Stehen Deutschlands Kleinunternehmer am Rande der Insolvenz?

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Über wenig wurde mit steigender Inflationsrate so viel gesprochen, wie über die drohende Pleitewelle bei den Bäckern und anderen Kleinunternehmern. Kaum war die Pandemie einigermaßen überstanden, sorgten Inflation und galoppierende Energiekosten für die nächste Krise. Eine Umfrage unter Deutschlands Kleinunternehmern hat ermittelt, was die größten Herausforderungen zurzeit und in der Zukunft darstellen.

Die Umfrage des Finanzdienstleisters Lowell Gruppe wurde im März 2023 durchgeführt. Es wurden 250 Kleinunternehmer befragt, die mindestens einen stationären Geschäftssitz in Deutschland haben. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass besonders das Insolvenzrisiko und das sich ändernde Kaufverhalten von Kunden ein großes Thema sind. 70 % der Geschäftsinhaber setzen sich konkret mit dem Thema Insolvenz auseinander und fast jeder Zehnte gibt an, das Risiko einer Insolvenz sei tatsächlich sehr hoch.

Die Auswirkung der Inflation

Nach der Hauptursache für die Angst vor einer Zahlungsunfähigkeit muss man nicht lange suchen. Eine der größten Herausforderungen für Kleinunternehmer in Deutschland ist der anhaltende Anstieg der Inflation. Da Preise von Waren in vielen Fällen steigen, wird es für kleine Unternehmen immer schwieriger, ihre Gewinnmargen zu halten. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die auf importierte Waren oder Rohstoffe angewiesen sind, da die Kosten für diese Artikel in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind.

Um dieser Herausforderung zu begegnen, geben 32 % der Kleinunternehmer an, dass sie die Preise erhöhen müssen, um ihre Gewinne gewährleisten zu können, wodurch es schwieriger werden könnte, neue Kunden zu gewinnen und bestehende Kunden zu halten. Da die steigenden Kosten auch auf die Konsumbereitschaft der Kunden drücken, ist eine Weitergabe der Kosten an den Verbraucher für diese Unternehmen keine Option. Jedes fünfte befragte Unternehmen spürt bereits eine deutliche Konsumzurückhaltung und sogar den Verzicht auf bestimmtes Einkaufsverhalten in den vergangenen 12 Monaten. Viele Kleinunternehmer (45 %) sehen daher keine Möglichkeit, die gestiegenen Kosten durch die Inflation anderweitig zu kompensieren.

Ein Drittel (33 %) hat vor allem die steigenden Strom- und Gaskosten als Kern allen Übels identifiziert. Aber auch der Personalmangel und die steigenden Personalkosten sieht immerhin ein knappes Viertel der Befragten (24 %) als schwerwiegendes Problem und Ursache einer drohenden Insolvenz.

Während viele Unternehmen in der Pandemie auf Hilfe vom Staat zählen konnten, um wenigstens die Fixkosten zu decken, stehen viele nun vor dem Problem, neben den gestiegenen Energie- und Rohstoffpreisen auch die Staatshilfen bis Sommer 2023 zurückzahlen zu müssen. Dass das besonders Kleinunternehmern Sorgen bereitet, spiegelt sich auch im Anstieg der Google Suchanfragen nach „Zuschüsse für kleine Unternehmen“ (+100 %) wider.

Die Ergebnisse im Einzelnen:

Energiekosten

Eine große Herausforderung für Kleinunternehmer sind die steigenden Fixkosten, wie Strom und Gas, was sich negativ auf den Gewinn auswirkt. Tatsächlich geben 33 % der Befragten diese Herausforderung als ihre größte an.

Um diesem Problem entgegenzuwirken, suchen einige Kleinunternehmer nach Möglichkeiten, ihren Energieverbrauch zu senken – dazu gehören Investitionen in energieeffiziente Geräte oder auch neue Abläufe, die dabei helfen, Energie einzusparen. Andere suchen nach alternativen Anbietern, die wettbewerbsfähigere Tarife anbieten – insgesamt planen 24 % der befragten Unternehmen Kostensparmaßnahmen, wie das Wechseln von Dienstleistern.

Mitarbeiterbindung

Mitarbeiter zu finden und zu halten, ist auch für Kleinunternehmer in Deutschland ein großes Problem und 24 % der Befragten nennen dies als ihre größte Herausforderung. Angesichts niedriger Arbeitslosenquoten und des hohen Wettbewerbs, um talentierte und qualifizierte Arbeiter kann es für kleine Unternehmen schwierig sein, geeignete Arbeitskräfte zu finden und diese dann auch zu halten.

Um diesem Problem entgegenzuwirken, bieten einige Kleinunternehmer wettbewerbsfähigere Gehälter und Zusatzleistungen an, während andere in die Schulung und Entwicklung ihrer Mitarbeiter investieren, um so ihren Mitarbeitern zu helfen, neue Fähigkeiten zu erlernen.

Auch die geistige und körperliche Gesundheit der Inhaber, als auch der Mitarbeiter bereitet Sorgen. Ganze 40 % der Befragten geben an, dass die Kosten für Gesundheitsversorgung und damit verbundenen Ausgaben ihnen zu schaffen machen. 28 % geben an, dass sie hauptsächlich durch die Verantwortung für den Erfolg des Unternehmens auf die Probe gesetzt werden.

Kundschaft

Die Auswirkungen der Inflation macht sich besonders im Hinblick auf das Kaufverhalten der Kunden bemerkbar. Tatsächlich befürchten 42 % der Befragten, dass die Kunden im Jahr 2023 weniger ausgeben werden als in den Vorjahren.

Darüber hinaus haben 40 % Sorge, Kunden zu verlieren, während 33 % befürchten, dass Kunden anfangen werden, von der Konkurrenz zu kaufen.

Besonders junge Unternehmen, die bis zu vier Jahre bestehen, bereitet das sich ändernde Kaufverhalten ihrer Kunden (30 %) große Zukunftssorgen, doch auch 60 % der etablierten Unternehmen (9 bis 10 Jahre aktiv) sehen sich vor dem Problem, dass Kunden abspringen könnten.

Um dieses Problem zu umgehen, könnten Unternehmer in Betracht ziehen, den Fokus weiter auf den Kundenservice zu legen und vor allem mit hochwertigen Produkten und Dienstleistungen zu punkten, um sich so von Konkurrenten abzuheben.

Wachstum und Herausforderungen

Trotz der Herausforderung durch Krise und Inflation wachsen viele kleine Unternehmen in Deutschland auch weiterhin. So berichten 38 % der Befragten von einem Anstieg bei der Anzahl ihrer Kunden in den letzten 12 Monaten. Demgegenüber sind es nur – aber zugleich immerhin – etwa 20 %, die von einem Rückgang der Kundenzahl sprechen. Davon geben 51 % an, dass dieser Abgang von Kunden aufgrund der erhöhten Lebenshaltungskosten zustande kommt; Kunden können sich die Produkte oder Dienstleistungen schlichtweg nicht mehr leisten.

Eine der größten Sorgen für Kleinunternehmer ist ihr Insolvenzrisiko. Tatsächlich sind 70 % der Befragten bezüglich ihres Insolvenzrisikos, wobei besorgniserregende 7 % befürchten, dass sie stark gefährdet sind. Die Mehrheit der Befragten (25 %) glaubt jedoch, dass sie nur ein moderates Insolvenzrisiko haben, während 28 % angeben, dass sie lediglich ein geringes Risiko haben.

Johan Agerman, Geschäftsführer der Lowell Gruppe in der DACH-Region, kommentiert die Umfrageergebnisse: „Es ist abzusehen, dass die Inflation die Kosten auch in den kommenden Jahren weiter antreiben werden. Unternehmen sind daher gut beraten, auch über die Professionalisierung ihres Forderungsmanagements nachzudenken, um offene Posten schneller zu realisieren. Für Konsumenten andererseits ist es sicher sinnvoll, die eigenen Ausgaben gründlich zu planen.“

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