Social Media: Was mittelständische Führungskräfte von Herbert Diess lernen können

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Über vier Jahre war Herbert Diess an der Spitze des Volkswagenkonzerns. In dieser Zeit entwickelte er sich zum erfolgreichsten Kommunikator unter Deutschlands CEOs auf Social Media. Sein Erfolgsrezept: klarer Fokus, aktuelle und authentische Inhalte sowie ein hohes kommunikatives Verständnis. Diesen Ansatz können auch Führungskräfte im Mittelstand nutzen, um Marke, Vertrieb oder Bewerber-Pool zu stärken.

von Timm Rotter

Was haben US-Schauspieler Michael J. Fox und der frühere VW-Chef Herbert Diess gemeinsam? Es ist das wohl prägnanteste Bild, das beide im kollektiven Gedächtnis hinterlassen. Beim „Zurück in die Zukunft“-Star waren es die cineastischen Ritte auf dem Hoverboard, die heute Kultstatus haben. Bei Diess eine ähnlich anmutende Performance auf einem E-Surfbrett.

Worin sich die beiden in diesem Kontext unterscheiden, ist die mediale Sichtbarkeit. Während Fox einst lange warten musste, bis der nächste Film in die Kinos kam, kann sich Diess quasi in Echtzeit in die heutigen Massenmedien beamen. Vor allem dank LinkedIn, wo das angesprochene Video auch seine Filmpremiere hatte.

Herbert Diess, der seit Februar 2023 als Aufsichtsratschef beim Chiphersteller Infineon tätig ist, hat das Business-Netzwerk wie kein anderer deutscher CEO verstanden und für seine Zwecke zu nutzen gewusst. Im folgenden Beitrag gehe ich auf vier Punkte ein, die mittelständische Führungskräfte von Diess lernen können.

1. Direkter Business-Impact

Herbert Diess hat die LinkedIn vor allem dafür eingesetzt, seine Sicht auf die strategische Ausrichtung von VW ungefiltert zu vermitteln. Um den Fokus auf die von ihm stark propagierte E-Mobilität zu stärken, riet er einmal sogar indirekt vom Kauf eines Verbrenners ab und rechnete vor, wie teuer die entsprechenden VW-Modelle sind. 30 Minuten nach seinem LinkedIn-Post war die Nachricht Top-Meldung bei Spiegel Online. Schneller ist keine Pressemitteilung.

„LinkedIn ist für mich nicht nur ein kommunikatives Medium, es ist längst auch ein Management-Tool“ – Herbert Diess

Langfristig stellt sich die Frage, wie sehr Executives die klassischen Medien überhaupt noch brauchen: Schon heute hat LinkedIn mit 12,9 Millionen aktiven Nutzern pro Monat in Deutschland mehr Reichweite als die Tagesschau (Ø 11,7 Mio. Zuschauer pro Sendung). Ganz zu schweigen von einer „scheinbar“ so großen Zeitung wie der FAZ (Ø 940.000 Leser pro Ausgabe).

Diess’ Forderungen zur Bundestagswahl 2021 waren weniger produktbezogen als die E-Auto-Werbung von oben, sondern eher lobbyistischer Natur: „Wir wünschen uns, dass folgende zehn Punkte in die Verhandlungen mit einfließen“, erklärte er in einem Post. Solche Inhalte lösen natürlich keine Lobbyarbeit ab, aber sie flankieren diese und verankern die Botschaften im kollektiven Gedächtnis. Denn was (theoretisch) 12,9 Millionen Menschen lesen können, hat mehr Gewicht als das, was nur in Hinterzimmern diskutiert wird.

Fakt ist: LinkedIn hat einen direkten Business-Impact. Das sehen wir als Kommunikationsagentur in immer mehr Projekten, bei denen wir helfen, Corporate Ambassadors zu positionieren: Sei es bei der strategischen Positionierung, im Vertrieb, beim Recruiting oder im Dialog mit Kunden.

2. Das größte Intranet der Welt

Herbert Diess hat auch verstanden, dass soziale Netzwerke nicht nur externe Kanäle sind. Unternehmen wie auch Führungskräfte senden hier auch ganz stark nach innen. Bei vielen Profilen kommen 30 bis 50 Prozent der aktiven Follower aus den eigenen Reihen. „Früher hat man eine Woche auf Feedback gewartet, heute bekomme ich Feedback sofort und ungefiltert”, sagte Diess einmal. „Und an den gestellten Fragen sehe ich sofort, ob verstanden wurde, was ich gesagt habe.“ Ein Top-Manager, den wir mit In A Nutshell betreuen, bestätigt das:

„Natürlich kann ich auch eine Stellungnahme ins Intranet setzen lassen. Aber ganz ehrlich: Wer liest das? Auf LinkedIn habe ich das Fünffache an Reichweite.“

Autor Timm Rotter ist Gründer und Geschäftsführer der Münchner Kommunikationsagentur In A Nutshell. In Zusammenarbeit mit der LMU München und DDW arbeitet die Agentur gerade an einer repräsentativen Studie zur LinkedIn-Nutzung im deutschen Mittelstand

Bei den Reaktionen schneidet das Business-Netzwerk sogar noch besser ab: In offiziellen Kanälen wie dem firmeneigenen Intranet tun sich viele Mitarbeitende schwer, zu liken oder zu kommentieren. Bei LinkedIn hingegen gehen sie viel öfter in den Dialog und geben substanzielles Feedback – etwa über persönliche Direktnachrichten.

Auch als Vorbild hat Herbert Diess nach innen gewirkt. Wir stellen in diversen Agenturprojekten fest: Wenn Top Executives sich aktiv in Social Media einbringen, steigt die Bereitschaft von Mitarbeitenden, ebenfalls berufliche Inhalte auf LinkedIn, Twitter und Instagram zu posten.

Oder in anderen Worten: Ohne „Social CEO“ ist eine Corporate-Ambassador-Kultur schwer zu erreichen.

3. Stärkung der Mitarbeiterbindung

LinkedIn ist auch schon lange als effektives Recruiting-Tool bekannt. Wer über Corporate Ambassadors persönliche Geschichten aus dem Unternehmen erzählt und zugleich passende Job-Ads schaltet, tut sich im Kampf um Talente deutlich leichter als der Wettbewerb.

Auch die Mitarbeiterbindung lässt sich über die Business-Plattform unterstützen. Daher widmete sich Diess, der sich regelmäßig selbst in Diskussionen unter seinen Posts eingebracht hat, dort auch vor allem „seinen“ Leuten. Bestes Beispiel war dieser Beitrag: Eric Wurzel, Mitarbeiter aus der VW-Logistik, bekam eine Antwort – Star-Investor Frank Thelen nicht.

Ein weiterer Punkt ist die Stärkung des Community-Gefühls: Bei einem Finanzkunden haben wir eine sehr erfolgreiche interne Charity-Aktion kommunikativ begleitet. Das Unternehmen hatte intern dazu aufgerufen, in der Pandemie für den guten Zweck joggen zu gehen – pro Kilometer gab es einen Euro Spende. Die Challenge wurde von Beginn an mit Selfies und Minivideos der Kollegen auf LinkedIn begleitet. Einige Top-Manager liefen selbst mit und verteilten zudem fleißig Lob und Likes. Bei der abschließenden Umfrage kam heraus, dass gerade diese Form des digitalen Community Buildings Teilhabe und Spaß massiv gesteigert haben.

Um es in der Social-Media-Sprache zu sagen: #DerStarIstDasTeam.

4. Do it yourself

Wir haben im Rahmen unseres laufenden Social-CEO-Monitorings die Followerzahlen der DAX-Leader verfolgt. Hier die Zahlen bis zu Diess’ Demission. Sie zeigen, wie sehr er seine Peergroup abgehängt hat:

Die Gründe für Diess’ Erfolg:

  1. Er war sehr aktiv: In manchen Monaten postete er jeden zweiten Tag. Laut den Zahlen unseres Monitorings waren das 50 Prozent mehr als der Durchschnitt. Von seinen Dax-Peers war im analysierten Zeitraum nur Ola Källenius von Mercedes noch aktiver. Twitter nutzte Herbert Diess übrigens auch, aber eher als Zubringer für seine LinkedIn-Posts.
  2. Herbert Diess brachte sich selbst sehr stark ein: Jeden Montag saß er bis zu zwei Stunden mit seinem Kommunikationsteam zusammen und plante neue Storys, fotografierte Selfies und stellte sich Fragen und Kritik in den Kommentaren. Im medienrot-Podcast betont Michael Manske, Diess’ früherer Head of CEO & Digital Communications bei VW: Jeder Post, jeder Kommentar sei von Diess freigegeben worden. Auch habe er immer wieder proaktiv eigene Themen vorgeschlagen. „Dieses persönliche Engagement wird von der Social Media Community honoriert“, resümiert Manske.

Entsprechend hoch war die Engagement Rate (Anteil der User, die liken, teilen oder kommentieren bezogen auf alle User, die einen Inhalt sehen) unter seinen Posts. Gerade 2021, also bevor sich sein Abgang bei VW konkretisierte, lag diese wichtigste KPI in manchen Monaten bei über 20 Prozent.

Zum Vergleich: Corporate-Seiten von DAX-Unternehmen kamen im gleichen Zeitraum im Schnitt auf 1,4 Prozent Engagement.

LinkedIn – eine große Chance für den deutschen Mittelstand

Das Beispiel von Herbert Diess verdeutlicht eindrucksvoll, welche Potenziale sich aus LinkedIn für Führungskräfte ergeben. Ausgestattet mit einer individuellen Kommunikationsstrategie haben Manager und Managerinnen hier die Möglichkeit, das eigene Profil zu schärfen, die Mitarbeiterschaft an sich zu binden und den Vertrieb wie auch das Image des Unternehmens nachhaltig zu stärken. Denn, um mit Diess zu sprechen: Es geht um Business, um Management – nicht um Marketing.

Viele Unternehmen erkennen diese Potenziale – schöpfen sie aber noch nicht aus. Wir als Kommunikationsagentur unterstützen diverse Konzerne und KMU dabei, genau das zu ändern. Wir setzen in unserer täglichen Arbeit die Hebel dort an, wo sie direkt Wirkung zeigen. Welche Strahlkraft LinkedIn haben kann, werden wir (Anm. d. Red: das als kleiner Spoiler an dieser Stelle) noch dieses Jahr in Zusammenarbeit mit der Ludwig -Maximilians-Universität München und DDW in einer repräsentativen Studie zur LinkedIn-Nutzung im deutschen Mittelstand veröffentlichen. Seien Sie gespannt!

Mehr zum Thema:

Timm Rotter ist Gründer und Geschäftsführer der Münchner Kommunikationsagentur In A Nutshell. Wenn Sie mehr über Führungskräfte-Positionierung erfahren wollen, schreiben Sie ihm gerne auf LinkedIn oder besuchen Sie die In A Nutshell-Website.

Bild ganz oben: Volkswagen AG

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