![](https://ddwcdn.b-cdn.net/wp-content/uploads/2024/09/recession-5124813_1200-pixabay-807x538.jpg)
Die deutsche Wirtschaft kommt nicht voran
Bundesweit thront in diesem Jahr die rote Null: Die deutsche Wirtschaft wird 2024 allenfalls stagnieren, zeigt die neue Konjunkturprognose des IW. Der Industriestandort Deutschland schwächelt – es fehlt an Investitionsanreizen. Die Dienstleister verhindern, dass Deutschland in eine schwere Rezession rutscht, während der Maschinenbau ein deutliches Produktionsminus aufweist.
Die deutsche Wirtschaft kommt nicht voran: Hohe Kosten und leere Auftragsbücher belasten die Unternehmen zunehmend. Beliebte deutsche Industrieprodukte wie Maschinen oder Autos verkaufen sich schlechter als in den vergangenen Jahren. Der deutsche Außenhandel ist nach Prognose des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in diesem Jahr rückläufig. Die IW-Konjunkturforscher erwarten, dass die Exporte um ein Prozent und die Importe um zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgehen.
Wo es besonders hakt:
- Weltweit sind deutsche Industrieprodukte – etwa aus dem Maschinenbau und der Fahrzeugindustrie – deutlich weniger nachgefragt. Zudem hat die deutsche Industrie es im internationalen Vergleich schwer, Löhne und Gehälter sind hierzulande hoch, Energie ist teuer.
- Das schlechte Auslandsgeschäft, die anhaltende Bürokratie und die hohen Zinsen für Kredite sorgen dafür, dass Unternehmen wenig investieren. 2024 schrumpften die Investitionen um fast drei Prozent – die Ausrüstungsinvestitionen sogar um 5 ½ Prozent.
- Obwohl die Zahl der Erwerbstätigen – vor allem im Dienstleistungssektor – steigt, nimmt die Arbeitslosigkeit leicht zu, sie steigt auf sechs Prozent.
Dienstleister verhindern Rezession
Einen Lichtblick gibt es aber: den Dienstleistungssektor. Bei Banken, im Handel und in der Gesundheitsbranche hat sich die Geschäftslage verbessert – damit konnten diese Unternehmen, die für rund 70 Prozent der Wirtschaftsleistung stehen, im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahr um etwa 1,6 Prozent zulegen.
„Die Dienstleister verhindern damit eine schwere Rezession der deutschen Wirtschaft“, sagt IW-Konjunkturexperte Michael Grömling. „Leider reicht das bei weitem nicht aus, um die gesamte Wirtschaft anzukurbeln.“ Hier braucht es mehr Mut der Politik, weniger Bürokratie und mehr Investitionsanreize. „Nach den schwierigen Jahren der Pandemie und des andauernden Ukraine-Krieges braucht die Wirtschaft dringend wieder positive Impulse und Zuversicht“, so Grömling. „Anders kommen wir aus der jetzigen Lage nicht heraus.“
Produktion im Maschinenbau 2024 deutlich schwächer als erwartet
Das zeigt sich nicht zuletzt im Maschinenbau, der nach Anzahl der Top-Unternehmen wichtigsten Branche der deutschen Industrie: Der schwache Welthandel und fehlende Investitionen sorgen 2024 im Maschinenbau für ein Produktionsminus von 8 Prozent, vermeldet der Maschinen- und Anlagenbau-Verband VDMA. Eine Trendwende wird wohl erst im Verlauf des Jahres 2025 einsetzen, erwarten die Branchenexperten.
Die Produktion im Maschinen- und Anlagenbau in Deutschland hat in den ersten sieben Monaten des laufenden Jahres mit einem realen Minus von 6,8 Prozent die Erwartungen deutlich verfehlt. „Die Konjunktur verlief in diesem Zeitraum eher enttäuschend. Zwar hatten wir noch nicht mit einer moderaten Erholung gerechnet, wohl aber mit einer nachhaltigen Stabilisierung auf niedrigem Niveau. Diese blieb aus; mehr noch: Der Auftragseingang und auch zahlreiche Geschäftsklimaindikatoren mussten signifikante Rückschläge hinnehmen“, sagt VDMA-Chefvolkswirt Dr. Ralph Wiechers. Daher reduzieren die VDMA-Volkswirte ihre Produktionsprognose für das laufende Jahr von bisher minus 4 auf minus 8 Prozent zum Vorjahr.
Unterhalb der Komfortzone
Laut ifo-Institut lag die Auslastung der Maschinenkapazitäten in den Unternehmen im Juli bei 79,4 Prozent – ein Wert, der signifikant unter der mittleren Bandbreite (84,4 bis 89,1 Prozent) und damit auch deutlich unterhalb der sogenannten Komfortzone liegt. Annähernd die Hälfte der Maschinenbaufirmen (44 Prozent) hatten im Juli zu große technische Produktionskapazitäten. Fast die Hälfte (47 Prozent) der Unternehmen klagte über Produktionsbehinderungen durch Auftragsmangel. „Der Auftragseingang lag in den ersten sieben Monaten des Jahres real 11 Prozent unter seinem Vorjahreswert. Während sich bis einschließlich April noch eine Talsohle sowohl der Auslands-, als auch der Inlandsbestellungen abzeichnete, änderte sich das Bild ab Mai wieder zum Schlechteren“, erläutert der VDMA-Chefvolkswirt.
Laut ifo ist die Kurzarbeit in der deutschen Industrie ist in den vergangenen Monaten leicht gestiegen und dürfte auch weiter zunehmen. Demnach fuhren im August 14,3 Prozent der teilnehmenden Firmen in der Industrie Kurzarbeit, nach 12,5 Prozent im Mai. Für die kommenden drei Monate erwarten dies 23 Prozent – wobei die Erwartung seit 2022 immer über dem tatsächlichen Stand lag. Im langjährigen Vergleich ist die Kurzarbeit leicht erhöht. Der Anstieg sei angesichts der schlechten Wirtschaftslage in der Industrie vergleichsweise gering. „Dies ist allerdings kein positives Zeichen. Vielmehr verdeutlicht es, dass viele betroffene Unternehmen die Krise als sehr schwerwiegend ansehen. Deshalb scheinen sie trotz Arbeitskräfteknappheit eher Beschäftigung abzubauen oder Standorte zu verlagern, statt diese mit Hilfe von Kurzarbeit zu überbrücken”, sagt ifo-Experte Sebastian Link.
Klarer wirtschaftspolitischer Kurs fehlt
Mit einer spürbaren Besserung der Lage ist nach Einschätzung des VDMA aktuell nicht zu rechnen. Die Weltwirtschaft sei geprägt von Verunsicherung, Kriegen und Handelsdisputen. In Europa ist der künftige wirtschaftspolitische Kurs sowohl der EU als auch vieler Mitgliedsstaaten nach den jüngsten Wahlen unklar. Das gelte nicht minder für Deutschland. Zudem hält sich die Inflation in einigen Ländern hartnäckiger als erwartet, mit der Folge, dass Zinssenkungen auf wichtigen Märkten wie den USA oder in der EU langsamer als erwartet erfolgen. In den USA, dem wichtigsten Exportmarkt der deutschen Maschinenbauindustrie, deutet sich eine Schwächeperiode an, in der China aus anderen Gründen bereits seit längerem steckt. Im ersten Halbjahr 2024 sanken die Maschinenexporte aus Deutschland denn auch um nominal 4,8 Prozent auf 100,6 Milliarden Euro.
Zinssenkungen machen Hoffnung
„Hoffnung macht beim Blick voraus, dass die Inflation nahezu weltweit weiter zurückgehen wird. Erste Zentralbanken haben bereits den Zinssenkungszyklus eingeläutet, andere werden folgen. Es besteht also die berechtige Chance darauf, dass zum Jahresende und im Verlauf des Jahres 2025 positive geldpolitische Impulse für den Konjunkturverlauf gesetzt werden“, sagt Dr. Wiechers. „Darüber hinaus sollte in vielen Ländern der private Konsum endlich von den gestiegenen Reallöhnen profitieren. Das sollte sich mittelbar und zeitverzögert positiv auf die Investitionsgüterkonjunktur auswirken“. Schwer einschätzbar ist dagegen, wie sich Handelspolitik und staatliche Finanzen rund um den Globus weiter entwickeln werden. „Zweifelsfrei als Risiken einzustufen sind Handelsbeschränkungen im Allgemeinen, ein verschärfter Handelskrieg der USA mit China, der auch Europa erfasst, die weitere Eskalation des Russland-Ukraine-Kriegs sowie ein anhaltender militärischer Konflikt im Nahen Osten mit Ausweitung auf weitere Länder“, betont der VDMA-Chefvolkswirt.
„Unter der Annahme, dass der Auftragseingang gegen Ende dieses Jahres seine Talsohle erreichen wird, müssen wir uns für die nachlaufende Produktion mindestens für die erste Hälfte 2025 noch auf Minusraten zum Vorjahr einstellen. Zudem starten wir mit einem sogenannten statistischen Unterhang ins neue Jahr, brauchen also im Jahresverlauf Wachstum, um nur das Vorjahresergebnis zu erreichen. Das ist ehrgeizig. Daher schätzen wir, dass die reale Produktion im Maschinen- und Anlagenbau im Jahr 2025 nochmals 2 Prozent unter dem Vorjahr liegen wird. Nominal könnte es auf eine Stagnation hinauslaufen.“
Standort Deutschland braucht endlich wieder mehr Dynamik
Auch im Maschinen- und Anlagenbau wächst die Sorge um die schwindende Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland. „Wir brauchen dringend mehr Wachstumsdynamik und mehr unternehmerische Freiheit. Maßnahmen wie das Wachstumschancengesetz weisen in die richtige Richtung, aber sie sind zu kleinteilig und werden vor allem viel zu zögernd umgesetzt“, bemängelt der VDMA-Chefvolkswirt. „Es muss in Deutschland wieder Freude machen, unternehmerisch tätig zu sein. Dazu gehören ein wettbewerbsfähiges Steuersystem, eine moderne Infrastruktur sowie ein flexiblerer Arbeitsmarkt.“
- Die verfehlte Energiepolitik wird zur Schicksalsfrage für den Standort Deutschland
- Die wichtigsten Branchen der deutschen Industrieunternehmen
- Krisen trotzen: Wie vier Mittelständler ihren Erfolgsweg eingeschlagen haben
Wenn das billigste eAuto von VW mit über 40.000 € mehr kostet als ein junger Facharbeiter im Jahr brutto verdient, dann liegen die Ursachen für die Rezession wohl eher bei den Industrie-Managern als bei der Politik.
Dipl.-Chem. Ulrich Kämper, Energieberater