Sozialabgabengedenktag: Bis 4. April wurde nur für den Sozialstaat gearbeitet

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Das Spannungsverhältnis zwischen sozialstaatlichen Leistungsausweitungen und steigenden Abgabenbelastungen verschärft sich durch den demografischen Wandel zunehmend. Bis zum 4. April mussten die Bürger in diesem Jahr durchschnittlich arbeiten, um das Geld zu verdienen, das allen Bürgern als Sozialleistungen zufließt. Migration wird zudem den zunehmend unbezahlbaren Sozialstaat nicht sichern, hat die Stiftung Marktwirtschaft analysiert.

Um das Ausmaß dieser Belastung zu veranschaulichen, hat die Stiftung Marktwirtschaft gemeinsam mit dem Forschungszentrum Generationenverträge den „Gedenktage der sozialen Sicherung“ 2024 ermittelt: Er liegt in diesem Jahr auf dem 4. April. Demnach müssen die Bürger in diesem Jahr durchschnittlich bis heute arbeiten, um das Geld zu verdienen, das allen Bürgern als Sozialleistungen zufließt.

„Die statistische Durchschnittsperson arbeitet in Deutschland also mehr als drei Monate für die Finanzierung des Sozialstaates und die damit verbundene Umverteilung, um sowohl die steuerfinanzierten Leistungen als auch die Beitragseinnahmen der Sozialversicherungen zu erwirtschaften“, betont Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen, Vorstandsmitglied der Stiftung Marktwirtschaft: „Mit einer Sozialabgabenbelastungsquote von rund 25,9 Prozent entspricht dies einem Viertel des durchschnittlichen gesamten Jahreseinkommens“. Ein immer größerer Teil der Soziallasten würde auf die jüngeren Generationen abgewälzt, was die Generationengerechtigkeit, ein zentrales Fundament unseres Sozialstaates, untergräbt.

Staatshaushalt wird immer stärker belastet werden

Alleine für die Sozialleistungen, die durch den Staat – also Steuern – finanziert werden, mussten die Bürger 2024 durchschnittlich bis zum 31. Januar arbeiten – sozusagen der „Sozialleistungsgedenktag“. Werden die beitragsbezogenen Sozialversicherungsleistungen herausgerechnet und nur beitragsfremde Sozialleistungen (wie mit Bundeszuschüssen finanzierte Leistungen der Sozialversicherungen) und steuerfinanzierte Sozialleistungen (z. B. Bürgergeld, Sozialhilfe) berücksichtigt, kann der Sozialleistungsgedenktag ermittelt werden. Dieser verdeutlicht, wie lange eine statistische Durchschnittsperson in einem Jahr arbeiten muss, um das Geld zu verdienen, das für alle steuerfinanzierten Sozialleistungen benötigt wird. Dieser Sozialleistungsgedenktag fiel im Jahr 2024 in Deutschland auf den 31. Januar, was einer Sozialabgabenquote von 8,4 Prozent entspricht.

Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen, Vorstand der Stiftung

„Aufgrund der Bevölkerungsalterung wird das heutige Niveau der steuerfinanzierten und versicherungsfremden Sozialleistungen nur dann unter Beibehaltung der aktuellen Steuersätze dauerhaft finanzierbar sein, wenn der Staatshaushalt immer stärker belastet wird“, warnt Raffelhüschen: „Schon heute beträgt der Anteil der gesamten Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden, der jährlich allein für die Finanzierung beitragsfremder Sozialleistungen aufgewendet werden muss, rund 22,3 Prozent. Im Jahr 2040 werden wir mehr als ein Viertel der gesamten Steuereinnahmen benötigen, um die Ausgaben bei gleichem Leistungsniveau zu decken“. Der Steueranteil, der zur langfristigen Finanzierung aller Sozialleistungen notwendig ist, fällt naturgemäß noch höher aus und wird unter Beibehaltung der heutigen Rahmenbedingungen von derzeit 25,1 Prozent bis 2060 auf 40 Prozent anwachsen.

Fiskalische Bilanz der Zuwanderung

Auch wenn die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Sozialversicherungen bisher nur leicht spürbar sind, zeichnet sich also das Ende der Schonfrist ab. Der Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt verschärft sich spürbar und die politische Diskussion über Maßnahmen zur Anwerbung von Migrantinnen und Migranten nimmt zu. Dazu hat sich die Stiftung Marktwirtschaft in einer anderen Analyse die Frage gestellt, inwieweit Arbeitsmigration die öffentlichen Haushalte in der Zukunft tatsächlich entlasten kann.

Zur Ermittlung der fiskalischen Bilanz werden für die zukünftigen Migrantinnen und Migranten die heutigen durchschnittlichen Pro-Kopf-Zahlungen der im Inland lebenden Ausländer und Ausländerinnen verwendet und eine Integrationsdauer von sechs Jahren unterstellt. Insbesondere die unterstellte sechsjährige Integrationsdauer führt in diesem Szenario zu geringeren Nettozahlungen der zukünftigen Migrantinnen und Migranten als die der einheimischen Bevölkerung und damit zu einem deutlichen Anstieg der Nachhaltigkeitslücke von 447,8 auf 497,1 Prozent des BIP. In einem hypothetischen Szenario ohne jegliche zukünftige Migrationsströme läge die Nachhaltigkeitslücke mit 347,4 Prozent des BIP hingegen um 149,7 Prozentpunkte niedriger. Die fiskalische Bilanz zukünftiger Zuwanderung ist somit negativ und beträgt bei den angenommenen 293.000 Zuwanderern pro Jahr knapp das Anderthalbfache der aktuellen jährlichen Wirtschaftsleistung. Allerdings zeigt die verbleibende hohe Nachhaltigkeitslücke im hypothetischen Fall ohne Migration, dass die eigentlichen Probleme weniger auf die Migration als viel mehr einen zu großzügigen (Sozial)Staat, der dauerhaft über seine Verhältnisse lebt, zurückzuführen sind.

Auch bei optimistischen Szenarien bleibt die fiskalische Bilanz der Migration im negativen Bereich

Eine Option zur Verringerung der finanziellen Belastung durch Migration bestünde in migrationspolitischen Maßnahmen, die auf eine Verbesserung der Qualifikationsstruktur zukünftiger Migrantinnen und Migranten abzielen. Unter optimistischen Annahmen könnten diese so ausgewählt werden, dass die Hälfte von ihnen über eine Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluss verfügt, was die Nachhaltigkeitslücke um 64 Prozentpunkte verringern würde.

Eine weitere Möglichkeit, die finanzielle Belastung durch Migration zu reduzieren, besteht in migrationspolitischen Maßnahmen, die zusätzliche Arbeitsmigration fördern. Gegenüber der jährlichen Nettomigration von 293.000 Personen im Referenzszenario wird in diesem Szenario eine zusätzliche Zuwanderung von 109.000 Personen angenommen. Diese zusätzlichen Migrantinnen und Migranten weisen eine höhere Qualifikation in Form einer Berufsausbildung oder eines Hochschulabschlusses auf, wodurch sich die Nachhaltigkeitslücke um 39,5 Prozentpunkte verringern würde.

Sozialstaat in seiner jetzigen Form auf Dauer nicht bezahlbar

Auch die Kombination aus einer Erhöhung der Qualifikationsstruktur der Migrantinnen und Migranten um 50 Prozent und diesen Anwerbemaßnahmen würde unter den Annahmen der vorliegenden Analyse insgesamt zu keiner positiven fiskalischen Bilanz der Migration führen. Zwar ergäbe sich ein positiver fiskalischer Effekt von 127,7 Prozent des BIP, insgesamt bliebe die fiskalische Bilanz der Migration jedoch mit -22,0 Prozent des BIP im negativen Bereich.

Die Analyse der betrachteten Migrationsszenarien zeigt, dass eine Erhöhung der Zuwanderung keinesfalls ausreicht, um die Nachhaltigkeitslücke zu schließen. Es verbleiben Nachhaltigkeitslücken zwischen 369,4 Prozent des BIP und 457,6 Prozent des BIP. Die Migrationspolitik ist zwar von großer Bedeutung für die fiskalische Nachhaltigkeit in Deutschland, ist aber nicht dazu geeignet, die Folgen des demografischen Wandels zu kompensieren. Der Hauptgrund dafür ist, dass der deutsche Staat insgesamt nicht nachhaltig aufgestellt
ist, sondern seinen Bürgern mehr Leistungen verspricht als sie über ihren Lebenszyklus finanzieren. Das bedeutet, dass selbst eine erfolgreiche Migrationspolitik eine Anpassung der staatlichen Leistungen – insbesondere der altersspezifischen Sozialausgaben – nicht ersetzen kann. Der Sozialstaat ist in seiner jetzigen Form sowohl für die in Deutschland lebende Bevölkerung als auch für Zuwanderer auf Dauer nicht bezahlbar.

Die Studie „Zur fiskalische Bilanz der Zuwanderung“ steht hier zum Download

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Bild oben: Bild von Tom auf Pixabay

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