„Können wir jetzt mal eine Rakete zünden?

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Familienunternehmer sind von Natur aus zuversichtlich und müssen es auch sein. Doch die Augen zu verschließen davor, dass etwas grundsätzlich falsch läuft am Standort Deutschland, ist auch keine unternehmerische Option. Was Unternehmer da sehen, lässt sich insbesondere an den Investitionsabsichten ablesen.

Die Geschäftslage und Erwartungen der Familienunternehmer in Deutschland haben sich noch weiter drastisch verschlechtert. Sie sind aktuell fast auf das niedrigste Niveau der Corona-Zeit abgesunken, einer Phase, die damals allerdings von den historischen kompletten Corona-Schließungen geprägt war. Das zeigt die aktuelle Quartalsumfrage der Familienunternehmer und der Jungen Unternehmer.

Die besorgniserregende Lage zeigt sich vor allem in deutlich zurückgeschraubten Investitionsplänen: Immer mehr Unternehmer lassen Vorsicht walten und halten sich mit Investitionen in ihr Unternehmen zurück. Nur noch 24 Prozent wollen ihr Unternehmen durch Investitionen erweitern. Dies ist der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebung der Quartalszahlen (2010). Nicht einmal zur Hochzeit der Coronakrise (3. und 4. Quartal 2020) lag die Bereitschaft zu investieren (mit damals 27 Prozent) so niedrig wie jetzt.

Marie-Christine Ostermann, Präsidentin der Familienunternehmer
„Die Stimmung unter den Familienunternehmern ist düster und ihre Geschäftserwartung geradezu mies. Die Unternehmer schrauben ihre Investitionen bereits deutlich zurück. Unsere Regierung täte gut daran, auf diese Warnzeichen endlich zu reagieren. Was jetzt gerade stattfindet, ist eine schleichende Substanz-Deindustriealisierung. Um die Wirtschaftskraft des Mittelstands in Deutschland zu erhalten und wieder voranzubringen, wird das Wachstumschancengesetz allein nicht genügen. Es muss dringend mehr geschehen. Statt ständig für die Subvention des Industriestrompreises zu werben, sollte sich auch Bundeswirtschaftsminister Habeck jetzt besser für solche Entlastungen für Unternehmen einsetzen, die den Standort auf breiter Basis verbessern. Anderenfalls droht in Deutschland unweigerlich eine Kernschmelze bei den nachhaltigen Arbeitsplätzen in Familienunternehmen.“

Auch die Ersatzinvestitionen sind weiter rückläufig. Sie sinken auf den niedrigsten Wert seit der Pandemie. Gleichzeitig steigt enorm der Anteil der Unternehmer (von 34 auf 42 Prozent), die derzeit gar keine Investitionen mehr planen. Dies bedeutet aber auch: die Unternehmen zehren von der Substanz. Die derzeitige Auftragslage wirft ebenfalls dunkle Schatten voraus. So beurteilen die Unternehmen die Auftragslage mit der Note 3,2 und damit mit der zweitschlechtesten Note seit Beginn der Pandemie.

Als größtes Hemmnis für Investitionen nennen mehr als die Hälfte der Unternehmer (56 Prozent) den Aufwand für Bürokratie beziehungsweise Überregulierung. Immer mehr Unternehmer verunsichert die Unberechenbarkeit der Finanz- und Wirtschaftspolitik (Anstieg von 41 Prozent auf 45 Prozent.) Ebenfalls unter den Top 3 der Investitionshemmnisse sehen die Befragten den Fachkräftemangel, der unter den größten Sorgen nunmehr auf Platz 3 liegt.

Sarna Röser, Bundesvorsitzende der Jungen Unternehmer
„Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist für viele Unternehmer zu bürokratisch und die Wirtschaftspolitik zu unberechenbar geworden. Wir Unternehmer brauchen einen attraktiveren Wirtschaftsstandort. Um den deutschen Ruf als Wirtschaftsnation, Industrieland und Technologievorreiter zu retten, müssen die Rahmenbedingungen dringend für alle Unternehmen verbessert werden. Dafür sollte sich der Staat wieder auf seine Kernaufgaben konzentrieren und ein unternehmensfreundliches Umfeld schaffen, das auf offenen Märkten und Wettbewerb basiert. Weitere Staatseingriffe in den Markt wie zum Beispiel durch einen Industriestrompreis würden hingegen Milliarden verschlingen und dazu führen, dass der Wettbewerb mittelfristig verzerrt würde.“

Wenn auch der düstere Trend noch nicht auf dem Arbeitsmarkt angekommen ist, zeichnet sich die schlechte Lage bereits in den Beschäftigungsplänen der Unternehmen ab: Jeder fünfte Unternehmer will die Arbeitsplätze reduzieren. Dies ist der höchste Wert seit der Pandemie (1. Quartal 2020:21 Prozent).

Es ist nicht allein die schwache Konjunktur

Dem Befund der Quartalsumfrage der Familienunternehmer entspricht auch das Ergebnis einer weiteren aktuellen Umfrage unter 1200 Familienunternehmen. Diese wurde vom ifo Institut in München im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen durchgeführt. Auch hier zeigt sich: Es ist nicht allein die schwache Konjunktur, die Familienunternehmen davon abhält, in Deutschland zu investieren. In erster Linie ist es die Regulierungsdichte. USA, Polen, Indien und China werden als beliebteste Ziele von Auslandsinvestitionen genannt.

Matthias Lapp Vorstandsvorsitzender der Lapp Holding SE
„In Ludwigsburg tätigen wir gerade die größte Investition der Unternehmensgeschichte. In der Familie sind wir uns einig: Sollten sich die Rahmenbedingungen hier nicht ändern, wird das unsere letzte große Investition in Deutschland gewesen sein.“

Danach bewerten mehr als 60 Prozent der deutschen Familienunternehmen den Standort Deutschland mit der Note 4, 5 oder 6. Die Note 3 geben 26 Prozent. Zwar verteilen sich ihre Investitionen derzeit noch überwiegend auf deutsche Standorte. Doch 34 Prozent geben an, dass diese Investitionen in den nächsten fünf Jahren sinken werden. Auf die Frage, was ihre Investitionen hierzulande positiv oder negativ beeinflusst, antworten die Familienunternehmen erstaunlich einheitlich. Es sind:

  • die Regulierungsdichte (90 Prozent deutliche oder leichte Dämpfung),
  • die Energiepreise (80 Prozent Dämpfung)
  • und das Fachkräfteangebot (80 Prozent Dämpfung).

Danach folgen Arbeitskosten und Steuern, erst dann die Absatzlage. Digitalisierung, Finanzierung und Infrastruktur haben offensichtlich einen weniger starken Einfluss auf die Investitionsentscheidungen.

Patrick Luik, Geschäftsführer und Stratege der straiv GmbH
„Können wir jetzt hier noch mal eine Rakete zünden? Mich nervt am meisten, dass ausländische Mitarbeiter oft von der Bürokratie ausgebremst werden: Wenn ich ihnen die Aufgabe zutraue, brauche ich doch keine Behörde, um irgendwelche Abschlüsse zu prüfen.“

USA, Polen, Indien und China stehen bei den Investitionsplänen der Unternehmen in den nächsten fünf Jahren ganz oben. Als Grund für die Verlagerung nannten sie an erster Stelle „Erschließung neuer Märkte“ (21 Prozent), gleich danach aber „weniger staatliche Regulierung“ am Auslandsstandort (19 Prozent), und zwar noch vor „Senkung der Lohnkosten“ oder „niedrigere Energiekosten“ und weit vor „attraktiveres Subventionsumfeld“. Eine Verlagerung zurück nach Deutschland planten nur 2 Prozent.

Mittelständler sagen: Die Politik nimmt uns nicht ernst

Dass sich die Mehrheit der mittelständischen Unternehmen in Deutschland von den politischen Akteuren unverstanden und nicht ernst genommen fühlt, zeigt auch eine Befragung des Verbands Der Mittelstand BVMW aus dem Monat August. Auf die Frage „Haben Sie das Gefühl, dass die politischen Entscheidungsträger Ihre Anliegen verstehen und ernst nehmen?“, antworteten mehr als 75 Prozent der befragten Unternehmerinnen und Unternehmer mit Nein.

Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen
„Die Daten zeigen: Die Bürokratie treibt die Familienunternehmen ins Ausland. Ihnen kommt das Vertrauen in den Standort gerade abhanden. Dabei konnte sich die Politik auf ihre Treue stets verlassen. Nun blicken sie vor allem nach USA.“

Mehrheitlich stimmten die Unternehmen außerdem den Aussagen zu, dass die Politik die Sorgen des Mittelstandes ignoriere, falsche Prioritäten setze, zu sehr mit sich selbst beschäftigt sei und über zu wenig Mut und Mittelstandskompetenz verfüge.

In der BVMW-Umfrage räumen die Mittelständler auch mit dem Vorurteil auf, dass Engagement für kleinere und mittlere Unternehmen zwangsläufig viel Geld erfordern würde. 52 Prozent wäre es am liebsten, die Politik würde für gute Rahmenbedingungen sorgen und sich ansonsten aus dem Wirtschaftsleben heraushalten. Auf die Frage, was die Politik für einen Neustart in Deutschland jetzt tun müsste, geben die Befragten sogar klare Empfehlungen, die gar nichts kosten: Entbürokratisieren und dem Mittelstand zuhören.

Christoph Ahlhaus, Vorsitzender der Bundesgeschäftsführung BVMW
„Dass sich jetzt auch Unternehmerinnen und Unternehmer von der Politik abwenden, ist ein beunruhigendes Signal mit Blick auf die die politische und soziale Balance in Deutschland insgesamt.“

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Foto Frau Ostermann: Anne Großmann Fotografie
Foto Frau Röser: Anne Großmann Fotografie
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Foto Herr Lück: straiv GmbH
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