Genuß ohne Reue, der 9. Gang: Der Käse

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In unserer kleinen Reihe serviert uns Hotelier Winfried D. E. Völcker einen gastrosophischen Small Talk in den 14 Gängen eines klassischen Essens. Vegane Beilage: Anekdoten und Geschichten aus der großen weiten Welt der Kulinarik, Gastronomie und Hotellerie.

Bislang erschienen:

Einer der bedeutendsten Gastrosophen, französischer Schriftsteller, von Beruf Richter, war Jean Anthelme Brillat-Savarin (1755-1826). Sein Amt ließ ihm ausreichend Zeit, sich seiner eigentlichen Leidenschaft, der Kulinarik, der Kochkunst, zu widmen, über die er mehrere Werke verfasste. Das bekannteste ist „La Physiologie du Goût“ (Die Physiologie des Geschmacks). 25 Jahre lang soll er daran gearbeitet haben.

Jean Anthelme Brillat-Savarin. Nach dem Manne ist sogar ein Käse benannt – wer schafft das schon? Selbst Freddy Mercury, soweit ich weiß, nicht (Bild: Louis-Jean Allais)

Man sagt ja, gute Ideen verfangen sofort. Beginnt man also, an einer Idee zu sehr herumzubasteln, sollte man sich lieber einer neuen Idee widmen. Freddy Mercury, Leadsänger von Queen, rief „Fuck it!“, und er begann eine neue Melodie. Der Amerikaner Thomas Edison (geboren in Milan, Ohio, USA) hat das auf die Spitze getrieben. Er soll mehr als 1.300 Versuche unternommen haben, bis endlich Licht wurde. Perceverance (Ausdauer)! Die Älteren kennen das noch.

Wie Edison versuchte ich mich über Monate an meiner „Käse-Genuss-Kolumne“. Ohne so wahre Erleuchtung. Dann las ich das von Freddy Mercury und habe den „ganzen Käse“ in die Tonne getreten und ganz neu angefangen. Voilá. Ob es nun eine amüsante Erhellung geworden ist: Entscheiden Sie…

Ja was denn nun? Vor oder nach dem Dessert?

Für Franzosen ist schon „Fromages“ ein verklärungswürdiges Wort. Käse gehört zum ritualisierten Diner einfach dazu. In Deutschland nach dem Dessert. Bei den Franzosen vor dem Dessert. Für Brillat-Savarin war ein Mahl ohne Käse wie eine schöne Frau mit nur einem Auge. 750 Sorten kultivieren unsere Nachbarn und genießen ihn mit französischem Wein und Baguette.

Wir Deutschen rühmen uns mit genauso viel Wurstsorten. Und genießen Wurst und Käse bei einem Bierchen, gebraut nach dem Reinheitsgebot von 1516 – damals bereits ein regionales Naturprodukt. Dazu essen wir ein paar der rund 300 Brotsorten aus deutscher Brotkultur. Genuss Made in Germany & La France. Ist das allein nicht schon die deutsch-französische Freundschaft wert?

Der lange Weg des Käses durch die Jahrhunderte

Könnte glatt meine 6. Empfehlung sein: Deutschland lässt grüßen mit „Handkäs mit Musik“. Ein deftiger Bierbegleiter mit reichlich Kümmel, Essig und Öl. Die Musik kommt in Form von Zwiebeln daher. Dazu doppelt gebackenes Sauerteigbrot. Aus die Maus. Wie Stilton als dazwischengesetzter Gang gut verträglich…

Durch die Erfindung des Feuers lernten Menschen zu kochen und zu konservieren. Das beflügelte die Kulturen mehr als alles andere. Die Entwicklung des Gehirns wurde von Proteinen, Vitaminen, Mineralien usw. gespeist. Feuer brachte auch Fortschritt beim Kochen. Nährstoffe von Tieren, Beeren und Körnern entfalteten ihre Wirkung.

Das brachte Mensch auf die Idee, nicht nur zu Jagen, sondern Tiere zu zähmen und zu domestizieren. Gänse und Hunde bewachten Haus & Hof. Kühe, Ziegen und Schafe gaben Fleisch und Milch. Womit wir bei Wurst & Käse wären.

Über den langen Weg des Käses durch die Jahrhunderte, von der Antike über das Mittelalter in die Neuzeit, gibt es viel zu berichten. Nur so viel für heute: Aristoteles befasste sich mit der Käserei und der Komödiendichter Titus Maccius Plautus ebenfalls. Er liebte Käse. „Dulciculus caseus“ war bei Römern das Kosewort für „Käse-Süßerchen“.

Ich nenne Ihnen jetzt fünf Käse, die ich besonders mag:

1. Einen Pyrinäer Berghöhlenkäse mit Salzkristallen.

2. Parmigiano Reggiano. 18 Monate gereift. Dazu 14 Jahre alten Aceto Balsamico di Mondena und Olivenöl von Jordan, Ernte 2021/2022 – nicht älter, Meersalzflocken und lauwarmes Baguette. Mehr geht nicht, oder?

3. Brillat-Savarin fand hohe Ehrung, als ein dreifach cremiger Käse aus Kuhmilch mit betörender Textur und weichem, schmackhaften Schmelz nach ihm benannt wurde. Mein dritter Favorit. Ein unschlagbarer Genuss schon um die Mittagszeit. Serviert mit dünnem, doppelt gebackenem Weißbrot. Dazu mindestens ein Glas eiskalten Crémant de Bourgogne.

„Sage mir, was du ißt und ich sage dir, wer Du bist!“ Diesen Leitsatz hatten wir schon das eine oder andere Mal aufgerufen in unserer Reihe, und er sei auch heute dem geneigten Leser anempfohlen. Führungskräfte-Screening? Ich habe nie welche eingestellt, ohne mit ihnen plus Lebenspartner vorher zusammen gegessen zu haben…

4. Mittelalter Gouda kommt morgens auf den Tisch.

5. Abends Camembert du Normandie. Flasche Rotwein. Baguette. Manchmal muss der Käse warten bis ich ein dickes Rib-Eye Steak, medium-rare mit Café de Paris Butter, verspeist habe.

Übrigens, für mich gibt es nur ein Mahl ohne Wein, und das heißt Frühstück.

Und Italien?

Wie komme ich bei Ludwig XIV nur auf Käseigel? Die Mundhappen in Igelform waren einigermaßen später, in den 1970ern, der Party-Hit. Kreativ und liebevoll angerichtet sind Käsehäppchen, z. B mit Herkunftsfähnchen, schon wieder en vogue (Bild: Marvin81md)

Als Sonnenkönig Ludwig XIV. 1687 zu einem Bankett ins Pariser Hôtel de Ville lud, war die große Zeit der 14 Gänge Menüs schon nicht mehr en vogue. Auf großen Platten wurden Speisen hereingetragen und es galt als eine Ehre, „herumzustehen“, zu plaudern und dem König beim Essen zuzusehen. Die „fliegenden Teller“ bei Empfängen heutzutage haben also königliche Vorfahren…

Spricht man also beim Small Talk „en passant“ der fliegenden Teller von der „Großen Küche“, der „Grande Cuisine“, dann denkt fast jeder wie selbstverständlich an Frankreich. Weniger an Italien. Dabei hat sich „der Italiener“ doch heutzutage in deutschen Landen doch mehr durchgesetzt?

Es war Katharina de Medici vorbehalten, die kulturelle Bedeutung Italiens für ihre Zeitgenossen der Genuss-Nation Frankreich deutlich zu machen. Nachdem sie einen Mann ehelichte, der später König Heinrich II. von Frankreich werden sollte, war Katharina erst 14 Jahre alt. Sie brachte einen Stab florentinischer Köche nach Frankreich, die wussten, wie man Suppen, Saucen, Fisch, Gemüse, Gelees, Käse und Desserts – einfach alles – „spettacolare, sensazionale, perfetto“ zubereitete und präsentierte. Als Königin führte Katharina, gebürtige Florentinerin, eine neue Ära kulinarischer Sitten, Bräuche und Etikette ein.

Und von der profitiert auch heute noch unser Volk der „Dichter, Denker und Ingeniöre“.

Winfried D. E. Völcker ist Vollbluthotelier, Manager und ein Patron wie aus dem Bilderbuch. In seiner Karriere hat er ein Dutzend internationale Business-, Kongress- und Leisure-Hotels, sowie mehr als 60 Restaurants als Manager und Patron saniert, entwickelt und geführt. In seinem Newsletter seiner VHC Völcker Family of Hospitality schreibt er über Hotels, Essen und Genuß ohne Reue – empfehlenswert! Hier kostenfrei einschreiben

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