
Auf dem Weg in die elitäre Mobilität
Der EU-Ministerrat hat das Aus für Neuwagen mit Verbrennermotoren ab dem Jahre 2035 beschlossen. Das – unausgesprochene – politische Ziel ist die nachhaltige Einschränkung des Verkehrs auf der Straße und damit der Massenmobilität. Mobilität wird zum Luxusgut.
Von Dr. Helmut Becker
Zunächst zur Vorgeschichte:
- Im September 2022 hat der EU-Ministerrat am Ende des vorgeschriebenen EU-Gesetzgebungsverfahrens (Triologie: EU-Kommission – EU-Parlament – EU-Mininisterrat) das Aus für Neuwagen mit Verbrennermotoren ab dem Jahre 2035 beschlossen. Das EU-Parlament hat diesen Beschluss am 13. Februar 2023 nochmals bestätigt. Dem Zufall geschuldet hat zeitgleich der Autobauer Ford einen drastischen Abbau seines Personals in Europa als Folge der Umstellung auf Elektromobilität bekannt gegeben.
- Offizielles Ziel der EU Umweltpolitik ist es, entsprechend der Vereinbarungen diverser Klimaschutz-Konferenzen die klimaschädlichen CO2-Emissionen aus dem Verkehr zu verbannen. Anstelle von fossilen Verbrennerautos dürfen ab 2035 nur noch Elektroautos neu zugelassen werden. Betroffen davon wären, Stand heute, jährlich etwa 12-15 Millionen Autokäufer. Der Altbestand an Benzin- und Diesel-Pkw, der laut Statistischem Bundesamt 2019 in Europa 325 Millionen betragen hat und bis 2030 auf 355 Millionen ansteigen soll, darf weiterfahren. Über 60 Prozent davon erfüllt noch nicht einmal die Abgasnorm Euro 5 – O sancta simplicitas!
„Man schlägt den Sack und meint den Esel“ sagt man im Volksmund, wenn jemand stellvertretend für andere, die eigentlich gemeint sind, kritisiert wird.
Das Gleiche praktiziert seit langem die EU Kommission in Brüssel, wenn es um das – unausgesprochene – politische Ziel geht, den Verkehr auf der Straße und damit die Massenmobilität nachhaltig einzuschränken. Um im Sprachbild zu bleiben: der Sack ist die Autoindustrie, der Esel die Autofahrer, die ab 2035 keine Autos mit Verbrennermotoren mehr kaufen dürfen, sondern nur noch Elektroautos. Und der Stock, um dieses Ziel möglichst ohne Geschrei und Verdruss der Wähler zu erreichen, ist die Brüsseler Abgasgesetzgebung, sind die – unverfänglich über technische, durch den Umweltschutz quasi heiliggesprochene – Abgasnormen, die seit Jahren verschärft werden. So mit der aktuell im EU-Abstimmungsprozess befindliche Einführung von Euro 7. Sie ist eine Norm ohne Umweltnutzen, aber mit hohen Kosten für den Autokäufer. Und somit ein weiteres Instrument zur Verteuerung des Individualverkehrs.
Waren es zuvor ausschließlich Umweltgründe, die zu einer regelmäßigen Verschärfung der Abgasnormen geführt haben, sind es in den letzten Jahren mehr und mehr ideologische Gründe maßgeblicher politischer Entscheidungsträger auf Berliner und Brüsseler Bühne, die unter dem Gemeinwohl-Deckmantel des Klimaschutzes letztlich eine generelle Einschränkung der individuellen Mobilität auf der Straße zum Ziel haben.
Um nicht missverstanden oder für einen sturen „petrol-head“ gehalten zu werden: Kein vernünftiger Mensch kann heute den vom Menschen verursachten Klimawandel und die davon ausgehenden Bedrohungen der Erde mehr leugnen. Wir wollen nicht enden wie die Dinosaurier – mit dem Unterschied, dass diese Spezies dafür Millionen von Jahren gebraucht hat, die Menschheit im ungünstigsten Fall wenige Jahrzehnte oder Jahrhunderte.
“Nicht jeder „Esel“ soll sich mehr den Luxus des eigenen Autos leisten können, die der Individualverkehr soll ausgedünnt, die Pkw-Flotte soll verkleinert werden. Doch wie kann man das erreichen, ohne dass der Esel bockig wird?”
Klimaschutz ist notwendig und als allgemein politisch akzeptiertes Ziel unbestritten. Aus diesem Grund will die EU genau dieses Ober-Ziel Klimaschutz für die Absenkung der CO2-Emissionen nutzen, um die allgemeine individuelle Massenmobilität einzuschränken. Mobilität für jedermann ist nicht mehr gewünscht. Im Klartext heißt das: Nicht jeder „Esel“ soll sich mehr den Luxus des eigenen Autos leisten können, der Individualverkehr soll ausgedünnt, die Pkw-Flotte soll verkleinert werden. Doch wie kann man das erreichen, ohne dass der Esel bockig wird?
In demokratisch verfassten Systemen ist ein solches Vorhaben gegen den Willen der „Esel“, die erkennbar an ihrer mobilen Freiheit hängen, nicht erreichbar. Denn die „Esel“ sind gleichzeitig auch Wähler, und jene Politiker, die per order de mufti gegen den Willen der Esel eine Einschränkung der Mobilität durchsetzen wollten, könnten sicher sein, aus dem Amt gejagt zu werden und so ihren Job zu verlieren.
Kluge Köpfe in Brüssel, aber auch in Berlin, haben erkannt, dass in marktwirtschaftlichen Systemen sich eine solches Vorhaben ohne politische Selbstverstümmelung nur über den Preis realisieren lässt, also möglichst anonym über den Markt. Am Ende eines solchen Denkprozesses steht: Am besten wäre es, Autofahren würde so teuer werden, dass ein Teil der Kundschaft mit kleineren Geldbeuteln auf den Kauf eines eigenen Autos verzichtet. Und zwar freiwillig.

Und weil kein vernünftiger Mensch gegen Klimaschutz und CO2-Absenkungen sein kann, hat die Umweltpolitik in Berlin und Brüssel den „Sack“ ins Visier genommen, der die Vehikel herstellt, die bei der Verbrennung von Benzin und Diesel CO2-Abgase produzieren, nämlich die Automobilhersteller. Der Stock, um die Autokäufer zur gewünschten Räson zu bringen, sind die Abgasnormen.
In Europa wurden 1970 erstmals Abgasnormen für den Verkehr eingeführt und seither schrittweise verschärft. Die ersten einheitlichen Abgasvorschriften für Pkw in der Europäischen Gemeinschaft (EG) traten 1970 mit der Richtlinie 70/220/EWG in Kraft. Begrenzt wurden die Emissionen von Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffen. Grenzwerte für Partikel (Ruß) aus Dieselmotoren wurden 1988 mit der Richtlinie 88/436/EWG eingeführt.
Bis dahin war Ziel der Gesetzgebung, die individuellen Beeinträchtigungen, die der anschwellende Verkehr auf der Straße mit sich brachte, zu verringern. Was über Katalysatoren, Rußfilter etc. auch gelang. Die Autoindustrie hatte für jede Anforderung – wenngleich immer widerwillig – technische Lösung zu erschwinglichen Kosten bereit. Seit 1. Juli 1992 rückte der Umweltschutz als gesellschaftliches Ziel in Blickfeld, wurde durch EU Gesetzgebung mit Euro 1 eine schrittweise Begrenzung der CO2 Emissionen bei Benzin- und Dieselfahrzeugen festgelegt.
“In der Berliner und Brüsseler Verkehrspolitik begann schleichend unter dem Deckmantel des Klimaschutzes ein ideologischer Richtungswechsel hin zu weniger Verkehr”
Seit 1. Januar 2009 gilt mit Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen die Abgasnorm EURO 5 und EURO 6, modifiziert am 7. Januar 2019 mit Verordnung (EU) 2018/858.
Alle diese Abgas-Verordnungen gingen regelmäßig mit großen Wehklagen der europäischen Automobilhersteller einher, waren aber technologisch machbar und umweltpolitisch sinnvoll. Sie erforderten zwar stets auch hohe Kosten, diese waren aber bis zuletzt von den Herstellern aller Fahrzeugklassen auf die Kunden überwälzbar. Die Existenz der Verbrennerautos wurde dadurch nicht angetastet. An den Grundfesten des eigentlichen Geschäftsmodells der deutschen Automobilhersteller, nämlich sich profitabel weiter zu mehren und mehr Autos auf die Straße zu bringen, wurde mit all diesen Emissionsverordnungen also nie gerüttelt.
Mit zunehmender Diskussion um den Klimaschutz änderte sich diese Schonzeit. In der Berliner und Brüsseler Verkehrspolitik begann schleichend unter dem Deckmantel des Klimaschutzes ein ideologischer Richtungswechsel hin zu weniger Verkehr.
Begonnen hat es mit der einseitigen Festlegung der Politik im Jahre 2010 mit der Gründung der Nationalen Plattform Elektromobilität unter Bundeskanzlerin Merkel. Darin wurde festgelegt, Klimaschutz im Verkehr ausschließlich über Elektromobilität voranzutreiben. Alternative Antriebe über synthetische Kraftstoffe oder Wasserstoff blieben bewusst außer Betracht. Im Jahre 2020 sollten eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen fahren, so das Ziel – gefördert durch hohe staatliche Kaufprämien und Steuervergünstigungen und noch höhere staatliche Investitionen in die Ladeinfrastruktur. Beschleunigt werden soll diese Transformation hin zum Elektroauto nun über ein durch Emmissionsgrenzwerte faktisch vorgetragenes Verbrennerverbot der EU-Kommission ab dem Jahre 2035.
“Technisch nicht erfüllbar – oder nur mit so hohem technischen Aufwand und zu so hohen Kosten, dass sich das nur für große Hochpreis-Fahrzeuge rechnet”
Am 10. November 2022 wurde von der Europäischen Kommission ein Vorschlag für eine Verordnung zur Senkung der Emissionsgrenzwerte und Vereinheitlichung der EU-Emissionsnormen für Pkw, leichte Nutzfahrzeuge, Lkw und Busse – genannt Euro 7 – mit Gültigkeitsbeginn ab dem 1. Juli 2025 veröffentlicht. Darin stehen neben einigen – auch nach Meinung von Experten – guten Elementen, wie die Anforderungen an Regeneration von Partikelfiltern, neue Abgas-Anforderungen an künftige Verbrennermotoren, die Stand heute technisch nicht erfüllbar sind – oder nur mit so hohem technischen Aufwand und zu so hohen Kosten, dass sich das nur für große Hochpreis-Fahrzeuge rechnet, nicht aber für kleinere Autos für Normalbürger, wie die Herren Hinz und Herren Kunz.
Auf den ersten Blick scheinen die Regelungen von EURO 7 unverfänglich. Laut Experten bleiben die Emissionsgrenzwerte im Kern fast unverändert zu EURO6dfinal. Der Stickoxidgrenzwert, welcher bei 6dfina noch zwischen Benzin (60mg/km) und Diesel (80mg/km) unterscheidet, wird einheitlich zu 60 mg/km. Der Teufel steckt allerdings im Detail: Aktuell ist Euro 7 nicht erfüllbar, da dort geschrieben steht, unter „any“ Fahrbedingungen sind niedrigste Emissionen einzuhalten. Dies bedeutet, dass die Fahrzeuge auch nach über 200.000 Kilometern unter allen möglichen, in der Gesetzesverordnung nicht genau definierten, Rahmenbedingungen (Anhängerbetrieb, Kälte, Kurzstrecke, Anfahrt am Berg) immer diese niedrigen Emissionen einhalten müssen. De facto ist dies nicht erreichbar.
Das ganz „normale“ Fahren, welches einen Großteil der mittlerweile äußert geringen Emissionen ausmacht, wird überhaupt nicht schärfer reglementiert. Das macht so einfach keinen Sinn.
Es ist davon auszugehen, dass auf jeden Fall mindestens ein 48V Hybridsystem vorgehalten werden muss, um das Thermomanagement (also die Konditionierung der Abgasanlage auf Temperatur) durch ein leistungsfähiges elektrisches Bordnetz zu ermöglichen. Es ist mir Mehrkosten in der Produktion in der Größe von mindestens 500 und vermutlich sogar 1.000 Euro zu rechnen, je nach Ausgangsfahrzeug. Und das ohne praktischen Umweltnutzen.
„Prinzipiell sind die Mehrkosten relativ gering für hochpreisige Fahrzeuge, die schon viel Technologie an Bord haben (Hybride) und – wenn überhaupt verbauungstechnisch möglich – groß für preiswerten Kleinwagen“, so beurteilt Professor Thomas Koch vom KIT Karlsruhe die Effekte. Diese Verordnung zu Euro 7 hat es für die Massenmobilität also in sich.
“Die Produktion von Verbrennerautos, Kernstück der deutschen Autoindustrie, schrumpft und wandert aus Europa, sprich Deutschland, ab ins Ausland, zumeist nach China und USA. Weil auch nach 2035 noch etwa zwei Drittel des Weltmarktes Verbrennerautos brauchen”
Die Zielsetzung der europäischen wie der deutschen Umweltpolitik ist also klar: Ersatz von erschwinglicher Verbrennermobilität mit allen Mitteln durch teurere, angeblich CO2-freie Elektromobilität. Und wenn die Autokunden und -nutzer da nicht mitspielen, Rückbesinnung und Anwendung der Logik, wie sie Altmeister Goethe schon in seinem Gedicht vom Heideröslein zum Ausdruck gebracht hat: „… und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt!“ Denn: Inzwischen ist selbst der Politik klargeworden, dass ohne Kaufprämien die Elektromobilität nicht vorankommt, die Kunden weiter beim Verbrenner bleiben wollen.
Elektroautos werden auf Dauer wegen höherer Kosten strukturell teurer bleiben als vergleichbare Verbrennerautos. Die politisch gewollte Transformation und Ausdünnung des Verkehrs würde damit ins Leere laufen. Bleibt für die EU Politik als Ausweg nur die Möglichkeit, qua Gesetz Verbrenner ganz zu verbieten – siehe Goethe. Und, darauf zielt die EU Politik offensichtlich ab, bis dahin das heutige Preisschlupfloch für Autokäufer zu versperren und auch Verbrennerautos über EU-Abgasvorschriften teurer zu machen.
Das heißt grob gesprochen: Mobilität auf der Straße wird elitär. Sie wird zum Luxusgut.
Auch in der Automobilindustrie sind erste Opfer bei Opel und Ford bereits zu beklagen: Belegschaften, die bisher für den Bau von Verbrennerautos benötigt wurden, werden abgebaut, Modellpaletten um kleinere, preiswerte Verbrennerautos ausgedünnt, Fabriken, wie Ford Saarlouis, geschlossen. In Rüsselsheim werden mit erheblich weniger Personal nur noch E-Autos gebaut. Auch Premiumhersteller wie Daimler-Benz ziehen sich aus dem Geschäft mit kleineren Modellen zurück und verlegen sich nur noch auf das Luxussegment. Kleine, aber teure Elektroautos wie der Smart werden zum Ladenhüter.
Die Produktion von Verbrennerautos, Kernstück der deutschen Autoindustrie, schrumpft und wandert aus Europa, sprich Deutschland, ab ins Ausland, zumeist nach China und USA. Weil auch nach 2035 noch etwa zwei Drittel des Weltmarktes Verbrennerautos brauchen – und zwar im normalen Alltag, nicht nur bei ungewöhnlichen Winterstürmen (USA) und Naturkatastrophen wie aktuell in der Türkei/Syrien, jeweils verbunden mit dem Totalausfall der Stromversorgung. Was Physiker nicht verwundert: Energiespeicherung in flüssiger Form hat bis dato den höchsten Grad an Speicher-Effizienz und Versorgungssicherheit.
Dr. Helmut Becker war Mitglied des Sachverständigenrates („Fünf Weise“), begleitete 24 Jahre als Chefvolkswirt den Expansionskurs der BMW AG und war Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Business Economists (VDBE). Heute berät er „mit den Kenntnissen eines Insiders und der Denke eines Outsiders“ mit dem Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation (IWK) über Analysen, Prognosen, Vorträge und Seminare Unternehmen, Banken, Dienstleister in strategischen, gesamtwirtschaftlichen, wirtschaftspolitischen und automobilspezifischen Fragen. iwk-muenchen.de
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