Die Weltkonjunktur zog in den ersten Monaten des Jahres 2024 an. Nachdem die Weltwirtschaft gegen Ende 2023 an Fahrt verloren hatte, expandierte sie im ersten Quartal dieses Jahres wieder merklich rascher, meldet das Institut für Weltwirtschaft (ifw) Kiel.
Die Weltwirtschaft expandierte auch im bisherigen Verlauf des Jahres in moderatem Tempo. Dabei haben sich vor allem in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften die zuvor ausgeprägten Unterschiede in der konjunkturellen Dynamik verringert, so das ifw Kiel. Auch für Deutschland sehen die Forscher Licht am Ende des Konjunkturtunnels.
Während die kräftige Konjunktur in den Vereinigten Staaten an Fahrt verlor, belebte sich die Wirtschaft in Europa nach einer Phase der Stagnation spürbar. Gleichzeitig zog auch die Produktion in China merklich an, wenngleich viele Indikatoren daraufhin deuten, dass die private Nachfrage im Inland weiterhin wenig Schwung entfaltet. Bei alledem legte der Welthandel wieder leicht zu. Die weltwirtschaftliche Expansion dürfte sich in moderatem Tempo fortsetzen, wobei vor allem in Europa ein angesichts wieder steigender Reallöhne anziehender privater Konsum Impulse gibt.
Inflationsrückgang dürfte sich nur langsam vollziehen
Im kommenden Jahr dürfte sich zunehmend bemerkbar machen, dass die Geldpolitik allmählich gelockert wird. Alles in allem erwartet das ifw einen Anstieg der Weltproduktion – gemessen auf Basis von Kaufkraftparitäten – von 3,1 Prozent in diesem ebenso wie im nächsten Jahr. Damit haben die Forscher ihre Prognose für das Jahr 2024 gegenüber der Märzprognose um 0,3 Prozentpunkte nach oben revidiert, die für 2025 blieb unverändert.
Die Arbeitslosigkeit in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften steigt in diesem Jahr zwar leicht an, bleibt aber auf historisch niedrigem Niveau. Die Inflation ist zuletzt vor allem aufgrund eines hartnäckigen Anstiegs der Preise für Dienstleistungen kaum noch gesunken. Der erwartete weitere Rückgang in Richtung der Zielmarke von 2 Prozent dürfte sich nur langsam vollziehen, und das Risiko ist gestiegen, dass die Geldpolitik länger restriktiv bleiben muss als bislang erwartet. Weiter Risiken für die Weltkonjunktur sind vor allem geopolitischer Natur und ergeben sich aus den Unwägbarkeiten im Zusammenhang mit den US-Präsidentschaftswahlen. So würde eine Zuspitzung von Handelskonflikten die weltwirtschaftliche Aktivität belasten.
Industrieproduktion und Warenhandel zeigen Anzeichen einer Belebung
Die weltwirtschaftliche Expansion wird zwar nach wie von den Dienstleistungen getragen. Doch scheint sich die globale industrielle Erzeugung im ersten Quartal aus der im vergangenen Jahr verzeichneten Stagnation gelöst zu haben. Nachdem gegen Ende des vergangenen Jahres verzeichneten Anstieg setzte sich die Aufwärtstendenz in den ersten Monaten dieses Jahres fort. Auch der weltweite Warenhandel ist inzwischen wieder aufwärtsgerichtet, nachdem er im vergangenen Jahr spürbar zurückgegangen war. Die zeitweise befürchtete Dämpfung des Handels durch die Sicherheitsprobleme im Roten Meer hat sich nicht eingestellt. Die Umlenkung großer Teile des Schiffsverkehrs von der Suezkanalroute um das Kap der Guten Hoffnung hat aber dazu beigetragen, dass die Frachtraten – weltweit und
insbesondere auf den Strecken zwischen Europa und Ostasien – deutlich gestiegen sind.
Ausblick USA: Der Aufschwung der US-Wirtschaft geht allmählich zu Ende. Der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um lediglich 0,3 Prozent im ersten Quartal dürfte die konjunkturelle Grundtendenz in den Vereinigten Staaten zwar unterzeichnen. So deuten eine erneut kräftige Zunahme der Beschäftigung im Mai und positive Signale von den Einkaufsmanagerindizes auf eine erneut robuste Expansion im zweiten Quartal hin. Allerdings scheint mit dem privaten Konsum die Haupttriebkraft des Aufschwungs nun doch an Schwung zu verlieren, nachdem die während der Pandemie aufgebauten Extra-Ersparnisse in den vergangenen beiden Jahren zu einem großen Teil aufgebraucht wurden und die real verfügbaren Einkommen etwas langsamer zunehmen.
Ausblick Euroraum: Die Konjunkturschwäche im Euroraum wird allmählich überwunden. Die mehr als ein Jahr dauernde Phase nahezu stagnierender Wirtschaftsleistung dürfte im Prognosezeitraum von einer moderaten Expansion abgelöst werden. Zu dem bereits im ersten Quartal dieses Jahres verzeichneten Anstieg des Bruttoinlandsprodukts hat zwar wohl auch die günstige Witterung beigetragen, welche die Bautätigkeit begünstigte und die Konjunktur lediglich vorübergehend anschob. In den kommenden Monaten dürfte aber der private Konsum an Schwung gewinnen, da die realen verfügbaren Einkommen vor dem Hintergrund einer guten Arbeitsmarktlage und bei deutlich gestiegenen Löhnen sowie verringertem Preisauftrieb merklich zunehmen. Zudem dürften sich die Finanzierungsbedingungen mit der erwarteten Lockerung der geldpolitischen Zügel verbessern.
Ausblick Deutschland: In Deutschland setzt laut
Sommerprognose des IfW Kiel für Deutschland eine moderate Konjunkturerholung ein. Im laufenden Jahr dürfte die Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent zulegen (Frühjahrsprognose: 0,1 Prozent). Getragen wird die Erholung vor allem von den wieder anziehenden Exporten und dem Konsum. Eine hohe konjunkturelle Dynamik zeichnet sich jedoch nicht ab. Für 2025 rechnet das IfW Kiel mit einem Anstieg der Wirtschaftsleistung von 1,1 Prozent (Frühjahrsprognose: 1,2 Prozent). Die Inflationsrate dürfte sich bei etwa 2 Prozent einpendeln, der Arbeitsmarkt zeigt sich weitgehend robust.
Ausblick Vereinigtes Königreich: Die Wirtschaft im Vereinigten Königreich kommt allmählich aus der Flaute. Das Bruttoinlandsprodukt legte im ersten Quartal kräftig – um 0,6 Prozent – zu, nachdem es in den sieben Quartalen zuvor insgesamt nicht zugenommen hatte. Angesichts deutlich steigender Reallöhne haben sich die Aussichten für den privaten Konsum spürbar aufgehellt, und die Stimmung in der Wirtschaft hat sich verbessert.
Ausblick Japan: Die Konjunktur in Japan wird durch die Inflation gebremst. In Japan schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2023 um 0,5 Prozent. Sowohl Investitionen als auch privater Konsum und Exporte gingen zurück. Ein Teil der Schwäche zu Jahresbeginn ist darauf zurückzuführen, dass der gesamtwirtschaftlich wichtige Automobilsektor in Schwierigkeiten geriet, nachdem Unregelmäßigkeiten in den Zulassungsverfahren für die Modelle eines Herstellers bekannt wurden. Zeitweise wurde dort die Produktion eingestellt, und die Neuzulassungen brachen zu Jahresbeginn ein. Nachdem sich die Situation im Frühjahr offenbar wieder entspannt hatte – Zulassungen und Produktion zogen im März kräftig an –, wurden Anfang Juni ähnliche Vergehen bei mehreren anderen Herstellern bekannt, so dass für die kommenden Monate mit neuerlichen Belastungen für die Konjunktur zu rechnen ist.
Ausblick China: Strukturelle Probleme bremsen weiterhin die Wirtschaft in China. Trotz eines unerwartet kräftigen Anstiegs des Bruttoinlandsprodukts um 1,6 Prozent im ersten Quartal bleiben die wirtschaftlichen Aussichten für China gedämpft. Die Krise im Bausektor dauert an und geht einher mit sinkenden Investitionen und finanziellen Turbulenzen. Verschlechterte Beschäftigungsaussichten, eine hohe Jugendarbeitslosigkeit und erhöhte Unsicherheit belasten das Konsumklima. Schrumpfende Einnahmen und die hohe Verschuldung der lokalen Gebietskörperschaften bremsen die öffentlichen Investitionen.
Ausblick Schwellenländer: Die Expansion in den übrigen Schwellenländern zieht insgesamt etwas an. Besonders dynamisch expandiert derzeit die indische Wirtschaft, die sich nach den in der Pandemie erlittenen Einbußen allmählich wieder dem Vorkrisentrend annähert. Zuletzt hat sich zwar der Anstieg der Industrieproduktion verlangsamt, die Stimmungsindikatoren deuten aber auf eine weiter kräftige Konjunktur hin. Während die Inflation in Indien in den vergangenen Monaten bei 5 Prozent verharrte und die indische Notenbank die Leitzinsen seit mehr als einem Jahr unverändert ließ, werden in mehr und mehr Ländern mit sinkender Inflation die Zinsen reduziert. Insbesondere in Lateinamerika sind die Zinssenkungen inzwischen sehr deutlich, wenngleich ausgehend von hohen Niveaus. Damit verbessern sich die Aussichten, dass sich die in einigen Ländern
im vergangenen Jahr sehr schwache Konjunktur belebt.
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Das IfW Kiel versteht sich als das Forschungsinstitut für Globalisierungsfragen in Deutschland. Für die Weltweiten Konjunkturbericht zeichnen verantwortlich Klaus-Jürgen Gern, Stefan Kooths, Wan-Hsin Liu, Jan Reents und Nils Sonnenberg. Zum ifw Kiel
Bild oben: Gerd Altmann auf Pixabay
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