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Zeitgemäße Gremienkultur als Erfolgsfaktor für Beirat und Aufsichtsrat
Seit mehr als zwei Jahrzehnten wird die klassische hierarchische Führung von Praxis und Wissenschaft in Frage gestellt und in Unternehmen zunehmend durch zeitgemäße Führungsmethoden abgelöst. Was bedeutet das für die Gremienkultur in Aufsichtsräten und Beiräten?
Von Rudolf X. Ruter
Transparenz, flache Hierarchien, agile Arbeitsmethoden und der verstärkte Einsatz von Technologie – das sind die Schlagworte zeitgemäßer Führung. Parallel dazu wächst die Einsicht, dass Diversität und Integrität unverzichtbar sind. Viele Unternehmen haben inzwischen einen entsprechenden kulturellen Wandel durchlaufen. Dank der damit einhergehenden größeren Veränderungsbereitschaft sind sie besser auf die Vielzahl der externen und internen Herausforderungen vorbereitet.
Auch Aufsichtsräte und Beiräte (nachfolgend sprechen wir nur von „Beirat“) sollten sich regelmäßig die Frage stellen, ob ihre internen Prozesse und die bestehende Gremienkultur wirksam und zeitgemäß sind. Die folgenden Empfehlungen sollen bei der Beantwortung dieser Frage unterstützen.
Sie sind das Ergebnis des vierten Visionary Lunch für Aufsichtsräte und Beiräte (Kurz: Visionary Aufsichtsrats Lunch, VAL), der am 21. Januar 2025 in Stuttgart stattfand. Das VAL-Team besteht aus den Beiratsexperten Sebastian Biedenkopf, Dagmar Eisenbach, Dr. Regine Hagen-Eck, Sabine Fischer, Isabel Hartung, Hans-Peter Hehn, Ralph Jacoby, Martina Koederitz, Oliver Seidl, Rudolf X. Ruter, Dr. Felix Zimmermann.
Interne Organisation
- Onboarding: Jedes Mitglied eines Beirats sollte seine Rolle und seine Aufgaben kennen und verstehen. Dafür notwendig ist ein wirksames Onboarding unter aktiver Mitwirkung des Beirats und hier insbesondere des Beiratsvorsitzenden.
- Agilität: Der Beirat sollte sich für einen Austausch zwischen den Regelterminen offen zeigen. In einem sich schnell verändernden Umfeld duldet die Behandlung von immer mehr Themen keinen langen Aufschub.
- Vorbereitung: Eine solide Vorbereitung des Gremiums als Ganzes trägt wesentlich dazu bei, die Qualität der Diskussion sicherzustellen und die zur Verfügung stehende Zeit bestmöglich zu nutzen. Je besser die Vorbereitung eines jeden Beiratsratsmitglieds ist, umso mehr Zeit bleibt in der Sitzung für die Diskussion innerhalb des Gremiums und mit der Unternehmensleitung. Nur ein gut vorbereiteter Beirat kann den üblichen Präsentationsmarathon abkürzen oder sogar überflüssig machen. Dank der so gewonnenen Zeit kann der Beirat die Arbeit und die Pläne der Unternehmensleitung wirksam hinterfragen und konstruktive Vorschläge machen.
- Vorbesprechung: In einer Vorbesprechung des Beirats ohne Geschäftsführung können Fragen und Hinweise gesammelt und geordnet werden. Dies fördert eine strukturierte und fokussierte Diskussion mit der Geschäftsführung.
- Flexibilität: Verschiedene Themen verlangen verschiedene Formate. Die Besprechung des Jahresabschlusses sollte anders organisiert sein als eine Strategiesitzung. Eine Jahresplanung mit Schwerpunktthemen hat sich in der Praxis als Leitfaden bewährt. Produktpräsentationen und Offsites sind eine gute und praxisnahe Abrundung der Gremienarbeit. Hier kann der Beirat Kreativität und Experimentierfreude zeigen.
- Nachbereitung: Viele Sitzungen enden unter Zeitdruck. Ein regelmäßiges virtuelles Wrap-up Meeting kann Abhilfe schaffen. Der Beirat bekommt die Möglichkeit, die vorausgegangene Sitzung zu reflektieren, Verbesserungsvorschläge aufzunehmen und wenn notwendig Aufgaben klar zu verteilen.
Zusammenarbeit
- Gleichwertigkeit: Im Beirat sollte es keine Hierarchie geben. Durch ein Klima der gegenseitigen Wertschätzung und des Vertrauens werden kritische Fragen und die transparente Behandlung schwieriger Themen gefördert. Auch im Beirat führt eine Kultur des offenen Wortes („Speak-up Culture“), in der jeder ermutigt wird, offen seine Meinungen, Bedenken, Ideen oder Kritik zu äußern, zu besseren Ergebnissen und zu weniger Fehlern.
- Transparenz: Jedes Beiratsmitglied sollte sich zu größtmöglicher Transparenz verpflichten. Hierzu gehört insbesondere der Abbau von Ungleichgewichten innerhalb des Gremiums durch Wissensasymmetrien, die zum Beispiel durch die zusätzlichen Aufgaben des Vorsitzenden oder Vorbesprechungen im kleinen Kreis entstehen können.
- Diversität: Im Beirat sollte Komplementarität und Vielfalt unterstützt und gefördert werden. Hierzu gehört auch die Ansprache einzelner Beiratsmitglieder, um von deren individuellen Kenntnissen und Erfahrungen profitieren zu können.
- Kritikfähigkeit: Kritikfähigkeit sollte geübt und immer wieder eingefordert werden. Nicht nur positives Feedback, sondern auch konstruktive Kritik, tragen erheblich dazu bei, ein echtes Team zu formen. Auch der Beirat sollte den Mut aufbringen, neben oder statt der individuellen Selbstevaluierung ein 360 Grad-Feedback durchzuführen.
Führung/Selbstführung
- Respekt: Auch wenn der Beiratsvorsitzende aufgrund seiner zusätzlichen Aufgaben eine Sonderstellung einnimmt, sollte er im Gremium auf Augenhöhe agieren. Nur dann kann der Beirat vom Potential eines jeden Mitglieds profitieren. Das gilt insbesondere bei neuen oder unerfahrenen Beiratsmitgliedern.
- Fokus: Das regulatorische Pflichtprogramm nimmt in Gremiensitzungen immer mehr Raum in Anspruch und lässt immer weniger Zeit für die Behandlung der unternehmerischen Themen. Hier sollte der Beirat Mut zeigen und in Abstimmung mit der Geschäftsführung die Berichte zu regulatorischen Themen straffen. Dies kann begleitet werden durch eine stärkere Delegation an Ausschüsse.
- Verantwortungsbewusstsein: Mehr Aufgaben und Rechte aufgrund einer Gremienmitgliedschaft oder eines Vorsitzes bedeutet auch mehr Verantwortung und mehr Pflichten. Letzteres in den Vordergrund zu stellen, wird dem Beirat als Kollegialorgan am besten gerecht.
- Reflexion: Zur Selbstführung gehört auch, immer wieder die eigene Rolle im Zusammenspiel mit dem persönlichen Verhalten kritisch zu reflektieren sowie das Selbstbild mit dem Fremdbild abzugleichen.
Zusammenfassung
Zweifellos blicken viele im Unternehmen mit hohen Erwartungen auf ihr Aufsichtsgremium. Auch vor diesem Hintergrund sollte man sich darüber bewusst sein, dass nicht nur die inhaltliche Arbeit, sondern auch die im Gremium herrschende Kultur wahrgenommen und bewertet wird.
So bietet sich die Chance, durch gute Gremienkultur auch ein Vorbild für eine zeitgemäße Unternehmenskultur zu sein.
Authentizität, Wertschätzung und eine vertrauensbildende Kommunikation schaffen Vertrauen im Unternehmen, auf dessen Basis es sich strategisch und operativ gut weiterentwickeln kann.
- Der Beirat als Stabilisator des jungen Familienunternehmens
- Richtiger Zeitpunkt für das Einsetzen eines Beirates erfordert Weitblick
- Aufsichtsrat und Lagerfeuer-Strategie
Rudolf X. Ruter ist Wirtschaftswissenschaftler, Autor, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater. Er ist ein Experte für Aufsichtsräte und Beiräte, mit einem besonderen Schwerpunkt auf Themen wie Nachhaltigkeit und Corporate Governance. Sein „Podcast für den Aufsichtsrat“ erzielt regelmäßig hohe Reichweiten. Nach seiner Tätigkeit als Gesellschafter und Geschäftsführer bei Arthur Andersen baute er als Partner bei Partner bei EY (vormals Ernst & Young) den Geschäftsbereich Nachhaltigkeit in Deutschland auf und leitete diesen bis 2010. Ruter war von 2008 bis 2013 Leiter des Arbeitskreises ‚Nachhaltige Unternehmensführung‘ in der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V. und Mitglied der Expertenkommission des Deutschen Public Corporate Governance – Musterkodex, der Deutschen Digitalen Beiräte und Beiräte Baden-Württemberg. Webpräsenz
Eine zeitgemäße Gremienkultur basiert auf gegenseitigem Vertrauen unter den Mitgliedern sowie stabilen
Vertrauensbrücken zu allen relevanten Stakeholdern, einschließlich Eigentümern, Vorstand und Führungskräften im Unternehmen.
Nur so kann Kreativität und Innovationskraft im Gremium gefördert und entwickelt werden.
Es ist essenziell, dass sich jedes Gremienmitglied der Bedeutung und Ausgestaltung einer zeitgemäßen Gremienkultur bewusst ist.
Siehe auch
Kreativwerkstatt für den Aufsichtsrat der Zukunft,
Die Kreativwerkstatt stellt eine neuartige, transformative Herangehensweise dar, um die Effektivität und Innovationskraft des Aufsichtsgremiums im Rahmen eines „Board of the Future“ (BoF) zu maximieren.
https://die-deutsche-wirtschaft.de/kreativwerkstatt-fuer-den-aufsichtsrat-der-zukunft/
Ein notwendiger Wandel in der Gremienkultur von Aufsichtsräten und Beiräten hin zu mehr Agilität, Diversität und Transparenz ist sicherlich noch oft und bald erforderlich.
Der Beitrag zeigt klar auf, wie zeitgemäße Führungsmethoden – geprägt von flachen Hierarchien und einer offenen Kommunikation – nicht nur in Unternehmen, sondern auch auf oberster Gremienebene Einzug halten sollten. Besonders wertvoll sind die konkreten Empfehlungen, die praxisnah und umsetzbar formuliert sind.
Hervorzuheben ist die Betonung auf die Gleichwertigkeit und die Förderung einer „Speak-up Culture“, die das Potenzial aller Mitglieder aktiviert und das Gremium zu einem echten Team formt. Ebenso überzeugt der Hinweis auf die Notwendigkeit von Reflexion und kontinuierlicher Verbesserung, die für nachhaltigen Erfolg entscheidend sind.
Die Organisation und Zusammenarbeit eines Beirats sollten so strukturiert sein, dass Vorbereitung, Nachbereitung und eine transparente, diversitätsorientierte Kultur gewährleistet sind. Dies fördert die Effektivität des Gremiums und schafft die Grundlage für fundierte Entscheidungen. Vor dem Hintergrund, dass die deutsche Governance eine regelmäßige Prüfung der fachlichen Eignung von Aufsichtsräten vorsieht, wäre es sinnvoll, dies auch für Beiräte zum Standard zu machen. Eine regelmäßige Überprüfung der fachlichen und persönlichen Kompetenzen aller Mitglieder würde sicherstellen, dass der Beirat stets einen relevanten Mehrwert für das Management des Unternehmens liefert und den Anforderungen einer sich wandelnden Unternehmenswelt gerecht wird lieber Rudolf Ruter.
Auch in einem Beirat oder Aufsichtsrat kommen Menschen zusammen.
Erst mit einer guten Vertrauensbasis und offenen Gesprächskultur untereinander und mit der Geschäftsleitung entsteht eine konstruktive und sinnstiftende Wert(e)Schöpfung zum Wohl des Unternehmens.
Wer diesen Weg geht, sollte sich der Bedeutung einer „gesunden“ Gremienkultur bewusst sein und seinen persönlichen Beitrag dazu leisten.