
DAC, BECCS, CCUS, ERW, BiCRS: Warum man den neuen CO₂-Fachjargon kennen sollte
Sind Ihnen Begriffe wie CDR, DAC, BECCS, CCUS, ERW und BiCRS bekannt? Diese Akronyme reichen aus, um einen neuen Fanta4 Song zu schreiben, stehen aber für neue Technologien zur CO2-Abscheidung, die innovative Wege zur Erreichung der Klimaneutralität versprechen. Wir klären auf – und beantworten die wichtigsten Fragen.
Der IPCC-AR6-Bericht vom März 2023 hebt hervor, dass herkömmliche Maßnahmen wie die Steigerung der Energieeffizienz, die Umstellung von Verkehrs- und Abfallsystemen und der Schutz natürlicher Ökosysteme möglicherweise nicht ausreichen, um die Erderwärmung bis 2100 auf 1,5 °C zu begrenzen – wie es im Pariser Abkommen festgelegt ist. Auch ehrgeizige Ziele wie die Klimaneutralität der EU bis 2050 und Deutschlands Plan, bis 2045 CO2-neutral zu werden, könnten gefährdet sein. Ein aktueller Bericht des UNEP warnt sogar davor, dass wir möglicherweise bereits vom Kurs abgekommen sind, was dazu führen könnte, dass die globale Temperatur bis 2100 um 3,1 °C ansteigt.
Kann die Lösung alleine in noch strengeren Vorgaben zur CO2-Reduktion und -Vermeidung liegen? Diese Vorstellung dürfte speziell für viele deutsche Industriebereiche den vollständigen Kollaps bedeuten.
Einen Ausweg können Technologien für die aktive Entnahme von Emissionen aus der Atmosphäre bieten – zusammengefasst als Carbon Dioxide Removal, CDR. Auch das IPCC schlägt vor dem Hintergrund des drohenden Scheiterns der globalen Klimaziele vor, Investitionen in derartige Technologien voranzutreiben. Dies hat zu einem neuen Fokus auf den CO2-Märkten geführt, wobei der Climate-Tech Sektor zunehmend auf Technologien zur groß angelegten, dauerhaften CO₂-Entnahme (CDR) setzt, um den dringenden Anforderungen der Klimakrise gerecht zu werden.
Was bedeutet CDR?
Der IPCC definiert CO₂-Entnahme (CDR) als
“Entfernung von CO₂ aus der Atmosphäre und dauerhafte Speicherung in geologischen, terrestrischen oder ozeanischen Reservoirs oder in Produkten. Dies umfasst bestehende und potenzielle anthropogene Verstärkungen biologischer oder geochemischer Senken sowie direkte Luftabscheidung und -speicherung, schließt jedoch natürliche CO₂-Aufnahme, die nicht direkt durch menschliche Aktivitäten verursacht wird, aus.” (IPCC 2022, S. 807).

Es gibt verschiedene Technologien, die als „negative Emissions-Technologien” bezeichnet werden und zur CO₂-Entnahme eingesetzt werden können. Dazu zählen DAC (Direkte Luftabscheidung – Direct Air Capture), BECCS (Bioenergie mit CO₂-Abscheidung und -Speicherung – Bioenergy with Carbon Capture and Storage), ERW (beschleunigte Verwitterung von Gestein – Enhanced Rock Weathering) und BiCRS (Biochar-CO₂-Speicherung – Biochar Carbon Removal and Storage).
Arten von CDR-Technologien
1. Naturbasierte CDR:
Auch als biologische CDR bezeichnet, nutzen diese Lösungen natürliche Prozesse und Ökosysteme, um durch Photosynthese CO₂ aus der Atmosphäre zu entfernen und es in natürlichen „Senken“ wie Bäumen, Pflanzen, Böden, Mineralien oder marinen Sedimenten zu speichern.
Zu den häufigsten Methoden gehören:
Aufforstung, Wiederaufforstung und Wiederbegrünung: Das Pflanzen von Bäumen in neuen Gebieten (Aufforstung) oder das Wiederanpflanzen von Bäumen in abgeholzten Gebieten (Wiederaufforstung/-begrünung) erhöht die Waldfläche.
Boden-CO2-Speicherung: Verbesserte landwirtschaftliche Praktiken wie pfluglose Bodenbearbeitung, Zwischenfruchtanbau und organische Bodenverbesserungen erhöhen den Kohlenstoffgehalt im Boden, speichern CO₂ und verbessern gleichzeitig die Bodenqualität und Produktivität.
Wiederherstellung von Feuchtgebieten und Mooren: Die Wiederherstellung von Feuchtgebieten und Mooren hilft diesen Ökosystemen, ihre natürlichen Kohlenstoffspeicherfunktionen zurückzugewinnen. Sie speichern Kohlenstoff in organisch-reichen Böden und bieten zudem wichtige Lebensräume und Hochwasserschutz.
Blauer Kohlenstoff (Blue Carbon): Küstenökosysteme wie Mangroven, Seegraswiesen und Salzwiesen binden CO2 sowohl in der Pflanzenbiomasse als auch in Sedimenten, wo er über Jahrhunderte gespeichert bleiben kann. Diese Systeme schützen auch Küsten und fördern die Biodiversität.
2. Technologiebasierte CDR:
Hier erfolgt die CO₂-Entnahme normalerweise durch chemische bzw. technische Prozesse und wird in Gesteinen und Materialien gespeichert.
DAC (Direct Air Capture / Direkte Luftabscheidung): DAC ist eine Technologie, die chemische Reaktionen nutzt, um Kohlenstoffdioxid (CO₂) direkt aus der Atmosphäre abzuscheiden. Das entnommene CO₂ kann unterirdisch gespeichert oder in Produkten verwendet werden, was die CO2-Werte in der Atmosphäre effektiv reduziert (dann spricht man von DACCS).
BECCS (Bioenergy with Carbon Capture and Storage / Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -speicherung): BECCS kombiniert die Energieerzeugung aus Biomasse mit CO₂-Abscheidung und -Speicherung. Dabei wird CO₂ entfernt, da Pflanzen es während ihres Wachstums aufnehmen, und nach der Abscheidung dauerhaft speichern. Dieser Prozess erzeugt Energie und erreicht gleichzeitig negative Emissionen. Dies kann mit Biomasse, Ethanol, Müllverbrennung oder sogar Algen-Biokraftstoffkraftwerken erreicht werden.
ERW (Enhance Weathering / Beschleunigte Verwitterung von Gestein): Diese Methode zielt darauf ab, den natürlichen Verwitterungsprozess bestimmter Gesteinsarten, insbesondere Silikat- und Karbonatminerale, zu beschleunigen. Wenn diese Gesteine fein zermahlen und über Böden verteilt werden, reagieren sie chemisch mit CO₂ in der Luft oder Bodenfeuchtigkeit und bilden stabile Karbonate, die CO₂ für Tausende von Jahren binden. ERW fängt nicht nur CO₂ ein, sondern kann auch die Bodenqualität durch die Zugabe von Mineralien verbessern und bietet damit einen multiplen Nutzen für Klimaschutz, Bodengesundheit und landwirtschaftliche Produktivität. Diese Technik wird oft für den großflächigen Einsatz in der Landwirtschaft und auf degradierten Flächen in Betracht gezogen.
BiCRS (CO2-Entnahme durch Pflanzenkohle und Speicherung): Diese Methode beinhaltet die Herstellung von Pflanzenkohle – ein stabiles, CO2-reiches Material, das durch das Erhitzen von organischer Biomasse (wie Holz, Ernterückständen oder Dung) in einer sauerstoffarmen Umgebung entsteht. Diesen Prozess nennt man Pyrolyse. Wenn Pflanzenkohle in Böden eingebracht wird, speichert sie CO2 für Hunderte von Jahren und verhindert, dass das CO₂ in die Atmosphäre zurückkehrt. Neben der CO2-Bindung kann Pflanzenkohle die Bodenqualität verbessern, indem sie die Wasserhaltefähigkeit, Nährstoffverfügbarkeit und die mikrobielle Aktivität fördert. Pflanzenkohle kann auch mit Materialien und Zement vermischt und dauerhaft gespeichert werden, um die Emissionen, die mit diesen Produkten verbunden sind, zu reduzieren.
Ist CDR dasselbe wie Carbon Capture and Storage (CCS)?
Ja und Nein. CCS ist eine Technologie, die Emissionen an punktuelle Quellen wie Industrieanlagen abfängt. CCS entfernt an sich kein CO₂, das bereits in der Atmosphäre ist, sondern verhindert, dass weiteres CO₂ in die Atmosphäre gelangt – vorausgesetzt, es steht ein geologischer Speicherplatz für eine dauerhafte Lagerung zur Verfügung.

CCS-Technologien sind in Bereichen wie der Gasverarbeitung oder der verstärkten Erdölförderung bereits relativ ausgereift. Für stark umweltschädliche Industrien wie Zement-, Stahl-, Eisen-, Chemie- oder Energieproduktion werden sie derzeit ausgebaut und subventioniert.
Bei CCS-Technologien wird CO₂ normalerweise im flüssigen Zustand tief unter der Erde (in der Regel mehr als 800 m tief) gespeichert. Dort bleibt es in den Poren von Gesteinsformationen eingeschlossen, löst sich langsam in salzigem Wasser auf und wird schließlich in feste Mineralien umgewandelt. Erschöpfte Öl- und Gaslagerstätten oder salzhaltige Aquiferen können – wenn sie sorgfältig ausgewählt werden – CO₂ sicher für Tausende von Jahren speichern.
Bei bestimmten CDR-Methoden kann CCS eine entscheidende Rolle spielen, indem es den benötigten Speicherplatz bereitstellt.
Warum ist CDR wichtig?
Viele Sektoren wie die Luftfahrt, die Landwirtschaft und die Schwerindustrie werden weiterhin unvermeidbare Emissionen haben, die nur schwer vollständig eliminiert werden können. Der IPCC schätzt, dass wir bis 2050 zwischen 6 und 10 Gigatonnen CDR pro Jahr und bis 2100 insgesamt 100 bis 1000 Gt CDR benötigen, um die verbleibenden Emissionen aus solchen Sektoren zu entfernen.
Das deutsche Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) sieht nach 2050 negative Treibhausgasemissionen vor, das heißt, mehr Entnahmen als Emissionen. Damit hat sich Deutschland zur Nutzung von CDR verpflichtet.
Die EU selbst hat ihren Rahmen für die Zertifizierung von CO2-Entnahmen mit dem Carbon Removal Certification Framework (CRCF) geschaffen, das darauf abzielt, den Sektor zu standardisieren.
Eine Kommission wird 2026 die Einbeziehung von CDR in das EU-Emissionshandelssystem (EU ETS) prüfen, den verpflichtenden Kohlenstoffmarkt, der etwa 10.000 Anlagen umfasst und 45 % der EU-Emissionen repräsentiert. In diesem Markt haben Unternehmen eine Emissionsobergrenze und können Emissionszertifikate austauschen. In Zukunft könnten sie möglicherweise Arbitrage betreiben und CDR-Gutschriften kaufen, was neue Nachfrageströme aus dem verpflichtenden Markt schaffen und die Skalierung von CDR weiter vorantreiben wird.
Wer finanziert CDR?
CDR-Technologien befinden sich noch in unterschiedlichen Entwicklungsstadien und sind ohne Unterstützungsmechanismen wie öffentliche Fördermittel durch EU- oder nationale Programme noch nicht wirtschaftlich tragfähig. Eine weitere Unterstützung erfolgt durch den freiwilligen Kohlenstoffmarkt, bei dem Unternehmen CDR-Zertifikate zur Kompensation ihrer Emissionen kaufen können.
Der freiwillige Kohlenstoffmarkt war bisher eine der wichtigsten Kapitalquellen für die Entwicklung von CDR-Technologien und wird diese Rolle vermutlich weiterhin übernehmen, bis CDR stärker in öffentliche Förderprogramme und verpflichtende Märkte integriert wird. Zwar liegen die Kosten zur CO₂-Reduktion bei Technologien wie DAC derzeit bei über 800 € pro Tonne, doch erwartet man, dass sie in Zukunft auf 100 € pro Tonne sinken könnten. Dadurch würden CDR-Technologien für mehr Käufer zugänglich und könnten besser in Strategien Unternehmensinterner CO2-Preis Strategien und das EU-Emissionshandelssystem (EU ETS) eingebunden werden.
Warum wenden sich Unternehmen jetzt CDR zu?
Angesichts des steigenden Drucks von Stakeholdern, Kunden und durch ESG-Vorschriften setzen immer mehr Unternehmen auf Nachhaltigkeitsstrategien und Net-Zero-Verpflichtungen, die sie mithilfe von Rahmenwerken wie der Science Based Target Initiative (SBTi) umsetzen.
Im Rahmen dieser Initiativen sind Unternehmen nicht nur dazu angehalten, sondern verpflichtet, das Problem der unvermeidbaren Restemissionen anzugehen, die durch herkömmliche Reduktionsmaßnahmen nicht eliminiert werden können. Hier kommen CDR-Zertifikate ins Spiel. Diese CDR-Zertifikate können von Projektentwicklern und auf Marktplätzen im freiwilligen CO2-Markt gekauft werden.
Planet2050 ist eines dieser aufstrebenden Klima-Tech-Unternehmen, das weltweit CO2-Projekte entwickelt und CDR integriert. Dessen CEO, Lucas Zaehringer, sagt gegenüber DDW zur Bedeutung von CDR für Unternehmen: „In der aktuellen Situation sollte ein Unternehmen nicht ausschließlich auf die Reduktion eigener Emissionen setzen. Es ist außerdem nicht mehr akzeptabel, Emissionen einfach durch Zertifikate zur Vermeidung von CO2 auszugleichen, wie es in der nahen Vergangenheit oft üblich war. Echte Klimaverantwortung bedeutet, Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu reduzieren und zusätzlich in qualitativ hochwertige Technologien zur CO2-Entnahme zu investieren, welche Emissionen dauerhaft und über Jahrhunderte sicher speichern.”
Wer kauft CDR-Zertifikate?
Unternehmen wie Microsoft, Airbus, Google, Swiss Re, Klarna, UBS, JPMorgan, Bain und Bayer gehören zum „Buyer Leaderboard“ von CDR.fyi, einer Plattform, die Marktinformationen bereitstellt und die Entwicklung des CDR-Ökosystems einschließlich Abnahmevereinbarungen führender Unternehmen verfolgt.
Die Plattform, die vierteljährlich Marktberichte veröffentlicht, meldete für das Jahr 2024 ein Gesamtvolumen von fast 6,6 Millionen Tonnen an vertraglich vereinbarter CDR für den Zeitraum Q1-Q3.
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