinavien mithalten.
Schwach sind demgegenüber die Ergebnisse in den Bereichen „Steuern“, „Arbeitskosten, Produktivität, Humankapital“, „Energie“ und vor allem „Regulierung“. Die Beurteilung der Regulierungslasten in Deutschland hat sich dabei noch einmal verschlechtert. Offenbar haben sich hier die Erfahrungen mit dem regulativen Management der Pandemie ungünstig ausgewirkt.
Quelle: Stiftung Familienunternehmen / Berechnungen von ZEW und Calculus Consult
Bei Steuern auf dem vorletzten Platz
Im Zeitverlauf lässt sich ablesen, dass sich Deutschland insbesondere bei Steuern, Regulierung und Infrastruktur negativ entwickelt hat. Auch das Verhältnis Arbeitskosten und Produktivität zeigt einen ungünstigen Trend im Vergleich zu den Wettbewerbern. Bei der Steuerlast für Familienunternehmen rangiert Deutschland weiterhin auf dem vorletzten Platz; bedingt vor allem durch die Untätigkeit der deutschen Steuerpolitik, wie Heinemann schreibt.
Diese Nachteile waren durch die positive Tendenz beim Indikator Finanzierung nicht auszugleichen. Außerdem muss sie für die Zukunft nicht so gelten. Aktuell sei hier der Sinn für Prioritäten und zielgenaue Hilfen auf der Strecke geblieben, so Heinemann. Der Bundeshaushalt mit seinen Nebenhaushalten sei nicht mehr transparent genug. Luft für Zukunftsaufgaben sei nur zu bekommen, wenn endlich Reformen im Bereich Rente und Gesundheit stattfänden.
Professor Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen: „Der Industriestandort Deutschland hat dramatisch an Qualität verloren. Gerade die hohen Energiepreise, an denen wir wenig ändern können, müssten doch Anreiz bieten, die übrigen Rahmenbedingungen für Investitionen zu verbessern. Im internationalen Vergleich auf den hintersten Plätzen – das ist nicht das Feld, in das wir gehören.“
Der Länderindex wird als gewogener Durchschnitt von sechs Subindizes errechnet: Steuern, Arbeit, Regulierung, Finanzierung, Infrastruktur und Investitionen, Energie. Er kann Punktwerte zwischen 0 und 100 annehmen. Starke Verbesserungen zeigten Japan und Schweden, große Verluste verzeichneten Österreich und die Niederlande.
- Deutschland: Diesmal droht das K.O.
- Deutschland entwickelt sich in Europa zu einem Hauptproblem
- Verbandsumfrage: Signal für Rezession
Die gemeinnützige Stiftung Familienunternehmen ist der bedeutendste Förderer wissenschaftlicher Forschung rund um Familienunternehmen. Sie ist Ansprechpartner für Politik und Medien in wirtschaftspolitischen, rechtlichen und steuerlichen Fragestellungen. Die 2002 gegründete Stiftung wird mittlerweile getragen von über 500 Firmen aus dem Kreis der größeren deutschen Familienunternehmen. www.familienunternehmen.de
Schreibe einen Kommentar