„Jetzt kommt die große Zeit der CO2-Entnahmen“

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Steht die Klimapolitik vor einer Neubewertung? Für die Erreichung des ehrgeizigen Ziels einer klimaneutralen Wirtschaft werden Maßnahmen der Reduktion von CO₂ nicht ausreichen. Ein Beitrag zur Lösung kann die aktive Entnahme von CO₂ aus der Atmosphäre sein. Wie Unternehmen und Investoren jetzt schon aktiv werden.

Nicht nur der politische und regulatorische Druck wächst. Auch gegenüber Stakeholdern und Kunden setzen immer mehr Unternehmen auf Nachhaltigkeitsstrategien und Net-Zero-Verpflichtungen. Neben herkömmlichen Reduktionsmaßnahmen entlang der eigenen Wertschöpfungskette nimmt dabei die aktive Entnahme von Emissionen aus der Atmosphäre eine immer wichtigere Rolle ein, sogenanntes CDR (Carbon Dioxide Removal). Warum diesem die Zukunft gehört, erläutert im DDW-Interview Lucas Zaehringer, CEO von Planet2050, einem Klima-Tech-Unternehmen, das weltweit CO2-Projekte entwickelt und finanziert.

Stehen wir vor einem Scherbenhaufen der Klimapolitik? Trotz großer Opfer, speziell in der deutschen Wirtschaft, wird der Pfad der Klimaneutralität offenbar nicht erreicht.

Lucas Zaehringer: Es stimmt, dass herkömmliche Maßnahmen wie die Steigerung der Energieeffizienz, die Umstellung von Verkehrs- und Abfallsystemen und der Schutz natürlicher Ökosysteme möglicherweise nicht ausreichen, um die Erderwärmung bis 2100 auf 1,5 °C zu begrenzen – wie es im Pariser Abkommen festgelegt ist. Das sagt sogar das IPCC, das International Panel on Climate Change. Auch ehrgeizige Ziele wie die Klimaneutralität der EU bis 2050 und Deutschlands Plan, bis 2045 CO2-neutral zu werden, könnten gefährdet sein. Das ändert nichts an der Richtigkeit und Notwendigkeit des Ziels. Es muss aber neu gedacht werden, wie es erreicht werden kann.

Wohin gehen diese neuen Überlegungen?

Sowohl das IPCC, als auch die EU und das deutsche Bundes-Klimaschutzgesetz sehen bereits negative Treibhausgasemissionen als zusätzlichen Weg vor. Bezogen auf die Atmosphäre heißt das: mehr Entnahmen als Emissionen von CO2. Der Kernbegriff lautet CDR, Carbon Dioxide Removal. Bereits heute gibt es eine Vielzahl von Projekten und Innovationen auf diesem Gebiet.

Welche Verfahren gibt es?

Lucas Zaehringer ist CEO des Klima-Tech-Unternehmens Planet2050, das hochwertige CO2-Projekte fördert und finanziert

Man unterscheidet in naturbasierte und technologiebasierte Verfahren. Zu ersteren gehören beispielsweise Aufforstung, organische Bodenverbesserungen oder die Wiederherstellung von Feuchtgebieten und Mooren. Technologisch kann die CO₂-Entnahme durch verschiedene chemische bzw. technische Prozesse erfolgen, und der Kohlenstoff wird dann in der Erde, Gesteinen und Materialien gespeichert.

Wie kann CDR von Unternehmen konkret genutzt werden?

Schon heute haben sich viele Unternehmen freiwillig auf Nachhaltigkeitsstrategien und Net-Zero-Verpflichtungen begeben. Im Rahmen dieser Initiativen sind Unternehmen nicht nur dazu angehalten, sondern verpflichtet, das Problem der unvermeidbaren Restemissionen anzugehen, die durch herkömmliche Reduktionsmaßnahmen nicht eliminiert werden können. Hier kommen CDR-Zertifikate ins Spiel. Diese CDR-Zertifikate können von Projektentwicklern und auf Marktplätzen im freiwilligen CO2-Markt gekauft werden.

„Hier entsteht ein echter Markt, sowohl für Projektentwickler, als auch für Investoren und Unternehmen; ein Markt im Sinne des Klimaschutzes“

Was ist der Unterschied zu dem heute bereits bestehenden Zertifikate-Handel?

In der nahen Vergangenheit war es oft üblich, Emissionen einfach durch Zertifikate zur Vermeidung von CO2 auszugleichen. Das ist aus einer globalen Klimaperspektive eigentlich nicht mehr akzeptabel. Echte Klimaverantwortung bedeutet, Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu reduzieren und zusätzlich in qualitativ hochwertige Technologien zur CO2-Entnahme zu investieren. Also Emissionen zu entnehmen und dauerhaft über Jahrhunderte sicher zu speichern.

Wie weit ist der Markt heute bereits?

Alleine 2024 wurden CDR von rund zehn Millionen Tonnen von verschiedenen Akteuren vertraglich vereinbart. Microsoft beispielsweise hat mit 1PointFive einen Vertrag über 500.000 Tonnen CDR für die nächsten sechs Jahre abgeschlossen. Die CO2-Entnahme soll aus „Stratos“ hervorgehen, der ersten industriellen DAC-Anlage von 1PointFive, die derzeit in Texas gebaut wird. Equinor hat mit Ørsted einen Vertrag über den Kauf von 330.000 Tonnen CDR über einen Zeitraum von zehn Jahren abgeschlossen. Die Zertifikate stammen aus dem Ørsted Kalundborg CO₂ Hub, der ab 2026 jährlich 430.000 Tonnen biogenes CO₂ aus zwei Biomasse-Kraftwerken von Ørsted entnehmen soll. Und der Rückversicherungsgigant Swiss Re unterzeichnete einen Sieben-Jahres-Vertrag über 70.000 CDR-Zertifikate von Exomad Greens neuer Pflanzenkohle-Anlage in Riberalta, Bolivien.

Wenn der Markt wächst, wie diese Großprojekte zeigen: Wird CDR auch ein Thema für Mittelstand und Privatinvestoren?

Die genannten Beispiele repräsentieren Vorreiter, die schon jetzt massiv aktiv werden. Wahr ist aber, dass diese den Weg für eine größere Bewegung von Nachfolgern ebnen. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass Technologien und Markt für CDR bereits jetzt skaliert werden müssen, um bis 2050 ausreichende Kapazitäten sicherzustellen. Es entsteht ein riesiger Zukunftsmarkt. CDR-Zertifikate können schon heute von Projektentwicklern und auf Marktplätzen im freiwilligen CO2-Markt gekauft werden. Der Handel mit CO2-Zertifikaten soll laut Finanzexperten und Banken schon 2030 auf bis zu 250 Milliarden Dollar wachsen. Das heißt: Hier entsteht ein echter Markt, sowohl für Projektentwickler, als auch für Investoren und Unternehmen; ein Markt im Sinne des Klimaschutzes. Denn der freiwillige Kohlenstoffmarkt bietet die Gelegenheit, heute in Projekte und Technologien zu investieren, die entscheidend sind, um globale Klimaziele zu erreichen und eine lebenswerte Zukunft auf unserem Planeten zu sichern. Dabei wird in absehbarer Zukunft die Nachfrage nach CDR das Angebot übersteigen, was die Preise in die Höhe treiben wird. Ein Grund für Unternehmen, sich frühzeitig Offtake-Agreements zu sichern.

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Den Interviewpartner erreichen Sie unter lucas.zaehringer@planet2050.earth oder auf LinkedIn.

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