CDU/CSU bekommt Quittung, dass sie nicht früher mit Merkel brach

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Die CDU hat die Bundestagswahl gewonnen, doch Friedrich Merz wird wahrscheinlich mit der SPD koalieren. Die eigentlich schon nach der Ära Merkel notwendige radikale Kehrtwende wird nicht stattfinden.

von Dr. Dr. Rainer Zitelmann

Die CDU/CSU ist zwar Wahlsieger, aber angesichts der total gescheiterten Ampel ist das Ergebnis von 28,6 Prozent sehr schwach. Sie hat damit das zweitschlechteste Wahlergebnis ihrer Geschichte eingefahren und ist nur noch acht Prozentpunkte  stärker als die AfD. Und diese AfD darf hoffen, in den Umfragen schon bald die stärkste Partei zu werden, wenn es der Regierung von Friedrich Merz nicht gelingt, die Probleme in der Migration und der Wirtschaft zu lösen.

Warum es Merz nicht gelang, die AfD zu halbieren

Friedrich Merz hatte bei seiner Bewerbung für den CDU-Vorsitz versprochen, die AfD zu halbieren. Stattdessen hat sie sich im Vergleich zu 2021 verdoppelt und von 10,4 auf 20,8 Prozent zugelegt, während seine Partei gerade einmal 4,4 Prozentpunkte gewann. Es rächt sich, dass Merz es versäumt hat, früher und klarer mit der Ära Merkel zu brechen. Inhaltlich hat er die Union zwar Stück für Stück repositioniert, besonders in der Migrationspolitik.

Aber bei jeder Kritik an der Migrationspolitik konnte die AfD entgegnen: „Ihr, die CDU, wart es doch selbst, die 2015 mit all dem begonnen hat.“ Die interessanteste Zahl des Wahlabends: Auf die Frage, wer dafür verantwortlich sei, dass so viele Zuwanderer und Asylbewerber nach Deutschland gekommen seien, nannten 54 Prozent der Wähler die CDU/CSU.

Ähnlich ist es bei anderen Themen: Merz kritisierte das Abschalten der Kernkraftwerke durch die Ampel, doch die AfD, die sich für Kernkraft einsetzt, konnte entgegnen: „Ihr wart es doch selbst, die das Kernkraft-Aus unter Merkel beschlossen hattet.“ Gleiches gilt für das Verbrenner-Aus, das Merz kritisierte. Auch da konnte die AfD entgegnen: „War es nicht eure Ursula von der Leyen, die genau dieses Verbrenner-Aus zu verantworten hat?“

“Merz hat erst wenige Wochen vor der Bundestagswahl erkannt, dass es notwendig ist, sich öffentlich klar zur Verantwortung der Union für viele Probleme zu bekennen. Doch da war es längst zu spät”

Um glaubwürdig einen Neuanfang zu verkünden, hätte Merz sich früher und viel klarer von Merkel und ihrer Politik distanzieren und diese Vergangenheit offensiv aufarbeiten müssen. Davor hatte Merz aber Angst, weil er weiß, dass seine Partei innerlich zerrissen ist zwischen moderat Konservativen wie ihm und seinem Generalsekretär Carsten Linnemann einerseits und Merkelianern wie dem Schleswig-Holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther (ein Freund von Bündnissen mit Grünen und Linken), dem Nordrhein-Westfälischen Ministerpräsidenten Henrik Wüst und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin Kai Wegner andererseits. Die eigentlich notwendige öffentliche Abkehr von Merkel hätte einen innerparteilichen Streit provoziert. Merz hat erst wenige Wochen vor der Bundestagswahl erkannt, dass es notwendig ist, sich öffentlich klar zur Verantwortung der Union für viele Probleme (Migration, Energiepolitik) zu bekennen. Doch da war es längst zu spät.

Zudem konnte Merz nicht glaubwürdig vermitteln, wie er den versprochenen radikalen Neuanfang in der Migrations- und Wirtschaftspolitik darstellen möchte, wenn er sich als Koalitionspartner auf jene beiden Parteien festlegt – SPD und GRÜNE – die für die katastrophale Migrations- und Wirtschaftspolitik der vergangenen drei Jahre verantwortlich sind.

Merz sollte „lieber nicht regieren als falsch regieren“

Wie geht es weiter? Merz wird wahrscheinlich mit der SPD koalieren. Die eigentlich schon nach der Ära Merkel notwendige radikale Kehrtwende wird nicht stattfinden. Eigentlich bräuchte man einen Kanzler, der die Steuern drastisch senkt, radikal dereguliert, die Energie- und Mobilitätswende beendet, eine Migrationspolitik wie Dänemark, die Niederlande oder Polen durchsetzt und die Verteidigungsausgaben verdoppelt. All das ist mit der SPD schwer vorstellbar.

Angesichts des Desasters, das Merkel in 16 Jahren angerichtet und das die Ampel fortgesetzt hat, genügen vorsichtige Kurskorrekturen nicht. Bleibt die radikale Wende jedoch aus, werden sich immer mehr Wähler der AfD zuwenden.

Sollte Merz eine Koalition mit der AfD eingehen? Erstens hat er Tausende Male versprochen, das nicht zu tun. Zweitens würde es seine Partei zerreißen. Drittens tut die AfD selbst viel dafür, dass es nicht dazu kommt. Anders als etwa die rechten Parteien in Italien oder Frankreich, die sich gemäßigt haben, hat sich die AfD so weit radikalisiert, dass sogar ihre ehemaligen rechten Schwesterparteien in anderen europäischen Ländern nicht mehr mit ihr in einer Fraktion im Europaparlament zusammenarbeiten wollten. Jüngst erst hat die Parteivorsitzende Alice Weidel erklärt, sie könne sich gut einen Minister Björn Höcke vorstellen, also den Mann, der in der AfD für einen nationalen Sozialismus steht. Früher einmal war Weidel dafür, Höcke aus der Partei auszuschließen, heute preist sie ihn öffentlich und entschuldigt sich für ihren damaligen vermeintlichen „Fehler“. Dabei passen die Positionen von Höcke und weiten Teilen der Partei nicht zu den in vieler Hinsicht marktwirtschaftlichen Positionen von Weidel. Das größte Problem bei der AfD ist jedoch ihre Kreml-Nähe: Der Co-Vorsitzende Tino Chrupalla feierte zusammen mit den Russen in deren Botschaft den Jahrestag des Sieges über Deutschland und band sich dafür eine Krawatte in den Farben der russischen Fahne um. Seine Reden im Bundestag klingen, als seien sie im Kreml geschrieben.

Auch Weidel, wirtschaftspolitisch vernünftig, vertrat zum Teil krude Thesen – so, wenn sie Deutschland als Sklavenstaat der USA bezeichnete. Würde das wirklich stimmen, dann würden Trump und Musk ihrem vermeintlichen Statthalter Merz jetzt eine Koalition mit der AfD diktieren.

All das spricht gegen eine Koalition mit der AfD, obwohl es bei Themen wie Migration, Steuern und Kernkraft durchaus Übereinstimmungen mit der Union gibt. Die beste von allen schlechten Lösungen wäre eine Minderheitsregierung von Merz, die bei einigen Fragen mit der AfD zusammenarbeitet, aber mit Blick auf Verteidigungs- und in der Russlandpolitik die Gemeinsamkeit mit den Grünen sucht. Dies ist das einzige Gebiet, wo die GRÜNEN, die sonst in sämtlichen Politikfeldern total falsch liegen, vernünftige Positionen vertreten. Die einstmals pazifistische Partei tritt heute für Verteidigungsausgaben von 3,5 Prozent ein.

Die SPD ist dagegen in der jetzigen Verfassung eine komplett überflüssige Partei und ein schlechter Koalitionspartner für die Union. Pazifisten und Russland-Verharmloser wie etwa der Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich und die Schulden- und Steuererhöhungsfanatiker der SPD werden den notwendigen politischen Neuanfang verhindern. Man möchte Merz den Spruch zurufen, mit dem vor Jahren FDP-Chef Christian Lindner eine Regierungsbeteiligung ablehnte: „Lieber nicht regieren als falsch regieren.“ Ich fürchte, Merz wird lieber falsch regieren und damit schon bald die AfD zur stärksten Partei machen.

SPD mit schlechtestem Ergebnis in 150 Jahren, LINKE triumphiert

Die SPD hat mit 16,4 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 150 Jahren eingefahren. Das muss man erstmal hinbekommen – aber mit einer unsympathischen Parteivorsitzenden wie Saskia Esken und einem Kandidaten wie Olaf Scholz, der offensichtlich in einer Parallelwelt lebt, kann man das schaffen. Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder hatten Ergebnisse von über 40 Prozent erzielt, Brandt sogar fast 46 Prozent. Das ist lange her. Wenn sie sich nicht völlig neu erfindet – etwa in eine Richtung wie ihre Schwesterpartei in Dänemark – wird die SPD bei den nächsten Wahlen einstellig werden.

“Die FDP-Wähler von 2021 hätten sich eine rechtere FDP gewünscht: 2,1 Millionen Wähler hat die FDP an CDU/CSU und AfD verloren”

Die LINKE, die vor Monaten in den Umfragen noch mit 3 Prozent gehandelt wurde, erzielte einen großen Erfolg mit 8,8 Prozent, in der Hauptstadt Berlin kam sie mit 19,9 Prozent sogar auf den ersten Platz. Mit linksextremen Parolen vom Klassenkampf, der Forderung nach offenen Grenzen und einem Deutschland ohne Milliardäre, einem professionellen Social-Media Auftritt und kräftiger Unterstützung von vielen Sympathisanten in ARD und ZDF gelang ihr ein Feedback. Besonders von GRÜNEN-Wählern, denen die GRÜNEN nicht mehr links genug waren, erhielt sie kräftigen Zuwachs. Bei den jungen Wählern zwischen 18 und 24 Jahren wurde die LINKE mit 25 Prozent die stärkste Partei, gefolgt von der AfD mit 21 Prozent.

2,1 Millionen FDP-Wähler wählten diesmal Union und AfD

Bei den letzten Bundestagswahlen 2021 waren noch GRÜNE und FDP am stärksten bei den jungen Wählern. Die FDP kam damals auf 21 Prozent bei den jungen Wählern, diesmal nur noch auf 5 Prozent, verlor also 16 Prozentpunkte. Dass die FDP mit 4,3 Prozentpunkten aus dem Bundestag geflogen ist, hat sie sich selbst zuzuschreiben. Die FDP-Wähler von 2021 hätten sich eine rechtere FDP gewünscht: 2,1 Millionen Wähler hat die FDP an CDU/CSU und AfD verloren. Die Wähler rechneten es ihr negativ an, dass die FDP bei Themen wie Verbrenner-Aus, Kernkraft-Aus, Heizungsgesetz, Selbstbestimmungsgesetz usw. mitgemacht hat. Der Sargnagel war schließlich, dass führende FDP-Politiker wie der linksdrehende Konstantin Kuhle Christian Lindner die Gefolgschaft verweigerten und dem Gesetzentwurf der Union nur deshalb nicht zustimmten, weil die AfD es tat. Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki hatte damals schon geahnt: Das war es dann.

Man konnte aber schon lange vorher absehen, dass eine so positionierte FDP nur verlieren kann – ich habe das bereits vor über zwei Jahren hier geschrieben:  „Die FDP braucht Mut. Sie darf sich nicht an den Kommentatoren in ARD und ZDF ausrichten, sondern nach klassisch-liberalen Prinzipien und nach ihren Wählern. Das, und nicht das Wohlwollen linker Medien, muss Orientierungspunkt für die Partei sein.“ Und: „Das Thema Migration gewinnt bald wieder Brisanz, manche warnen vor einem neuen 2015. Die FDP muss bei diesem Thema hart bleiben – sie weiß die Mehrheit der Deutschen auf ihrer Seite.“

Bekanntlich ist die FDP diesen Ratschlägen nicht gefolgt. Wer wird auf Lindner folgen? Wolfgang Kubicki und Agnes Strack-Zimmermann haben ihren Hut in den Ring geworfen. Kubicki wäre eine sehr gute Wahl. Eine Frau, die 2000 Bürger angezeigt hat, weil sie sich beleidigt fühlt und zudem alles andere als eine Sympathieträgerin ist, würde die FDP dagegen ins Aus führen.

BSW scheiterte an der Persönlichkeit von Wagenknecht

Die beste Nachricht an diesem Wahlabend mit vielen schlechten Nachrichten war das knappe Scheitern von Sahra Wagenknechts BSW (4,9 Prozent). Die Sozialisten-Putinisten, die noch bei den Europawahlen und den Landtagswahlen im Osten einen großen Sieg einfahren konnten, scheiterten an ihrer Vorsitzenden, einer lupenreinen Querulantin, die überall, wo sie wirkt, für Streit sorgt. Das war schon in der LINKEN so und hat sich in ihrer neuen, eigenen Partei nicht geändert. In Rekordzeit vermochte sie es, mit ihrer schwierigen Querulanten-Persönlichkeit den Anfangserfolg zunichte zu machen. Gregor Gysi, der sie gut genug kennt, hatte genau dies vorhergesagt. Und ich hatte schon im Oktober 2023, drei Monate vor der offiziellen Gründung des BSW,  vorhergesagt: „Vor allem könnte Wagenknecht ihre eigene Persönlichkeit im Wege stehen. So gekonnt sie nach außen auftritt, so gilt sie doch als extrem schwierige Persönlichkeit, die nur schwer mit anderen zusammenarbeiten kann. Gewiss, sie ist eine Meisterin der Selbstvermarktung und beherrscht diese Kunst so gut wie kaum ein anderer Politiker in Deutschland. Aber eine glänzende Rednerin und Selbstvermarkterin ist noch lange keine erfolgreiche Parteipolitikerin.“

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Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker und Soziologe – und war auch als Unternehmer und Investor erfolgreich. Er hat 29 Bücher geschrieben und herausgegeben, die in über 30 Sprachen übersetzt wurden (zuletzt “Weltreise eines Kapitalisten“, “Warum Entwicklungshilfe nichts bringt und wie Länder Armut wirklich besiegen“, “Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten“). In den vergangenen Jahren schrieb er Artikel oder gab Interviews in führenden Medien wie Wall Street Journal, Times, Le Monde oder Corriere della Sera. Seit kurzem kann auch eine Master-Class “Finanzielle Freiheit – Schluss mit der Durchschnittsexistenz” belegt werden.

Bild: CDU-Vorsitzender Friedrich Merz und Generaksekretär Carsten Linnemann bei der Pressekonferenz der CDU im Konrad-Adenauer-Haus  am Tag nach der Bundestagswahl (imago)

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