Endspurt der Ampel beim Bürokratieabbau

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Bei den Olympischen Spielen im Sommer war den Staffelläuferinnen die Anstrengung auf den letzten Metern deutlich anzusehen – aber genau hier zeigte sich, wer wirklich Ausdauer und das Ziel fest im Blick hat. Für die Bundesregierung heißt es jetzt auch Endspurt auf dem Weg zur Zielgeraden. Denn in einem Jahr wird neu gewählt und der Staffelstab übergeben.

von Lutz Goebel

Was wurde beim Bürokratieabbau erreicht, wie steht es um die Qualität der Gesetzgebung und was ist der Stand in Sachen Verwaltungsdigitalisierung? Welche Maßnahmen können bis zum Ende der Legislatur noch umgesetzt werden und welche Aufgaben erbt die nächste Bundesregierung? Diese Fragen beantwortet der Nationale Normenkontrollrat (NKR) als unabhängiges Expertengremium der Bundesregierung in seinem aktuellen Jahresbericht.

Ein Kurswechsel ist zu beobachten

Entgegen vieler Erwartungen fällt unser Zeugnis dieses Jahr etwas milder aus. Denn nach etlichen Belastungsrekorden der vergangenen Jahre ist es gelungen, den Bürokratieaufbau- Trend zu bremsen. Gegenüber den vergangenen Milliardenanstiegen verlangsamt sich der Aufwuchs beim Erfüllungsaufwand – den Kosten, die neue Gesetze verursachen: Das Plus in diesem Jahr beträgt insgesamt noch 400 Mio. Euro. Während die Verwaltung einen Aufwuchs von 820 Mio. Euro schultern muss, wird die Wirtschaft um 432 Mio. Euro entlastet. Dabei sinken die durch den eigentlichen „Papierkram“ verursachten Bürokratiekosten der Unternehmen sogar um 655 Mio. Euro. Nach all den berechtigten Klagen über die ungebremste Regelwut der Politik ist es jetzt auch mal an der Zeit anzuerkennen, dass zumindest für diesen Moment ein Kurswechsel zu beobachten ist. Das jeher trocken daherkommende Schlüsselthema Bürokratieabbau ist im Zentrum vieler Debatten angekommen. Alle wissen, ohne spürbare Vereinfachungen und mehr Schnelligkeit vergeudet Deutschland wertvolle Ressourcen und verschwendet Zeit mit Administration statt Wertschöpfung. Das vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) und das Wachstumschancengesetz haben im Wesentlichen dazu beigetragen, dass der NKR dieses Jahr keine neuen Hiobsbotschaften verkünden muss.

„Wovon viele träumen – ein Deutschland, in dem Unternehmen gerne wirtschaften, Verwaltungen ihrer Aufgaben Herr werden und Bürger in die Handlungsfähigkeit ihres Staates vertrauen“

Um den bisherigen Belastungstrend umzukehren und im Saldo zu dauerhaften Entlastungen zu kommen, brauchen wir aber weitere Anstrengungen. Die im Sommer 2024 beschlossene Wachstumsinitiative muss deutlich nachgeschärft werden, wenn das angestoßen werden soll, wovon viele träumen – ein Deutschland, in dem Unternehmen gerne wirtschaften, Verwaltungen ihrer Aufgaben Herr werden und Bürger in die Handlungsfähigkeit ihres Staates vertrauen. Die Ankündigung, jedes Jahr ein Bürokratieentlastungspaket zu schnüren, ein Bürokratiemeldeportal einzurichten, EU-Recht minimalistisch in deutsches Recht zu übersetzen und systematische Praxis-Checks in allen Ministerien einzuführen – das ist die richtige Ansage zur richtigen Zeit. Aber wird es der Bundesregierung angesichts der zu beobachtenden Fliehkräfte innerhalb der Regierungskoalition gelingen, ihre Ankündigungen bis zum Ende der Legislaturperiode in verbindliche Gesetzexte zu gießen und in sichtbare Erfolge zu verwandeln? Nötig wären weiterführende Beschlüsse, die erkennen lassen, wie die ambitionierten Ziele umgesetzt werden sollen.

Bürokratieabbau ist möglich, wenn die Politik ihn will

Wichtig wäre es, den vorgesehenen Belastungs-Abbaupfad konkret zu fassen. Der NKR schlägt vor, den laufenden Aufwand aus Gesetzen innerhalb von vier Jahren um 25 abzubauen. Gerechnet auf ein Kalenderjahr wären das ca. 5 Mrd. Euro. Um dieses Ziel zu erreichen, sollte die so genannte „One in one out“-Regel geschärft werden, indem Ausnahmen wie z.B. die Umsetzung von EU-Richtlinien oder der Aufwand für Bürger und Verwaltung in Zukunft berücksichtigt und damit kompensationspflichtig wird. Wie bei der Bekämpfung des Klimawandels müssen wir den Aufwuchs unnötiger Bürokratie durch die Begrenzung der „Verschmutzungsrechte“ bändigen. Nicht zuletzt sollten auch die Rahmenbedingungen für den NKR in den Blick genommen werden, um die Wirksamkeit seiner Arbeit weiter zu erhöhen. Eine Überlegung, den NKR wieder beim Bundeskanzleramt anzusiedeln, ist nur dann sinnvoll, wenn damit eine viel stärkere Aufmerksamkeit der Regierungszentrale für den Themenbereich einhergeht. Nachdenken sollte man auch über den Vorschlag, den NKR mit einem aufschiebenden Veto bei aufwändig zu vollziehenden Gesetzentwürfen auszustatten, so dass bei einer negativen Stellungnahme das jeweilige Ressort „nacharbeiten“ müsste. Vorgänge müssen nicht aufgehalten werden können, sollten aber nachsitzen, wenn Zweifel am Aufwand bestehen. Das NKR-Schwestergremium auf EU-Ebene ist mit solch einem Vetorecht ausgestattet. Wer ambitionierte Entlastungsziele erreichen will, muss die Instrumente schärfen. Der NKR ist ein solches Instrument.

Der diesjährige Bericht des NKR macht deutlich: Bürokratieabbau ist möglich, wenn die Politik ihn will. Aber die Zeit rennt ihr davon. In der politischen Sommerpause hat man die Olympia-Läuferinnen für ihr Ziel kämpfen sehen. Das wird auch von der Bundesregierung erwartet. Alle Ressorts müssen jetzt beim Bürokratieabbau mitziehen und zeigen, dass den Ankündigungen auch Taten folgen und eine echte Trendwende beim Bürokratieabbau eingeleitet werden kann. Die Bundesregierung hat Ambition erkennen lassen. Wenn sie eine Bürokratieabbau-Medaille gewinnen will, muss sie auf den letzten Metern dieser Legislatur noch einen Zahn zulegen.

Lutz Goebel ist Vorsitzender des Nationalen Normenkontrollrates. Der Unternehmer (Geschäftsführender Gesellschafter Henkelhausen GmbH & CO. KG) ist zudem Mitglied des Präsidiums des Verbandes Die Familienunternehmer, dessen Präsident er viele Jahre war.

Eine Antwort zu “Endspurt der Ampel beim Bürokratieabbau”

  1. Wenn wir nur schon soweit wären: beim Endspurt für den Bürokratie-Abbau. Tatsächlich erfordert der Abbau von regulativer Bürokratie oft geschätzt das Doppelte an Aufwand, um zu erkennen und zu verstehen, was sich als überflüssige Bürokratie erweist und was zwar lästig, aber notwendig und sinnvoll ist. Das Bewusstsein und der Wille zur Bürokratievermeidung müssen von vornherein jede regulative Maßnahme begleiten!

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