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Ulf Poschardts Klassenkampf gegen das „Shitbürgertum“
Schon im Vorfeld erregte ein Buch für Aufsehen, weil der Verlag dem Autor den Stuhl vor die Tür gesetzt – und es damit nun zur Nr.1 auf Amazon gemacht hat.
Von Dr. Dr. Rainer Zitelmann
Respekt! Das neue Buch des Welt-Herausgebers Ulf Poschardt „Shitbürgertum“ ist bei Amazon in Deutschland Besteller Nr. 1. Obwohl ich weltweit einige Bestseller gelandet habe, ist mir das bislang nicht gelungen. Das macht Autoren Mut, denn das Buch ist nicht in einem regulären Verlag erschienen, sondern im Selbstverlag. Poschardt hat aus der Not eine Tugend gemacht, denn sein Buch sollte eigentlich im zu Klampen-Verlag erscheinen, der dann aber meinte, es tendierte „zu sehr in Richtung Polemik“.
Was ist an dem Buch so schlimm, dass der Verlag den Autor vor die Tür setzt? Wird dort das Hohelied auf Björn Höcke gesungen? Im Gegenteil. Poschardt, der Anti-Etatist, hält Höcke für den geistigen Bruder von Grünen und Linken, die alle die Staatsvergottung eint.
„Macht kaputt was euch kaputt macht“
Auf der Rückseite des Buches prangt ein Spruch, den nur die Älteren noch kennen: „Macht kaputt, was euch kaputt macht.“ Das war der Titel eines Songs der linksextremen Band „Ton, Steine, Scherben“ (deren Managerin übrigens Claudia Roth war, vielleicht der einzige Job, bei dem sie nicht vom Geld des Steuerzahlers lebte). Die bekannteste Platte diese Gruppe hieß „Keine Macht für niemand.“
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Es gibt Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen „Ton Steine Scherben“ und Poschardts Buch: Eine Gemeinsamkeit ist die Selbstverortung in der Nähe des Anarchismus, nur dass Poschardt den Anarcho-Kapitalisten Javier Milei bewundert, während Ton-Steine-Scherben den Kapitalismus zerstören wollten. Jeder „Keine Macht für niemand“-Platte lag eine Steinschleuder bei, gedacht für Demonstrationen, damit man was gegen „die Bullen“ in der Hand hat. Poschardts Büchlein kommt ohne Steinschleuder daher. Und auch ohne gewalttätige Sprüche wie in der Platte, in der es in einem Song hieß: „…und hau den ersten Bullen, die da aufkreuzen ihre Köppe ein“.
Nein, das ist nicht die Sprache dieses Buches. Aber auch Poschardts Sprache erinnert eher an die linken 68er, an Leute etwa wie Hans-Jürgen Krahl. Es ist eine Sprache der Intellektuellen, da war Ton-Steine-Scherben proletarischer, einfacher, derber. Poschardt war früher ein Linker. Er verleugnet das nicht – warum auch? Das hat er gemeinsam mit vielen, die heute liberal, libertär oder konservativ sind. Es sind oft die Besten: Libertäre bzw. klassisch Liberale wie der Anarchokapitalist Murray Rothbard, der Vordenker der Österreichischen Schule Friedrich August von Hayek, der amerikanische Ökonom Thomas Sowell oder der italienische Rechtsphilosoph Bruno Leoni waren früher Linke. Und auch liberale deutsche Autoren wie Henryk M. Broder, Reinhard Mohr, Jan Fleischhauer oder Dieter Nuhr waren früher links bzw. grün. Ich selbst übrigens auch: mit 13 Jahren gründete ich an meiner Schule eine Rote Zelle und verlegte die Zeitung „Rotes Banner“. Natürlich hörte ich begeistert „Ton, Steine, Scherben“.
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Dem Klassenkampf treu geblieben
Das Buch ist vor allem eine Ansammlung wunderbarer Aphorismen. Poschardt hat Freude am Spielen mit der Sprache: „Die Studienabbrecher und Sabbatical-Teenis, die Auszeitnehmer und ‚Ich finde Arbeit nicht so wichtig’-Leute halten sich für progressiv, dabei sind sie vor allem unsozial, weil andere ihnen die Sozialleistungen, das BaföG, das Stipendium, das Wohngeld, die Vergünstigungen und Privilegien finanzieren müssen, ohne die ihr Leben nicht so angenehm und sorgenfrei wäre.“
Der Autor ist dem Klassenkampf treu geblieben. Aber sein Klassenkampf richtet sich nicht gegen die Kapitalisten, also gegen die Unternehmer, die Werte schaffen. Sondern gegen das „Shitbürgertum“, also Heerscharen von Diversity-Managern, Gleichstellungsbeauftragten und sonstigen Beauftragten, Genderforschern, hauptberuflichen „NGO“-Aktivisten, ÖRR-Journalisten, Politikern usw., die sich einbilden, eine Gesellschaft könne funktionieren, wenn sie nur aus solchen Leuten bestünde und die Arbeiter, Unternehmer und andere Produktive zutiefst verachten. Ihnen möchte man zurufen: Dann macht doch euren Sch… alleine. Und hofft, dass nie passiert, was Ayn Rand in ihrem Buch „Atlas Shrugged“ beschrieb, dass die Unternehmer eines Tages streiken.
Poschardt: „Deswegen geht es künftig politisch nicht darum, dieses Bürgertum und seine steuerfinanzierten Institutionen zu reformieren, sondern umfassend zu defunden, das heißt, den Härten des Marktes auszusetzen. Da, wo es den Markt in Deutschland überhaupt noch gibt. Der vorpolitische Raum muss von Steuergeldern bereinigt werden. Dort ist das Biotop des Shitbürgertums. Sie leben vom Geld derjenigen, die sie beschimpfen, verachten und zerstören.“
Die Linke, aus der Poschardt kommt, war antiautoritär – zumindest wollte sie sich selbst so sehen. Poschardt ist antiautoriär geblieben, aber die moderne Linke ist zutiefst autoritär: „Im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2025 zeigt die Diskussion um Meldestellen und Denunziationshotlines, dass die einst antiautoritäre Linke am Ende ihres Marsches durch die Institutionen den Staat gewissermaßen als parteiischen Schiedsrichter in ihrem Team versteht, mit dessen Hilfe die Vorherrschaft im vorpolitischen Raum abgesichert und im Zweifelsfall ausgebaut werden soll.“
Getrieben wird diese Schicht vom Neid auf jene, die in der Wirtschaft erfolgreich sind. Poschardt prangert den „Machthunger einer akademischen, oberen Mittelschicht“ an, „die darunter leidet, dass es Menschen gibt, die mehr können, wollen und besitzen als sie“.
Freilich konnten sie nur erfolgreich sein wegen des grenzenlosen Opportunismus, auch und gerade in der Wirtschaft: „In Deutschland war die Unterwerfung unter den Zeitgeist in vielen DAX-Konzernen weit verbreitet, weil sich damit – ziemlich schnöde – die Hoffnung auf Milliarden-Subventionen verband, die von den politischen Armen des Shitbürgertums von der Merkel-CDU bis zur Linkspartei genehmigt werden sollten.“ Ich denke, auch solche wirtschaftlichen Motive mögen eine Rolle spielen, aber vielleicht sind es einfach nur Feigheit und Opportunismus, oder der Wunsch des DAX-Vorstandes nach ein wenig Zuneigung von seinen Fridays-for-Future-Kids oder der mit zunehmendem Alter immer stärker Feminismus-bewegten Ehefrau.
Individualismus gegen „Wir“-Kult
Poschardt richtet sich gegen den Wir-Kult: „In einem Land ohne eine gelebte Idee des Individuellen ist das Wir das wahre Ich“, konstatiert er. „Wir sind mehr“, „wir schaffen das“, der Bundespräsident nannte sein letztes Buch „Wir“ und der Bundeskanzler nervt in jeder Rede mit Appellen zum „Unterhaken“ und „Zusammenhalt“. Scholz’ immer wiederholtes „You never walk alone“ mag für manche wie ein Versprechen klingen, für andere wie eine Drohung.
Weil Poschardt häufig Kontinuitäten zur deutschen Vergangenheit thematisiert, könnte man ergänzen: Die Forderung des NSDAP-Programms „Gemeinnutz vor Eigennutz“, das Glaubensbekenntnis des Kollektivismus, darf man heute – anders etwa „Alles für Deutschland“ – öffentlich propagieren, ohne vor Gericht zu landen. „Du bist nichts, dein Volk ist alles“ lernten die Deutschen in der Hitlerjugend. Kollektivismus hat Traditionen.
Poschardt verweist auf die moralische Instanz Günter Grass, „eine Art Leitfigur des institutionalisierten Antifaschismus der Bonner Republik“, der sich erst kurz vor Veröffentlichung seiner Memoiren daran erinnerte, dass er bei der Waffen-SS war. Seine Bücher werden trotzdem weiter gelesen. Und das ist auch gut so – weniger verständlich ist, dass man die weltweit erfolgreichste deutsche Fernsehserie „Derrick“ wegen ähnlicher Vorwürfe gegen dessen Hauptdarsteller im ÖRR heute nicht mehr sehen kann. Aber für linke Intellektuelle gilt ein Sonderstatus, wie Poschardt schreibt: „Als sie am Lebensabend mit ihren Lebenslügen konfrontiert wurden, die ihr gesamtes Werk in weiten Teilen grotesk erscheinen ließ, stellen sie sich selbst die Unbedenklichkeitserklärung aus. Besonders insistent gerät dies bei Walter Jens, der entschieden alles leugnet, bis das Lügengebäude über ihn zusammenbricht.“
Hypermoral
Poschardt wendet sich gegen die Linksgrünen, die jeden politischen Diskurs moralisieren und sich allein im Besitz der Hypermoral wähnen – oft ohne selbst auch nur ansatzweise nach den Maximen zu leben, die sie für andere penetrant propagieren. Man denke hier an Grüne Abgeordnete mit Flugrekorden und Bali-reisende Klimakleber.
Der Verlag hat Poschardt einen großen Gefallen getan, dass er das Buch nicht veröffentlichte. Es ist fraglich, ob es auf Platz 1 bei Amazon gekommen wäre ohne die kostenlose PR, für die der Autoren-Rauswurf im Vorfeld sorgte. Und während Verlage in der Regel nicht mehr als vielleicht zehn Prozent des Ladenpreises an einen Autor zahlen, bekommt ein Selbstverleger ein Vielfaches. Vielleicht wieder etwas, um das Poschardt seine Gegner beneiden, bei denen man manchmal denkt, dass sie schon als Kinder im Sandkasten die Burgen anderer zerstört haben, weil sie selbst nicht fähig waren, eine zu bauen, die ebenso hoch ist.
Schön ist sein Bild: „Der freie Mensch kann fliegen. Der unfreie Mensch möchte ihm die Flügel stutzen. Der freie Mensch verehrt Ikarus, der unfreie Mensch hofft auf die Sonne, die Ikarus zum Absturz bringt. Nichts quält unfreie Menschen mehr als der Anblick freier Menschen, die ihre Freiheit leben und genießen. Der Freiheitsneid ist der Antrieb aller totalitären, autoritären und egalitären Bestrebungen.“
- Reihe „Weltreise eines Kapitalisten“ von Rainer Zitelmann auf DDW
- Subventionen auf Rekordhoch – höchster Ausgabenposten des Staates
- Wohlstand und Armut von Nationen
Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker und Soziologe – und war auch als Unternehmer und Investor erfolgreich. Er hat 29 Bücher geschrieben und herausgegeben, die in über 30 Sprachen übersetzt wurden (zuletzt „Weltreise eines Kapitalisten„, „Der Aufstieg des Drachen und des weißen Adlers: Wie Nationen der Armut entkommen„, „Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten„). In den vergangenen Jahren schrieb er Artikel oder gab Interviews in führenden Medien wie Wall Street Journal, Times, Le Monde oder Corriere della Sera. Seit kurzem kann auch eine Master-Class „Finanzielle Freiheit – Schluss mit der Durchschnittsexistenz“ belegt werden.
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