Handelspräsident redet Tacheles: „Stimmung im Keller“, „Es muss Schluss sein“, „180-Grad-Wende“

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GOOD NEWS Der BGA-Großhandelsindikator deutet auf einen weiteren kräftigen Absturz der wirtschaftlichen Stimmung im Großhandel hin. Was daran die „good news“ sein soll? Weil mit Dirk Jandura ein Verbandspräsident deutlich wird: So gehe es nicht weiter.

„Der Großhandel startet mit einer erdrückenden Hypothek in das Jahr 2024: Die Stimmung ist im Keller. Sie ist auf einem der schlechtesten Werte der letzten 25 Jahre und somit wieder auf Corona-Niveau angekommen“, so Dr. Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) über die Ergebnisse der BGA-Unternehmensumfrage.

In Zahlen: Der Index hat von 77,6 Punkten um 8,2 Punkte auf 69,4 Punkte nachgegeben. Bereits seit dem Jahreswechsel 2021/22 zeichnet sich die dramatische Stimmungseintrübung ab. Jandura: „Für 2023 erwarte ich vor diesem Hintergrund einen Umsatzrückgang um -3 ¾ Prozent nominal und um -4 ¼ Prozent real. Das Ergebnis ist somit deutlich negativer als vor einem Jahr angenommen. Wir erwarten daher für den Großhandel im Jahr 2024: Der Umsatz wird im kommenden Jahr um rund 2 Prozent nominal – und rund 1 Prozent real – unter 2023 liegen. Damit steuern wir auf eine handfeste Rezession zu“, so der Großhandelspräsident.

Für Dr. Dirk Jandura Anlass, deutlich zu werden: Das wirtschaftspolitische Agieren der Bundesregierung belaste die Unternehmen massiv. „Die Ergebnisse unserer aktuellen Unternehmensumfrage zur wirtschaftlichen Lage sind alarmierend. Während andere Volkswirtschaften sich bereits erholt haben, steckt Deutschland in einer konjunkturellen Sackgasse fest“.

„Wir müssen endlich Vorschriften ersatzlos streichen. Es muss in die entgegengesetzte Richtung gehen, weniger Bürokratie, weniger Formulare, weniger Berichts- und Kontrollpflichten“

Der 51-jährige promovierte Diplom-Kaufmann ist fünffacher Familienvater. Seit seinem Eintritt in die Geschäftsführung der Oskar Böttcher GmbH & Co. KG in Berlin im Jahr 2011 vertritt er als Elektrogroßhändler den Kernbereich des deutschen Großhandels. Nach dem beruflichen Einstieg in die Wirtschaftsprüfung/ Steuerberatung absolvierte er zuvor verschiedene Stationen im Corporate-Finance-Bereich sowie in der Projektfinanzierung bei Banken in Frankfurt und London. Seit Ende 2021 ist er Präsident des Bundesverbandes BGA.

Die BGA-Umfrage zeige deutlich, dass Deutschland im internationalen Vergleich schon seit längerem unattraktiv sei, sagt Jandura. 55 Prozent der Unternehmen stellen dem Standort Deutschland ein schlechtes oder sehr schlechtes Zeugnis aus. „Hier erwarten unsere Unternehmen ein Umsteuern und das vor allem im Bereich Bürokratie und Kostenentlastung, wie es 90 Prozent der Unternehmen angeben.“ Und weiter: „Es braucht eine 180-Grad-Wende. Wir müssen endlich Vorschriften ersatzlos streichen. Es muss in die entgegengesetzte Richtung gehen, weniger Bürokratie, weniger Formulare, weniger Berichts- und Kontrollpflichten. So wäre eine Vereinfachung bei den Aufzeichnungspflichten von Sachzuwendungen an Geschäftskunden und die Streichung der KFZ-Altteilbesteuerung einfach umzusetzen.“

Zusätzlich sei zum Jahreswechsel das Lieferkettengesetz in seine nächste Phase eingetreten und umfasst jetzt auch Unternehmen ab einer Größe von 1.000 Mitarbeitern. „Die großen bürokratischen Belastungen treffen jetzt noch mehr Unternehmen. Mit den Fragebögen und Compliance-Erklärungen rollt erneut eine Welle überbordender Bürokratie auf den deutschen Mittelstand zu. Gleichzeitig droht mit der europäischen Lieferkettenrichtlinie die nächste Verschärfung. Diese weitet den Pflichtenkreis aus und gilt nun auch für noch mehr kleinere Unternehmen. Mit der Folge von noch mehr Bürokratie zum reinen Selbstzweck. Damit muss endlich Schluss sein“, fordert Jandura mit Blick auf die immer weiter steigende Flut von Formularen und Berichten. „Schon heute verbringe ich als Mittelständler viel zu viel Zeit mit dem Beantworten von Fragen und dem Ausfüllen von Formularen. Ich will endlich wieder handeln dürfen.“

„Statt Parteiideologie und Klimaschutz mit der Brechstange durchzudrücken, braucht es Pragmatismus. Lösungen, die den Menschen und Unternehmen wirklich helfen“

Die BGA-Umfrage ergibt weiterhin, dass 23 Prozent der Großhändler von sich aus mehr investieren würden, sie sehen sich allerdings vom wirtschaftlichen Umfeld ausgebremst. „Verpackungsverordnung und die Vielzahl an Nachweis-, Informations- und Kontrollpflichten insgesamt binden die Kräfte in den Unternehmen und treiben die Kosten. All das wird immer mehr als Gängelei, denn als Konkurrenzvorteil empfunden“, so Jandura.

Jandura weiter: „Die Unternehmen des Großhandels wollen nichts weiter, als ihren Job machen zu dürfen. Statt Parteiideologie und Klimaschutz mit der Brechstange durchzudrücken, braucht es Pragmatismus. Lösungen, die den Menschen und Unternehmen wirklich helfen. Wir brauchen klare Signale und nicht noch mehr Umverteilung über das Steuersystem“, fordert Jandura. Deswegen plädierten 49 Prozent der Großhandelsunternehmen für eine grundlegende Unternehmensteuerrefrom, die die Belastungen auf das internationale Niveau von 25 Prozent senkt.

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Der BGA vertritt die Interessen der Unternehmen des Groß- und Außenhandels sowie der B2B-Dienstleistungen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Er setzt sich ein für Weltoffenheit, freien Wettbewerb in einer liberalen, marktwirtschaftlichen Ordnung und verantwortungsvolles Unternehmertum. www.bga.de

Bild oben: BGA/Kamil Janus

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