
Wortbruch statt Solidarität
Der Soli ist verfassungsgemäß, urteilt der Bundesfinanzhof. Damit bleibt Deutschland ein Hochsteuerland, denn bezahlt wird der Soli vor allem von Unternehmen und Selbständigen. An der Redlichkeit staatlicher Maßnahmen wächst derweil das Misstrauen.
Steuerberater Andreas Berberich (Bild oben) hatte die Nase voll. Obwohl die Programme zum Aufbau Ost ausgelaufen sind, beschloss die damalige Große Koalition im Jahr 2019, dass “Besserverdiener” – gemeint sind die oberen zehn Prozent der Einkommen – den Solidaritätszuschlag weiter zahlen müssen. Zusammen mit seiner Frau und mit Unterstützung des Steuerzahlerbund reichte der Augsburger dagegen Klage vor dem Bundesfinanzhof ein.
Gestern das Urteil: Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass die Steuer nicht verfassungswidrig sei. Das Gericht urteilte, der Solidaritätszuschlag dürfe wegen des erhöhten Finanzbedarfs für die Einheit weiter erhoben werden, auch wenn es keinen Solidarpakt mehr gibt.
“Ein Freibrief für Wählertäuschung” kommentiert der Publizist ehemalige FAZ-Herausgeber Dr. Hugo Müller-Vogg auf Cicero das Urteil. Die Begründung des obersten Steuergerichts klinge nicht sehr überzeugend. Auch der Präsident des Bundes der Steuerzahler Reiner Holznagel mahnt: “Das politische Versprechen, die Sondersteuer mit dem Auslaufen des Solidarpakts II, also der Hilfen für den ‘Aufbau Ost’, abzuschaffen, steht weiterhin im Raum – dieses Versprechen nehmen wir beim Wort und fordern es entschlossen ein.“ Man werde jetzt die weitere Urteilsbegründung analysieren und dann mit Andreas Berberich sowie Prozessbevollmächtigten über das weitere juristische Vorgehen entscheiden.
Deutlich höhere Steuern in Deutschland als in der EU
Mit der Beibehaltung des Solidaritätszuschlags in seiner jetzigen Form stehen der Bundesregierung damit weiterhin Einnahmen in Milliardenhöhe zur Verfügung – vor allem bezahlt von Selbständigen und Unternehmen. Die Einnahmen summieren sich im Jahr 2023 voraussichtlich auf rund 13 Milliarden Euro – Tendenz steigend: 2022 beliefen sich die Einnahmen auf zwölf Milliarden Euro, im Jahr 2021 waren es noch elf Milliarden Euro gewesen. Rund sechs Millionen Personen – darunter auch viele Selbstständige – und 500.000 Unternehmen und zahlen nach wie vor den Soli, hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) berechnet.
Insgesamt trägt der Unternehmenssektor somit mehr als die Hälfte zum Aufkommen bei – im Jahr 2023 sind das schätzungsweise sieben Milliarden Euro, so das IW. Dabei ist Deutschland im internationalen Vergleich ohnehin ein Hochsteuerland: Unternehmen zahlen hierzulande neben dem Soli auch Körperschafts- und Gewerbesteuer. Seit 2008 ist die Belastung kontinuierlich gestiegen, während viele andere Länder ihre Steuersätze gesenkt haben. Im Jahr 2021 lag die durchschnittliche Steuerbelastung in der EU bei 20,7 Prozent und in den OECD-Staaten bei 22,9 Prozent. Deutschland kommt auf 30 Prozent. Unternehmen, die sich in Kommunen mit einem besonders hohen Hebesatz niedergelassen haben, zahlen bis zu 36 Prozent Steuern. Die Abschaffung des Soli würde die Steuerlast der Kapitalgesellschaften in Deutschland um knapp einen Prozentpunkt senken.
Soli ist nicht mehr zeitgemäß
Ursprünglich sollte der Soli die ostdeutschen Bundesländer finanzieren. Zwischen 1995 und 2022 kamen jedoch rund 130 Milliarden Euro mehr in der Staatskasse an, als für den Osten ausgegeben wurde. „Der Soli ist nicht mehr zeitgemäß, das ist seit Jahren bekannt“, sagt IW-Steuerexperte Tobias Hentze. „Er ist zu einer verkappten Unternehmensteuer geworden, was besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gefährlich ist. Die vollständige Abschaffung ist überfällig.“
“Für die deutschen Unternehmer ist der Soli in der aktuellen Krise zu einer unverhältnismäßigen Belastung mutiert”
So sieht es auch der Verband Die Familienunternehmer und kann doch dem jetzigen Urteil etwas Positives abgewinnen. Den Klägern stehe damit endlich der Weg nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht offen. Dort ist bereits eine Verfassungsbeschwerde mehrerer Abgeordneter der FDP-Fraktion anhängig. „Da politisch hierzu die Mehrheit fehlt, muss wieder einmal das höchste deutsche Gericht als Reformmotor herhalten. Hoffentlich sorgt Karlsruhe mit einer klaren Rechtsprechung nun zügig für Gerechtigkeit”, so Hauptgeschäftsführer Albrecht von der Hagen.
Für die deutschen Unternehmer sei der Soli in der aktuellen Krise zu einer unverhältnismäßigen Belastung mutiert. Diese Milliarden fehlten ihren Betrieben für Investitionen. Es sei höchste Zeit dieses Relikt betriebsschädigender Schröpfung endlich abzuschaffen. Von der Hagen weiter: “Mit Recht wurde der Soli in den Neunziger Jahren zur Finanzierung der Wiedervereinigung eingeführt. Die Belastung, die mehr als drei Jahrzehnte später nur noch von einer kleinen Zahl der Steuerzahler getragen werden muss, kann nur noch als Unternehmer-Strafzuschlag bezeichnet werden. Unabhängig von dem heutigen Urteil des BFH ist die endgültige Abschaffung des Soli daher ein überfälliger und vor allem der einzig sachgemäße Schritt.”
Abschaffung wäre Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit
Selbst das von FDP-Chef Christian Lindner geführte Bundesfinanzministerium hatte entschieden, die Erhebung des Solidaritätszuschlags nicht vor dem Bundesfinanzhof zu verteidigen. Auch aus dem Wirtschaftsrat der CDU wird die Abschaffung des Solidaritätszuschlags gefordert. Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates: “Einerseits schlägt der Solidaritätszuschlag voll durch bei Personengesellschaften, andererseits wird in der Diskussion viel zu selten die Tatsache betrachtet, dass auch Kapitalgesellschaften den Solidaritätszuschlag als weitere Unternehmensteuer zu entrichten haben. Dabei nimmt Deutschland bereits einen unrühmlichen Spitzenplatz bei der Höhe der Unternehmensbesteuerung im internationalen Vergleich ein. Eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags ist daher entscheidender Schritt zu einer standortfreundlicheren Politik, die im Einklang mit der vielmals propagierten Zeitenwende stehen würde“.
- Der Wohlstandsverlust in Deutschland wird greifbar
- Deutschlands Abstieg wird unübersehbar
- Deutschland: Diesmal droht das K.O.
Nun ja, ich gehöre zwar auch zu den 10 % der Soli-Zahlenden, aber schon die Werbung rechts auf der http://WWW.Seite ( Auidi A6 Earton Avant, Ionic 6 Insert etc.) zeigt wie “schlecht” es um uns steht. Eigentlich müssten die in den Krisen noch erheblich Reicheren vor Schamesröte über die gewachsene Einkommensschere sich ein wenig bescheidener geben statt zu jammern. Der Soli hat von Anfang an den “Geburtsfehler”, dass diese eingenommenen Gelder NICHT zweckgebunden waren.
Wieder mal ein Kommentar was die fehlende Bildung hinsichtlich wirtschaftlicher Mechanismen zeigt. Die Einkommensschere geht deswegen auseinander, weil Deutschland aufgrund der Regulierungen, Besteuerungen und Bürokratie die Unternehmen dazu animiert, bessere Rücklagen zu schaffen und auf Krisenzeiten vorbereitet zu sein. Wir sind mittlerweile ein sozialistischer Staat.Das ist Fakt. Die Staatsquote über 50% zeigt das bereits. Kann jeder gerne mal googeln, ob es jemals in der Geschichte einen Staat gegeben hat, der mit Sozialismus Wohlstand geschaffen hat.