![](https://ddwcdn.b-cdn.net/wp-content/uploads/2023/05/michael-oelmann-tv-studio.jpg)
„Es herrscht Dynamik“
Medien, Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Institutionen nutzen die Unternehmensrankings von DDW – wie das Magazin „Markt und Mittelstand“, das für seine Auszeichnung „Die besten Mittelständler“ auf Daten auf das Mittelstandsranking zurückgreift. Im Gespräch mit dessen Chefredakteur Thorsten Giersch beschreibt DDW-Herausgeber Michael Oelmann Entwicklungen im Ranking.
Das Interview erschien in der aktuellen Ausgabe von Markt und Mittelstand.
Welche Kennzahlen sind für Ihre Liste der 10.000 wichtigsten Mittelstandsunternehmen entscheidend?
Michael Oelmann: Der Umsatz hat das größte Gewicht bei der Frage, ob ein Unternehmen in das Ranking kommt und wo es steht. Aber die Bedeutung eines Unternehmens als Marktakteur – und letztlich auch seines Entwicklungspotenzials – sollte noch an anderen Kriterien festgemacht werden. Das beginnt bei Patenten und Marken, geht über die Online-Sichtbarkeit bis hin zu Hochschulkooperationen und Digitalisierungsmaßnahmen. Auch weiche Faktoren gehören nach unserer Auffassung dazu, Arbeitgebermerkmale oder gesellschaftliches Engagement beispielsweise. Insgesamt sind es aktuell 39 Indikatoren, die wir in unterschiedlicher Gewichtung zur Ermittlung des Scores eines Unternehmens berücksichtigen.
Wie wandelt sich die Unternehmenslandschaft? Wie viele Unternehmen haben es innerhalb eines Jahres neu in die Top 10.000 geschafft?
676 sind im Vergleich zum Vorjahr neu im Ranking. Es herrscht also Dynamik in der Unternehmenslandschaft. Spannend ist, wer im Gegenzug das Ranking verlassen hat, denn das ist auch wegen Erfolg möglich: Wir nehmen in unser Ranking der 10.000 wichtigsten Mittelständler ja nur solche auf, die unter eine Milliarde Euro Umsatz haben.
Wer gehörte dazu?
Beispielsweise Harting, ein Hersteller von Steckverbindungen. Die sind im Zuge der Digitalisierung für Serverfarmen und Datenzentren gefragt. Oder Rational, ein Ausstatter für Großküchen, der besonders im Auslandsgeschäft zulegen konnte. Beide haben 2022 die Milliarden-Umsatz-Marke überschreiten können.
Welche Auffälligkeiten haben Sie in der Entwicklung des Rankings noch festgestellt?
Das Thema Ausland und Export fällt ins Auge. Die Weltmarktführer unter den Top-Mittelständlern gehören überproportional zu den Umsatzgewinnern. Außerdem können die Großen besonders stark wachsen: Die Unternehmen im Bereich 500 Millionen bis eine Milliarde Euro Umsatz legten 2022 zu 2021 um fast 32 Prozent zu. Nach Branchen gehören nach jetzigem Stand die Textil- und die Nahrungsmittelindustrie zu den Verlierern, Energie liegt ganz vorne beim Umsatzwachstum, gefolgt von den Automobilzulieferern, Transport und Logistik, Gebäudetechnik- und Luftfahrtindustrie.
Sie haben viel Kontakt mit Mittelständlern. Ist die Verlagerung von Produktion ins Ausland oder gar der Wegzug ein Thema?
Auslandsaktivitäten sind immer schon wichtig beim deutschen Mittelstand. Deshalb sind wir ja auch Weltmeister unter den Weltmarktführern. Aber nach meiner Beobachtung haben sich Vorzeichen geändert.
Inwiefern?
In früheren Jahrzehnten hat man im Ausland Wachstumschancen gesucht. Heute sucht man eher das Weite vor den sich verschlechternden Standortbedingungen in Deutschland. Mit Energiekosten, Steuern, Fachkräften und Regulierungen seien hier nur einige Mankos genannt. Und: Früher hat die Politik Auslandsaktivitäten strategisch unterstützt, heute wird die Verlagerung ganzer Industriezweige politisch in Kauf genommen. Das ist ein Dilemma für den Standort Deutschland und für die traditionell regional verwurzelten Mittelständler. Und zwar mental, weil sie in der Regel sehr heimatverbunden sind, aber auch existentiell, weil kleineren Unternehmen die Verlagerung schlichtweg nicht möglich ist.
Schreibe einen Kommentar