Das Caravaning der Zukunft

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Knaus Tabbert blickt auf eine über 80-jährige Firmengeschichte zurück. Als einer der führenden Hersteller von Freizeitfahrzeugen legte das Unternehmen 2020 einen erfolgreichen Börsengang hin und befindet sich aktuell auf Wachstumskurs / Das Unternehmergespräch

Heute werden von der Knaus Tabbert AG an vier Standorten rund 30.000 Reisemobile, Wohnwagen und Kastenwagen pro Jahr produziert und damit Umsätze von über 1 Milliarde Euro generiert. CEO Wolfgang Speck im Interview mit Eva Rathgeber über Meilensteine, Buy and Build und aktuelle Entwicklungen.

Herr Speck, Ihre Geschäftszahlen entwickeln sich positiv, zumal in einer Zeit, in der andere Unternehmen angesichts der zahlreichen Krisen schwächeln. Würden Sie sich zu den Krisengewinnern zählen?

Wolfgang Speck: Ich würde nicht sagen, dass wir uns zu den Krisengewinnern zählen, sondern dass wir es trotz dieser Krisen geschafft haben, das Unternehmen erfolgreich zu entwickeln. So konnten wir 2022 erstmals mit mehr als 1 Mrd. EUR Umsatz abschließen und mit derselben Dynamik ins erste Halbjahr 2023 starten. Das operative Ergebnis war jedoch nicht dort, wo wir es ursprünglich für 2022 erwartet oder geplant hatten – und das war das Ergebnis ebendieser Krisen. Im Wesentlichen ging es dabei um unterbrochene Lieferketten. Wir haben über Wochen und Monate unsere Fabriken zum Teil nicht laufen lassen oder nur bei einer äußerst geringen Auslastung. Im zweiten Halbjahr ging es dann aber wieder bergauf, dank einer geänderten Einkaufstrategie bei den Chassis.

Sie konnten sich da also wieder herausarbeiten…

„Der Branche zu einem revolutionären Umbruch verhelfen“: Knaus Tabbert-CEO Wolfgang Speck

Wir hatten einige Herausforderungen zu bewältigen. Die wichtigste Entscheidung war, dass wir uns bei den Chassis Lieferanten unabhängiger gemacht haben. Das heißt, wir haben uns mit zusätzlichen Partnern – namentlich MAN, Mercedes, Volkswagen, Ford- breiter aufgestellt. Diese neuen Lieferanten waren in der Lage, ab dem dritten Quartal 2022 in hohen Mengen zu liefern. Zuvor mussten wir auch neue Modellvarianten entwickeln, erproben und konstruieren. So hatten wir 2022 auch noch Entwicklungsaufwendungen. Ende 2022 haben wir 16 neue Modellvarianten auf ebendiesen neuen Chassis dem Handel vorgestellt und in Rekordzeit in den Markt gebracht, und das vierte Quartal war dann in der Tat – was Umsätze und auch das Ergebnis angeht – das bis dahin stärkste in der Unternehmensgeschichte. Wir haben im vierten Quartal 2022 ein so hohes EBITDA erzielt wie in den ersten neun Monaten zuvor, und das war das Ergebnis der neuen Lieferantenstrategie bei den Chassis und der vorhin angesprochenen Investitionen.

Welche Höhen und Tiefen gab es in den letzten zehn Jahren?

Starten wir mit dem Jahr 2013. Das Unternehmen erwirtschaftete damals mit rund 1.100 Beschäftigten 200 Mio. EUR Umsatz und es wurden knapp über 10.000 Fahrzeuge gebaut. Das war der Ausgangspunkt. Ich hatte damals kleinere Sanierungsschritte vorgenommen und Personal abgebaut. Wir sind von 1.100 auf 1.000 Mitarbeiter runter, haben die Mannschaft neu aufgestellt und hatten 2013/2014 einen Markt, der nach der Finanzkrise 2008/2009 und trotz Eurokrise, gerade was unsere Branche angeht, von vielen Megatrends Rückenwind bekam. Seit 2013 haben wir, die Ukrainekrise ausgenommen, kontinuierliches Wachstum gesehen. Besonders stark gewachsen ist der Bereich der motorisierten Fahrzeuge, aber selbst der Wohnwagen, den viele schon für tot erklärt hatten, hat seine Renaissance erlebt und in dieser Zeit schöne Wachstumsraten gezeigt.

Was waren die wichtigsten Megatrends, die Ihnen zu diesem Wachstum verholfen haben?

Besonders stark gewachsen ist der Bereich der motorisierten Fahrzeuge

Zu diesen Megatrends gehört zum einen der demografische Wandel: etwa die Babyboomergeneration, Menschen, die in den 1960er-Jahren geboren wurden und nun langsam in den Ruhestand gehen und auch finanziell weitestgehend mit Ersparnissen ausgestattet sind. Seit 2015 finden auch immer mehr jüngere Menschen Gefallen am Caravaning – ein Trend, den wir mit unserer digitalen Vermietmarke Rent and Travel unterstützen. Zudem haben wir das große Thema Nachhaltigkeit ebenso wie den Trend zu Domestic Tourism, sogenannten heimatnahen Tourismus, sowie die Digitalisierung des Reisemobils. Das alles sind Trends, die uns und unsere Branche beflügeln. Heute fühlen sich auch Menschen angesprochen, die früher gesagt haben, dass ihnen diese Reiseform zu archaisch ist.

Die Fusion mit Knaus 2001 markierte eine wichtige Etappe auf Ihrem Weg zu einem der führenden Reisemobilhersteller in Europa. Welche Rolle spielt Buy and Build?

Diese Fusion liegt nun schon einige Jahrzehnte zurück, aber es gibt Meilensteine, die nachwirken. Und da sind natürlich die Personen zu nennen, Helmut Knaus und Alfred Tabbert. Die beiden Gründer gestalteten das Caravaning in den Gründerjahren. Das war eine Epoche, in der viele Menschen das Caravaning mit viel Leidenschaft für sich entdeckt haben. Alfred Tabbert und Helmut Knaus waren herausragende Persönlichkeiten, die diese zwei Marken in die Welt gesetzt und erfolgreich entwickelt haben. Eine Zeit lang hat jeder für sich gekämpft. Und dann − ich kann nur spekulieren, weil ich dort nicht Zeitzeuge war – haben sich zwei Unternehmen zusammengetan, weil sie es gemeinsam besser können. Zudem haben wir die Marke Weinsberg in unser Portfolio aufgenommen. Mittlerweile gehört auch das Unternehmen Morelo mit seinen Luxusmodellen zu uns. Morelo war ein Start-up aus dem Jahr 2012, gegründet von den zwei ehemaligen Concord-Managern Reinhard Löhner und Jochen Reimann. Seit der Integration von Morelo sind wir jedoch rein organisch gewachsen, und das sehr erfolgreich.

Finanzierung, Nachfolge, Vermögen
Dieser Beitrag ist der Publikation „Unternehmensverkauf“ unseres Medienpartners Unternehmeredition entnommen.
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Momentan ist das Thema Buy and Build für Sie also nicht mehr so relevant

Unsere Branche ist überwiegend ein europäischer Player. In Europa gibt es zwei weitere große Mitbewerber, die Erwin Hymer Group in Bad Waldsee und Trigano mit Sitz in Paris. Und wenn Sie sich dann weiter umschauen, gibt es einige Mitbewerber mit Umsätzen zwischen 300 Mio. und 600 Mio. EUR, über die man sagen könnte, dass es interessante Targets sind. Ich will damit sagen: Wir schauen nicht weg. Wenn etwas auf der Bildfläche erscheint, prüfen wir natürlich, ob wir in den Prozess einsteigen.

2010/2011 wurde Knaus Tabbert von HTP Investments übernommen. Welche Bedeutung hatte dieser Schritt?

Knaus Tabbert ist 2008 im Zuge der weltweiten Finanzkrise in die Insolvenz geschlittert. Die Holländer Wim de Pundert und Klaas Meertens haben das Unternehmen damals aus der Insolvenz gekauft. Die beiden hatten einen unterschiedlichen beruflichen Background. Klaas Meertens kam von McKinsey und JP Morgan und Wim de Pundert war der typische Selfmade-Entrepreneur, der sein Unternehmen HTP Investments mit Fleiß, Durchsetzungskraft und Visionen sehr erfolgreich aufgebaut hat. Beide sind nicht die typischen Finanzinvestoren, wie wir sie aus dem Private-Equity-Bereich kennen, sondern es waren zwei Privatpersonen und Reisemobilenthusiasten, die ihr eigenes Geld genommen und sich ins Risiko begeben haben, um das Unternehmen zu übernehmen. Sie haben an die Branche geglaubt und waren davon überzeugt, das Unternehmen nach vorne bringen zu können. Wenn Sie so wollen, war das im Dezember 2009 die Wiedergeburt des Unternehmens.

Was hebt Sie von der Konkurrenz ab?

Die Kundenbedürfnisse spielen eine wichtige Rolle in der Markenwelt von Knaus Tabbert

Ganz klar unser abgestimmtes Produktportfolio. Andere Anbieter haben 20 oder mehr Marken, wir haben fünf – Knaus, Tabbert, Weinsberg, T@B und Morelo –, auf die wir unseren ganzen Enthusiasmus fokussieren. Mit unseren fünf Marken bieten wir eine differenzierte Markenwelt, mit der wir die meisten Kundenbedürfnisse gezielt abbilden können. Wir decken heute mit nur fünf Marken eine Preisspanne von rund 15.000 bis knapp 1 Mio. EUR ab. Außerdem sind wir in allen drei Segmenten – sprich Reisemobile, Kastenwagen, Wohnwagen – sehr erfolgreich vertreten. Wenn Sie sich ansehen, wer in den Zulassungsstatistiken in Deutschland beziehungsweise Europa ganz vorne steht, dann sind es unsere Premiummarken Knaus und Weinsberg als Einzelmarken. Wir verzeichnen enorme Zuwachsraten.

Im September 2020 folgte der Börsengang. Was hat diesen Schritt motiviert und wie zufrieden sind Sie damit?

Die Motivation kam von den Gesellschaftern. Es ging darum, einen Exit zu finden und trotzdem mit einem wesentlichen Anteil investiert zu bleiben, weil sie weiterhin an die Zukunft des Unternehmens glauben und davon die nächsten Jahre auch profitieren wollen. Wie kann man dem Unternehmen eine neue Gestalt geben, um sich besser zu finanzieren und um diese enormen Wachstums- und Technologieschritte sowie die nötigen Mittel dafür zu bekommen? In dieser Gemengelage hat man gesagt, der Börsengang ist sicher die bessere Entscheidung, als einen großen Einzelinvestor oder Private-Equity-Partner zu finden.

Wenn wir den Börsenkurs als Indikator nehmen, war das IPO dann erfolgreich?

Es gab Phasen im Sog der Krisen: Coronapandemie, unterbrochene Lieferketten, Ukrainekrieg, Energiekrise, Zinserhöhungen und Inflation. Diese globalen Faktoren wirken sich auch auf den Aktienkurs aus. Börsennotierte Branchenteilnehmer waren ebenso betroffen. Für mich ist wichtig, dass wir wieder aus der Talsohle heraus sind.

Streben Sie die absolute Marktführerschaft an?

Es gibt weltweit größere Anbieter als uns – aber unser erklärtes Ziel ist es, der Bessere zu sein in den Bereichen Innovation und Nachhaltigkeit. Für mich ist das Caravaning der Zukunft elektrisch, digital und gasfrei. Dort marschieren wir hin und das ist für uns der Fokus dessen, wo wir den Erfolg auch messen wollen. Wir wollen der Branche zu einem revolutionären Umbruch verhelfen mit modernen und zukunftsfähigen Technologien. Als CEO einer börsennotierten Gesellschaft liegt mein Akzent selbstverständlich auch auf dem Aktionär. Wir haben mittlerweile fast 10.000 Aktionäre, und in deren Verantwortung steht die Unternehmensführung. Wir tun alles dafür, dass wir eine ordentliche Dividende zahlen können und dass der Kurs weiter in die richtige Richtung geht. Kompromissloses Wachstum allein ist dafür nicht der Garant. Vielmehr geht es darum, den Fokus auf Innovation zu legen, eine Vision vor Augen zu haben, die Gestaltung der Zukunft aktiv anzugehen und dabei die Profitabilität nicht aus den Augen zu verlieren.

Wolfgang Speck ist seit 2013 Geschäftsführer (Chief Executive Officer) von Knaus Tabbert. Zuvor war er mehr als zehn Jahre CEO von Unternehmen im Automobilsektor, etwa bei Neue Halberg Guss, Reum, Geiger und weiteren Automobilzulieferern. Speck ist DiplomIngenieur im Fachbereich Maschinenbau der Hochschule Mannheim. www.knaustabbert.de

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