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Das Auto – verehrt und verhasst: Ein Symbol der Freiheit
Durch ein tagespolitisches Thesenpapier der FDP mit dem Titel „Fahrplan Zukunft – Eine Politik für das Auto“ ist das Thema über den „richtigen“ Umgang mit dem individuell nutzbaren Personenkraftwagen wieder in den Schlagzeilen. Unabhängig von der etwas skurrilen Forderung einer 49-Euro-Flatrate zum Parken in der Innenstadt ist die Frage von grundlegender Bedeutung: Wie halten wir es mit dem Auto?
Von Professor Dr. h.c. mult Roland Koch
Die innere Einstellung der meisten Bundesbürger auf der einen und die mediale und politische Debatte auf der anderen Seite scheinen häufig in zwei getrennten Welten zu Hause. Die PKW-Neuzulassungen stiegen 2023 im Vergleich zu 2022 um etwa sieben Prozent auf insgesamt rund 2,84 Millionen Fahrzeuge an. Ein Gesamtbestand von 48,8 Millionen PKW hat es zuvor noch nie gegeben. Es gibt auch keinen Anti-Auto-Trend bei den jüngeren Menschen. 2023 waren auf unter 25-Jährige 1,12 Millionen PKWs zugelassen, vor zehn Jahren waren es genauso viele. Wegen der schrumpfenden Bevölkerung heißt das sogar, dass derzeit gut 18,3 Prozent der jungen Menschen ein Auto besitzen, während es 2013 nur 17,5 Prozent waren.
Die mediale und politische Debatte geht in weiten Teilen allerdings auf Konfrontation zu dieser Mehrheit. Autofreie Innenstädte, immer höhere Parkgebühren, Prämien für die Stilllegung von Autos, breite Fahrradwege und Poller in Wohngebieten sind die Stichworte. Durch die – meist ideologisch getönte – Brille des Umweltbundesamtes (UBA) betrachtet, muss das Ziel in der radikalen Reduzierung der PKWs liegen. Das UBA empfiehlt langfristig ein Ziel von etwa 150 Autos pro 1.000 Einwohner in Großstädten. Zum Vergleich: In Berlin sind derzeit etwa 335 Fahrzeuge pro 1.000 Einwohner auf den Straßen unterwegs, in München ca. 503 und in Deutschland insgesamt sind es im Durchschnitt 575 PKW.
Man kann also annehmen, dass diejenigen Politiker, die den Wegweisungen des UBA folgen wollen, auf den Einsatz von Zwangsmitteln angewiesen sind. Immer weniger Parkplätze, immer engere Straßen, immer größere Bereiche, die autofrei oder mit einer Städtemaut versehen sind sowie Tempolimits, von der Dorfstraße bei 20 oder 30 km/h bis zur Autobahn bei höchstens 120 km/h. In manchen großen Städten sind die Umbaumaßnahmen schon in vollem Gang.
Das persönliche Auto hat sehr oft seinen Sinn
Angesichts dieser konfliktträchtigen Situation lohnt es sich, die Sache zunächst einmal grundsätzlich zu sehen. Das individuelle Auto ist historisch ein entscheidender Schlüssel zur persönlichen Emanzipation und Freiheit in modernen Gesellschaften. Es eröffnet die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen in Stadt und Land. Es erlaubt jungen Menschen schon früh eigene Wege zu gehen, es verbindet Freund- und Verwandtschaften in einer arbeitsmobilen Welt und es hat uns allen die Chance gegeben, unseren Kontinent auf eigene Faust bis in die entlegensten Winkel zu erkunden.
In ländlichen Regionen des hessischen Vogelsbergs hat die Mehrheit der Dorfgemeinschaften vor 50 Jahren höchstens die nächste größere Stadt Gießen kennengelernt; Frankfurt war schon zu weit. Ausschließlich wegen der Möglichkeit zur individuellen Bewegungsfreiheit sind inzwischen die Einzugsbereiche für Arbeit, Freizeit, Gesundheit und Erlebnis ohne traditionelle Grenzen. Es ist schon fast verstörend, zu beobachten, dass ernstzunehmende Menschen in Wissenschaft, Politik und Medien glauben, sie könnten demokratische Mehrheiten für einen Ausstieg aus dieser Freiheit erreichen.
Das Auto der Zukunft muss CO2-frei sein
Die Klimakrise ist keine legitime Begründung für diese Anti-Auto-Haltung. Die Ambition der CO2-freien modernen Industriegesellschaft wird nicht (mehr) bestritten. Wir sind auf dem Weg, den Umbau zu realisieren. Es wird noch manche Überraschungen und Enttäuschungen geben, aber im Prinzip werden auch meine Vogelsberger Mitbürger in zwanzig Jahren ihre Bewegungsfreiheit CO2-frei und ohne Angriff auf das Klima leben.
Diese Realisierungsphase ist in einer Demokratie auch ein wichtiger Wettbewerb: Wie wird der Umstieg organisiert? Welche Techniken sind am Ende die preiswertesten und wirkungsvollsten? Da gibt es Punkte im Sinne einer freiheitlichen, marktwirtschaftlichen und pragmatischen Konzeption, um die sich der Streit wirklich lohnen würde:
- Sofortige Gleichstellung aller CO2-freien Technologien mit der Elektromobilität. Wir sehen gerade, dass geplante Produktionsstätten für E-Fuels nicht gebaut werden, weil die Behinderungen der Nachfrage zu groß sind.
- Die CO2-Abgabe muss mit einem sozial fairen Klimageld verbunden werden. Die CO2-Abgabe wird das Fahren mit konventionellen Kraftstoffen nach 2026 wegen des Emissionsrechte-Handels an der Börse schnell verteuern. Dann wird sich die Wechselbereitschaft zu neuen Technologien ohne Zwang aus Eigeninteresse der Nutzer schnell erhöhen.
- Großstädte benötigen große und attraktive Park & Ride-Angebote mit kostenlosen Parkplätzen. Die erheblichen Flächen müssen ebenso im überwiegenden öffentlichen Interesse behandelt werden wie Windräder und Energietrassen.
- Innenstädte müssen für den PKW-Nutzer erreichbar bleiben. Dass der Parkraum an wenigen Stellen konzentriert wird und es attraktive wachsende autofreie Zonen gibt, ist im allgemeinen Interesse. Die Einkaufsmärkte mit ihren großen Parkplätzen an die Peripherie der Städte zu verdrängen war ein Schaden für die Innenstädte.
- Car-Sharing ist eine gute Idee für Großstädte. Es wird noch lange dauern, auch hier sind größere Parkzonen, schnellere Erreichbarkeit und eine ausreichende Anzahl an der richtigen Stelle wichtig. Wahrscheinlich kommt das erst in Schwung, wenn Autos autonom und unbemannt ihre Standorte wechseln können. Das wäre dann berechtigterweise ein Feld für öffentlich unterstützte Modellprojekte.
- Radfahrer müssen sicher und gleichberechtigt in den Straßenverkehr integriert werden. Das erfordert Kompromisse von allen. Aber auch Innenstadtbewohner haben das Recht, mit dem Auto ihre Wohnung gut zu erreichen und in zumutbarer Nähe einen Parkplatz zu finden. Verkehrsberuhigung und Anwohnerparkflächen gehören zusammen.
- Die Autofahrer tragen in beträchtlicher Milliardenhöhe zum Steueraufkommen bei. Sie sollten sicher sein können, dass ein wesentlicher Teil des Geldes für die das Auto betreffende Mobilitätsinfrastruktur, insbesondere deren Erhalt, eingesetzt wird. Wenn es eine Autobahn GmbH gibt, sollte sie auch über einen eigenen Etat aus Mitteln der LKW-Maut und einem Teil der KFZ-Steuer langfristig eigenverantwortlich verfügen können.
- Freude am Autofahren ist keine gemeinschaftsschädliche Haltung. Die Symbolpolitik des Tempo-Limits, das nur etwa ein Prozent der deutschen Straßen betrifft (nicht beschränkte Autobahn-Strecken), sollte endlich fallen gelassen werden. Mit dem Klima hat er nichts zu tun, aber dieses symbolische Gängeln der Mehrheit durch eine Minderheit schadet.
Wer fährt noch Auto? Alle!
Zusammengefasst: Bürger entscheiden selbst, ob sie einen eigenen PKW zur Entfaltung ihrer persönlichen Bedürfnisse wollen. Das ist Freiheit. Der Soziologe und Nationalökonom Max Weber hat „Freiheit“ als die Möglichkeit verstanden, nach eigenem Willen zu handeln. Handeln heißt hierbei, etwas, das für den Handelnden subjektiv sinnvoll ist, zu tun oder zu unterlassen. Die Tageszeitung „taz“ hat 2023 einen Artikel zu dieser Frage mit der Überschrift „Wer fährt noch Auto? Alle!“ versehen und damit die Sache auf den Punkt gebracht. Die Anti-Auto-Ideologen sollten aufgeben.
- Aussichten der Automobilzulieferer trüben sich ein
- Verkehrssicherheit in Europa: Fortschritte und neue Herausforderungen
- Macht und Ohnmacht des Zulieferers
Professor Dr. h.c. mult. Roland Koch ist seit November 2020 Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung. Koch war bis von 1999 bis 2010 Hessischer Ministerpräsident. Altbundeskanzler Ludwig Erhard gründete 1967 die Ludwig-Erhard-Stiftung und gab ihr die Aufgabe, für freiheitliche Grundsätze in Wirtschaft und Politik einzutreten und die Soziale Marktwirtschaft wachzuhalten und zu stärken. Die Stiftung ist von Parteien und Verbänden unabhängig und als gemeinnützig anerkannt. Sie tritt politischem Opportunismus und Konformismus mit einem klaren Leitbild entgegen: Freiheit und Verantwortung als Fundament einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung für den mündigen Bürger. Infos
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