Ausländische Steuerstandorte weiter im Vorteil – auch für Arbeitnehmer

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Empirische Studien zeigen, dass die eigene Besteuerung für die Migrationsentscheidung von Arbeitnehmern ein wichtiger Faktor sein kann. Durch die zunehmende Mobilität und neue Arbeitsmodelle werden sich Unternehmen vermehrt mit den Fragestellungen und Fallstricken grenzüberschreitender Besteuerung auseinandersetzen müssen.

Familienunternehmen sind typischerweise stark an ihrem Standort verankert. Sie können daher ihre Steuerzahlungen nicht so smart optimieren wie zum Beispiel Großkonzerne der Digitalbranche. Gleichzeitig erleiden sie aber die Nachteile durch die komplexen Vorschriften, die den Steuerwettbewerb der Staaten eindämmen sollen.

Diesen Zusammenhang hat die Stiftung Familienunternehmen zum zweiten Mal seit 2018 untersuchen lassen. Die Forscher des ZEW Mannheim rund um Professor Christoph Spengel kommen zu folgendem Ergebnis: Der Steuerwettbewerb hat sich abgeschwächt. Bestimmte Instrumente gegen die Gewinnverlagerung wirken. Das führt aber bisher nicht zu einer Angleichung der Steuersätze auf niedrigerem Niveau.

Professor Rainer Kirchdörfer ist Vorstand der Stiftung Familienunternehmen

Bei der Steuerlast rangiert Deutschland laut Länderindex der Stiftung Familienunternehmen auf dem vorletzten Platz von 21 OECD-Ländern. So stellt sich für viele Familienunternehmen zunehmend die Frage, ob sie nicht vermehrt an steuerlich interessanten Standorten investieren sollten. Der Anreiz gilt auch für ihre zunehmend mobilen Arbeitnehmer, die den Weg in günstige Steuerstandorte suchen könnten, so Spengel.

Professor Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen: „Es zeigt sich wieder einmal: Vor allem steuerlich bleibt der Standort Deutschland teuer. Sollte sich der Steuerwettbewerb auf die Einkommensteuer der Mitarbeiter verlagern, haben wir es im Ringen um hochqualifizierte Fachkräfte künftig noch schwerer.“

Kritische Bewertung der Steuerharmonisierung

Zum Hintergrund: Es gehört zum Wettbewerb, dass Staaten für ihren Standort mit einer geringeren Besteuerung des Unternehmensgewinns werben. Dieser Wettbewerb kann disziplinierend wirken auf die jeweilige Fiskalpolitik. Er kann aber auch in eine ruinöse Abwärtsspirale führen – und in eine Kette von Gewinnverlagerung durch die Unternehmen. Dies wiederum erzeugt Gegenmaßnahmen der Staaten sowie umfangreiche Transparenz- und Berichtspflichten. Die internationale Gemeinschaft (EU, OECD) betreibt wegen dieser Ineffizienzen mit verschiedenen Instrumenten eine Harmonisierung der Steuersysteme. Aber sind diese zielführend?

  • Die Anti Tax Avoidance Directive (ATAD) hat das Potential, Gewinnverlagerungen einzudämmen, wird in der EU aber unterschiedlich umgesetzt. Es bestehen also Spielräume, sich weiter von teuren Standorten wie Deutschland abzugrenzen, so Spengel.
  • Die Transparenzpflichten aus dem Country-by-country-reporting (CbCR) haben zwar die Gewinnverlagerungen etwas reduziert. Aber die Kosten-Nutzen-Relation erscheint unverhältnismäßig. Die Finanzbehörden sehen sich von der Datenflut überfordert. Die breite Öffentlichkeit zeigt kein Interesse. Demnach sei eine vertrauliche Übermittlung der Daten an die Behörden ausreichend, so die Forscher.
  • Auch das so genannte Zwei-Säulen-Modell der OECD ist kritisch zu sehen. Die Säule 1 (Anpassung der Steuersysteme an digitale Geschäftsmodelle) spielt wegen hoher Umsatzgrenzen für die meisten Familienunternehmen keine Rolle. Säule 2 (Einführung einer globalen Mindeststeuer) dagegen teilweise schon. Zwar könnte sie Gewinnverlagerungen reduzieren. Doch der Preis ist eine enorme Komplexität der Regelungen – und damit hoher Befolgungsaufwand auf Seiten der Unternehmen.

Einkommensteuer-Sonderregimes halten Einzug

Durch die zunehmende Fülle an koordinierten Gegenmaßnahmen zur Eindämmung des Steuerwettbewerbs bei Unternehmenssteuern ist der Spielraum deutlich eingeschränkt. Als Folge weichen Gesetzgeber verstärkt auf zielgerichtete Maßnahmen aus, die auf bestimmte Tätigkeiten wie F&E und hochmobile immaterielle Wirtschaftsgüter abzielen. Einzelne Staaten haben dabei eine weitere Möglichkeit gefunden, um ihre steuerliche Attraktivität zu erhöhen. Anstatt Steuern direkt auf der Ebene des Unternehmens zu senken, wird an die Besteuerung von Individuen angeknüpft. Insbesondere für personalintensive Branchen und Unternehmen könnte dies eine Verlagerung des Steuerwettbewerbs von der Unternehmens- hin zur Arbeitnehmerebene bedeuten.

Die Studie „Vom Steuerwettbewerb zur koordinierten globalen Unternehmensbesteuerung?“ der Stiftung Familienunternehmen und des ZEW Mannheim kann hier heruntergeladen werden

Die zunehmende Einführung von einkommensteuerlichen Präferenzregimen erhöht den Druck auf andere Staaten, in diese Art des Steuerwettbewerbs einzusteigen. Hierbei besteht die Gefahr, dass die reduzierten Steuersätze für Hochqualifizierte und Hochverdienende mit höheren Steuersätzen für durchschnittliche Arbeitnehmer kompensiert werden. Neben der Gefahr für das Steueraufkommen könnte sich die Entwicklung auch auf Arbeitsmärkte auswirken. Insbesondere im IT-Bereich hat sich das Home-Office etabliert, wodurch Fachkräfte in der Branche hochmobil sind. Gleichzeitig sollen gerade solche hochqualifizierten Arbeitskräfte mit einkommensteuerlichen Präferenzregimen geködert werden. Beispielsweise die Systeme in Belgien, den Niederlanden oder Finnland zielen speziell auf Arbeitnehmer
mit besonderen Fähigkeiten ab, die auf dem nationalen Arbeitsmarkt schwierig zu finden sind. In der Liste der begünstigten Berufe des portugiesischen Regimes sind IT-Spezialisten explizit gelistet. Steuerliche Sonderregime können damit genutzt werden, um gezielt die Anziehungskraft für diese Berufsgruppe zu erhöhen.

Betroffenheit von deutschen Familienunternehmen durch Steuerwettbewerb in der Zukunft

Einkommen in Deutschland sind vergleichsweise hoch belastet. 2021 lag die Steuer- und Abgabenbelastung für einen durchschnittlich verdienenden alleinstehenden Arbeitnehmer in Deutschland bei 37,7 Prozent. Dies liegt deutlich über dem OECD-Durchschnitt von 24,6 Prozent und dem europaweiten Durchschnitt von 28,7 Prozent. Auch bei Besserverdienern zeigt sich ein vergleichbares Bild (42,6 Prozent Steuer- und Abgabenbelastung in Deutschland im Vergleich zu 29,8 Prozent im OCED beziehungsweise 34,2 Prozent im EU-Durchschnitt). Gleichzeitig bieten die Nachbarländer Dänemark, Österreich, Belgien, Frankreich, Luxemburg, und die Niederlande Einkommensteuer-Sonderregime an.

Hochbesteuernde Länder wie Deutschland, die keine solchen Begünstigungen anbieten, sind dadurch im Wettbewerb um hochmobile Fachkräfte tendenziell benachteiligt. Familienunternehmen, die verstärkt auf regional angesiedeltes Personal und enge lokale Kooperationen setzen, müssen diesen Nachteil im Zweifel durch höhere Gehälter kompensieren, um ihren Bedarf weiter decken zu können. Anstatt selbst ein einkommensteuerliches Präferenzregime zu etablieren, sollte Deutschland sich bemühen, auf internationaler Ebene auf eine koordinierte Begrenzung dieses Trends hinzuwirken.

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Die gemeinnützige Stiftung Familienunternehmen ist der bedeutendste Förderer wissenschaftlicher Forschung rund um Familienunternehmen. Sie ist Ansprechpartner für Politik und Medien in wirtschaftspolitischen, rechtlichen und steuerlichen Fragestellungen. Die 2002 gegründete Stiftung wird mittlerweile getragen von über 500 Firmen aus dem Kreis der größeren deutschen Familienunternehmen. www.familienunternehmen.de

Bild ganz oben: Imago

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