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Mittelstand in der Energieklemme: Was ein Bäcker fordert
Marc Kranz ist Hauptgeschäftsführer der Familienbäckerei Die Lohner in Polch in Rheinland-Pfalz. Die steigenden Energiekosten treffen das Traditionshaus heftig. Dabei tut das Unternehmen, was es kann: Produktionsprozesse werden hinterfragt und automatisiert, man investiert in erneuerbare Energien, plant mit Partnern einen Windpark, prüft eine Biogasanlage, nutzt PV-Anlagen. Doch Kranz beklagt vor allem eines: Fehlende Planungssicherheit.
Herr Kranz, warum fordern Sie Planungssicherheit in der Energieversorgung?
Marc Kranz: Energie ist für uns überlebenswichtig. Denn wir sind eine klassische Bäckerei, der es als Familienunternehmen gelungen ist, die Handwerkstradition über mehr als hundert Jahre bis in die Gegenwart zu führen, während die Ansprüche der Kunden an Vielfalt und Verfügbarkeit, Qualität und Preis der Produkte in einem wettbewerbsintensiven Umfeld gewachsen sind. Und wir als lokales Handwerksunternehmen können im Vergleich zur Industrie eben nicht im Ausland günstiger fertigen.
Wie kann in einem solch kompetitiven Umfeld eine Familienbäckerei bestehen?
Wir bestehen als Familienbäckerei in unserer Heimatregion, weil wir seit Generationen als Unternehmer im Mittelstand Verantwortung wahrnehmen. Wir backen und liefern Produkte, wie sie unsere Kunden verlangen. Wir unternehmen alles, um das richtige Personal am richtigen Ort zu haben und investieren deshalb in die adäquate Ausbildung und eine faire Bezahlung. Wir optimieren unsere Herstellungsprozesse, – auch in Verantwortung gegenüber Klima und Umwelt. Wir streben nach einer soliden Unternehmensgröße, die unseren Kunden und Mitarbeitern mit einem zeitgemäßen Produktangebot und sicheren Arbeitsplätzen auch außerhalb der Metropolen ein Leben ermöglicht, wie wir es alle heute erwarten. Und wir übernehmen Verantwortung, indem wir mit der Familienstiftung eine zeitgemäße Unternehmensform gefunden haben. Die Gründerfamilie hat den Traditionsbetrieb nicht an einen industriellen Wettbewerber oder einen Kapitalinvestor verkauft, sondern betreibt ihn in einer Form weiter, der den Herausforderungen der Zeit angemessen ist, weil sie zweierlei verbindet: Die klassischen Eigentümer und eine zeitgemäße Managementform.
„In der Summe eine Kostensteigerung, die man nicht einfach ausgleichen kann“
Woher kommen Sie beruflich, Herr Kranz, und warum gingen Sie ins Bäckerhandwerk?
Ich glaube an den Mittelstand und die soziale Marktwirtschaft. Ich selbst habe in einem mittelständischen Unternehmen gelernt, war dann über Jahre erfolgreich in der Industrie tätig und habe mich bewusst für das mittelständische Handwerk entschieden, denn der Mittelstand ist agil und entscheidungsfreudig. Vor allem aber überzeugt mich sein Wertekanon. Ohne ihn wäre unser Land ärmer und sozial kälter.
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Bringt denn die gegenwärtige wirtschaftliche Lage mit steigenden Preisen den Betrieb und seine Mitarbeiter in Gefahr?
Eine Gefahr für einen mittelständischen Betreib wie unseren und seine Mitarbeiter geht von den steigenden Preisen aus. Die Energiepreise haben an den Spotmärkten schon mehrfach einen Punkt erreicht, an dem es vor allem für kleinere Bäckereien und auch solche mit mehr als einem Dutzend Filialen in der Langfristperspektive sehr kritisch wurde.
Warum sind die steigenden Energiepreise besonders bedrohlich?
Die wesentlichen Herausforderungen in der Kostenstruktur sind die Personalkosten, die Einkaufspreise und die Energiepreise. Die Personalkosten lasse ich einmal außen vor. Die Energiepreise sind um etwa 70 Prozent gestiegen im Jahr 2022 gegenüber 2021. Die Einkaufspreise sind im gleichen Zeitraum um etwa 30 Prozent gestiegen. In der Summe ist das für uns eine Kostensteigerung, die man nicht einfach ausgleichen kann.
Aber können Sie denn Energie- und Einkaufspreise trennen? Denn Ihre Zulieferer benötigen doch auch Energie. Ist diese Rechnung also nicht zu einfach?
Die Rechnung ist in ihrer Gesamtheit kompliziert. Denn unsere Zulieferer benötigen auch Energie, um Mehl, Hefe, Zucker, Früchte, Eier und andere Vorprodukte herzustellen und physisch in unsere Backstube zu liefern. An zwei Beispielen will ich verdeutlichen, wie komplex die Preise von Energie und anderen Gütern die Preise in unserem Einkauf beeinflussen: Der Preis für Eier hat sich nahezu verdoppelt und ist aktuell in Bezug auf die physische Versorgung so kritisch wie nie. Grund dafür ist eine Verknappung des Angebots durch konsequentes Handeln der Legehennenhalter. Wegen explodierender Kosten für Futter und Energie haben diese ihre Bestände reduziert.
Der Preis für Reinigungsmittel ist explodiert – einer der Gründe hier ist die Mangellage an Sodium Hydroxid, umgangssprachlich auch Lauge genannt. Grund ist hier ebenfalls die Verknappung des Angebotes, durch Schließung oder Drosselung von Produktionskapazitäten, weil die Kosten für elektrische Energie so stark gestiegen sind. Hier könnte ich Stunden weitermachen…
Die Lohner ist Mitglied bei „German Erfolgsmaschine“, ein Appell von Vertretern des Deutschen Mittelstandes an Politik und Gesellschaft. Die Initiative aus den Reihen der Mitglieder des Wirtschaftsrats Deutschland fordert: Mehr Schub für den Mittelstand! Damit der Deutsche Mittelstand eine Erfolgsmaschine bleibt, werden Thesen und Forderungen über Unternehmerinnen und Unternehmer an die Politik, Medien und an die Bevölkerung adressiert. Das Ziel ist, Einfluss auf Politik und Gesellschaft für die Zukunftsfähigkeit des Deutschen Mittelstandes und somit für den Wohlstand in unserem Land zu nehmen. Mehr dazu
Was tun Sie als verantwortlich handelnder Mittelständler in dieser herausfordernden Situation?
In dieser herausfordernden Lage müssen wir als mittelständischer Handwerksbetrieb erklären und investieren. Wir erklären unseren Kunden, warum wir die Preise aus guten Gründen anheben müssen und dass wir absolut keine Kompromisse an unserer Produktqualität zulassen. Mit Transparenz und Ehrlichkeit schaffen wir Verständnis. Zugleich müssen wir unsere Effizienz heben in der Produktion und insbesondere in der Energieverwendung. Das heißt: Wir hinterfragen unsere Produktionsprozesse und automatisieren, wo das möglich ist. Allerdings gibt es eine Grenze: Die Qualität. Bei der Produktqualität gibt es keine Kompromisse. Im Handwerk arbeiten weiterhin Menschen, und natürliche Prozesse – wie die Teigruhe, welche die Enzymatik im Teig wesentlich fördert – brauchen ihre Zeit und eine bestimmte, konstante Temperatur. Die Bereitstellung dieser Temperatur erfordert wiederum Energie.
Und wie schaffen Sie Energiesicherheit?
Wir schaffen uns Versorgungssicherheit durch Investitionen in erneuerbare Energien. Wir diskutieren eine Kooperation mit Partnern in einen Windpark. Aber es dauert bestimmt fünf Jahre, bis von dort Strom fließen wird. Und wir arbeiten an Szenarien für eine Biogasanlage. Glücklicherweise haben wir schon viel getan: Unsere PV-Anlagen liefern uns ca. 400.000 kW/h p.a. und die Wärmerückgewinnung leistet eine Reduzierung des Gasbedarfes pro produziertem Stück von ca. 7%! Die Wärme gewinnen wir aus drei Quellen: der Kältetechnik, der Zugabe von Wasserdampf während des Backprozesses und dem Rauchgas der Brenner.
Um Versorgungsicherheit zu schaffen, brauchen Sie auch Planungssicherheit. Haben Sie diese?
Um Versorgungsicherheit zu schaffen, brauche ich Planungssicherheit. Ich muss wissen, nach welcher Regulatorik ich künftig Energieanlagen errichten und betreiben darf, aber auch zu welchen Preisen ich welche Energie wo kaufen und verkaufen kann. Genau diese Daten fehlen aber!
„Ich verliere Vertrauen in die Politik“
Welche Daten fehlen genau?
Ich muss zum Beispiel wissen, welche Energieart wird bis 2030 in welcher Menge zu welchem Preis angeboten? Welches Delta klafft? Wie kann ich die Lücke unter welchen Bedingungen schließen?
Wer ist Ihnen diese Antwort schuldig?
Ich möchte keinem einzelnen die Schuld zuweisen an dem Defizit an Planungssicherheit. Ich kann die Lösung nicht allein von der Politik verlangen, sondern es muss ein Zusammenspiel von uns allen sein. Wir alle sind gefordert, auch das ist soziale Marktwirtschaft. Ich sehe eine „allgemeine Verpflichtung“, sich mit dem Thema zu befassen. Dennoch steht die Politik in der Verantwortung – im Bund, in den Ländern, in den Regionen, in den Kreisen und Kommunen. Die Politik muss uns die nötigen Rahmenbedingungen planungssicher vorgeben.
Was passiert, wenn die Sicherheit fehlt?
Denn wenn der Wirtschaft die Planungssicherheit vor allem auch in der Energieversorgung fehlt, dann fehlen Vertrauen und Zukunft, denn Vertrauen ist die Basis von Zukunft. Als der Ausstieg aus der Kernkraft vollzogen wurde, war ich dafür. Jetzt zweifele ich daran, dass diese Entscheidung richtig war. Ich habe damals den Politikern vertraut, dass sie den komplexen Sachverhalt zu Ende gedacht haben. Das haben sie aber offenkundig nicht getan. Ich verliere Vertrauen in die Politik. Ich muss aber Vertrauen können, sonst kann ich keine Entscheidungen für die Zukunft treffen.
Wollen Sie den Laden dicht machen oder die Tradition fortsetzen?
Selbstverständlich will ich, dass wir eine Zukunft haben. Für mich als Unternehmer, der sich bewusst für die Arbeit im mittelständischen Familienbetrieb entschieden hat, ist aufzugeben keine Option. Wir tragen Verantwortung für unsere Kunden und unsere Mitarbeiter, sowie für qualitativ hochwertige Lebensmittel. Alles zusammen macht schließlich die Qualität unserer Region aus. Aber wir erwarten auch, dass die Politik die Sorgen unserer Region, der Menschen und ihrer mittelständischen Wirtschaft erst nimmt.
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