Wie ungerecht ist Schönheit – und wie gefährlich werden ihre Gegner? Rainer Zitelmann über seinen dystopischen Roman und die Missgunst der Massen.
Schönheit war nie belanglos. Nie nebensächlich. Sie hat Karrieren begründet, Gesellschaften geprägt und wirkt im Stillen als unsichtbare Architektin sozialer Ordnung. Sie ist Versprechen und Urteil zugleich – eine soziale Währung, deren Kurs sich zwar wandelt, aber deren Macht bleibt. In einer Zeit, in der Gleichheit zum höchsten Wert erhoben wird, wirkt Schönheit fast anstößig. Denn sie ist nicht gerecht. Sie bevorzugt, spaltet, verführt.
Rainer Zitelmann, bekannt für seine Analysen über Reichtum und Erfolg und regelmäßiger Autor auf DDW, greift diese Überlegungen in seinem Roman „2075. Wenn Schönheit zum Verbrechen wird“ auf und entwirft ein beunruhigendes Zukunftsszenario. Politik und Ästhetik gehen in der von Zitelmann entworfenen Welt Hand in Hand. Begriffe werden umgedeutet, Rebellen verfolgt und Schönheit bestraft. Im Interview mit der Berliner Zeitung spricht Zitelmann über seine Vorstellung von Schönheit und darüber, ob wir Ungleichheit meinen, wenn wir von Gerechtigkeit sprechen.
Herr Zitelmann, liegt Schönheit im Auge des Betrachters oder dient dieser Satz nur dazu, die Macht gängiger Ideale zu verschleiern?
Dieser Satz klingt vielleicht angenehm, tröstend und sicher politisch ganz korrekt, ist aber falsch. Wir wissen das aus der wissenschaftlichen Attraktivitätsforschung. Die Unterschiede im Geschmack, also welches Gesicht und welcher Körper schön sind, und welche nicht, sind sehr viel geringer, als es dieser Spruch glauben machen will.
Wie wichtig ist Ihnen Ihre eigene Schönheit? Oder anders gefragt: Finden Sie sich selbst schön?
Ich finde, ich habe einen schönen Körper und mit meinem Gesicht bin ich zufrieden, bis auf die Falten, die mit dem Alter leider kommen. Zum Glück spielt es im Leben eines Mannes aber kaum eine Rolle, ob er durchschnittlich, gut oder sehr gut aussieht.
Ist die Erzählung, dass das Aussehen eines Mannes keine Rolle spielt, nicht längst ein Mythos? Gerade jetzt, in einer Zeit, in der Fotos auf Dating-Plattformen darüber entscheiden, ob wir einem Menschen eine Chance geben oder eben nicht.
Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker und Soziologe – und war auch als Unternehmer und Investor erfolgreich. Er hat 30 Bücher geschrieben und herausgegeben, die in 35 Sprachen übersetzt wurden
Ich sage nicht, dass es keine Rolle spielt. Ich sage, dass es eine geringere Rolle spielt als bei Frauen. Natürlich, wenn ein Mann extrem unattraktiv aussieht, hat er es bei der Partnerwahl schwerer. Aber ob er durchschnittlich gut oder sehr gut aussieht, spielt keine entscheidende Rolle – zumindest nicht, wenn es um eine Beziehung geht. Wir wissen auch aus der Attraktivitätsforschung, dass zum Beispiel der soziale Status des Mannes für die meisten Frauen bei der Partnerwahl wichtiger ist als das Äußere.
Hat sich Ihre Vorstellung und Definition von Schönheit im Laufe Ihres Lebens verändert?
Nein, niemals. Ich finde genau die gleichen Frauen schön, die ich auch vor 40 Jahren schön fand.
Würden Sie sagen, dass es so etwas wie objektive Schönheit gibt – oder ist Schönheit für Sie etwas rein Subjektives?
Die Forschung hat herausgefunden, dass bestimmte Merkmale im Gesicht einer Frau von den allermeisten Menschen als schön empfunden werden, das ist weniger subjektiv, als oft behauptet wird. Aber natürlich gibt es auch Subjektives. Ich mag zum Beispiel keine stark aufgespritzten Lippen bei einer Frau, aber eine sehr schöne Nase kann mich begeistern. Eine Figur wie die von „David“, also die berühmte Statue von Michelangelo, ist schön. Und 50 kg Übergewicht sind nicht schön. Das finden im Grunde fast alle Menschen. Ich habe aber absolut nichts dagegen, wenn jemand widerspricht und im Sinne von Body Positivity sagt: „Ich finde mich mit 50 Kilo Übergewicht wunderschön“. In Ordnung. In Ordnung ist aber nicht, wenn diese Person dann sagt: „Du musst mich auch schön finden, und wenn nicht, musst du dich hinterfragen, und wenn du das auch nicht machst, mache ich dich nieder.“
In Ihrem neuen Buch „2075. Wenn Schönheit zum Verbrechen wird“ entwerfen Sie ein dystopisches Bild der Zukunft, in der Schönheit kein Privileg, sondern ein Makel ist, der geahndet wird. Auf Basis welcher Erlebnisse oder Beobachtungen ist diese Idee entstanden?
Ich habe vor einigen Jahren ein wissenschaftliches Buch geschrieben, „Die Gesellschaft und ihre Reichen“. Da ging es um Vorurteile und Stereotype von reichen Menschen Und nun habe ich mich einer anderen Minderheit angenommen, den Schönen. Gleichmacher schüren Neid gegen Menschen, die in irgendeiner Beziehung über dem Durchschnitt herausragen, zum Beispiel, weil sie reicher sind oder schöner. Klar wollen die meisten Menschen lieber reich und schön sein als arm und – ja, das Wort ist ein Tabu – hässlich. Aber es gibt eine Kehrseite.
Inwiefern?
Über die andere Seite der Schönheit wird kaum gesprochen, aber sie ist sehr real. Sehr schöne Frauen haben keineswegs nur Vorteile im Leben. Sie haben beispielsweise viel mit Neid zu kämpfen. Das kann am Arbeitsplatz ein Problem sein, wenn die schöne Frau zum Beispiel eine Chefin hat, die neidisch ist, weil sie selbst nicht gut aussieht. Ein anderes Problem, das auch im Beruf eine Rolle spielt, hat damit zu tun, dass viele Menschen das Vorurteil haben, wer besonders schön sei, könne nicht zugleich auch besonders intelligent sein. So etwas ärgert mich. Es gibt keinerlei Beleg dafür, dass es unter schönen Frauen weniger Intelligente gibt als unter solchen, die nicht gut aussehen.
Schönheit und Ungleichheit werden in der von Ihnen skizzierten Zukunftsgesellschaft fast synonym verwendet. Nicht nur Geld soll umverteilt werden, auch angeborene „unverdiente“ Privilegien werden aus „Gerechtigkeitsgründen“ kriminalisiert. Würden Sie sagen, dass sich ein Teil der Gesellschaft schon heute in diese befremdlich wirkende weltanschauliche Richtung entwickelt?
Rainer Zitelmann legt mit seinem neuen Buch eine spannende Abrechnung mit dem Gleichheitswahn vor – in der Tradition von Romanen wie „1984“ und „Brave New World“. Leseproben zu „2075 Wenn Schönheit zum Verbrechen wird“ und ein Gewinnspiel finden Sie hier
In meinem Buch ist Schönheit zum Teil nur eine Chiffre. Ich hätte auch von einer radikalen Bewegung schreiben können, die sich gegen „über-intelligente“ Menschen wendet. Aber das ist aus verschiedenen Gründen weniger wahrscheinlich. Mir geht es im Buch aber nicht vor allem um Schönheit, sondern darum, wie Neid mobilisiert wird gegen Minderheiten, die positiv herausstechen aus der Masse. Neid hat mich schon immer als psychologisches Phänomen beschäftigt, ich habe viel über Neidforschung gelesen. Und Neid ist in ein großes Problem – besonders in Ländern wie Deutschland und Frankreich. Polen oder Vietnamesen zum Beispiel sind viel weniger neidisch.
In Ihrem Buch geht es primär um die Schönheit von Frauen und um Vorteile, die sich Frauen dadurch „erschleichen“. Aus welchem Grund haben Sie diese einseitige Betrachtungsweise gewählt und männliche Privilegien ausgeklammert?
Es gibt in der Attraktivitätsforschung den Begriff des „Schönheitsbonus“, auf den sich auch die extreme Bewegung MOVE in meinem Buch bezieht. Es ist belegt, dass gutes Aussehen Vorteile im Leben bringt, und das finde ich selbst absolut in Ordnung. Wir alle haben in verschiedenen Bereichen Vor- oder Nachteile, auch von Geburt an. Dafür muss sich niemand schämen. Es ist ja auch nicht jeder gleich intelligent. Aber ich glaube, dass das, was die wissenschaftliche Attraktivitätsforschung über die Vorteile von Schönen herausgefunden hat, nur für „gut aussehende“ Menschen gilt, während es extrem schöne Frauen in mancher Hinsicht wieder schwerer haben, vor allem wegen des Neids und wegen der erwähnten Stereotypen. Die Attraktivitätsforschung hat zudem belegt, was sowieso jeder weiß, dass für Männer das Aussehen im Leben eine weniger bedeutsame Rolle spielt als für Frauen. Ein Mann, der nicht besonders aussieht, kann das einfacher kompensieren, also zum Beispiel durch sozialen Status oder Geld.
Allgemein gesprochen – wann wird ein Privileg so mächtig, dass es zu einer gesellschaftlichen Bedrohung für eine vermeintlich gerechte Gesellschaft wird?
Das Wort „Privileg“ ist totaler Blödsinn. Es wird in meinem Buch von den Verfechtern der extremen „MOVE“-Ideologie verwendet. Und es wird heute von Leuten verwendet, die sich als „woke“ bezeichnen. Das Wort „Privileg“ soll suggerieren, dass jeder, der nicht zu einer sogenannten „benachteiligten“ Gruppe gehört, sich dafür schuldig fühlen soll, dass er nicht „benachteiligt“ ist. Es gibt tatsächlich Dummköpfe, die sich schuldig fühlen – zum Beispiel als Männer, als Weiße, als Amerikaner oder Europäer, als Reiche usw.
Ist nicht Ungleichheit Ausdruck wahrer Gerechtigkeit – und Freiheit?
Ja. Eine Gesellschaft, in der alle gleich wären, wäre schrecklich. Denn da Menschen von Natur aus ungleich sind, könnte diese Gleichheit nur mit Gewalt hergestellt werden. Mit Gewalt, Zwang und ideologischer Gehirnwäsche. Gott hat die Menschen ungleich gemacht und Gleichheitswahn hat in der Geschichte viel Unheil angerichtet. Denken Sie nur an die Schreckensherrschaft der Roten Khmer in Kambodscha oder an die chinesische Kulturrevolution. Ich bin anti-egalitär und das Buch ist ein Buch gegen den Egalitarismus. Ich gehe aber noch weiter. Die meisten stimmen ja zu, wenn man sagt, es sei falsch, alle gleichzumachen. Aber sie fügen hinzu, die Unterschiede sollten nicht zu groß werden. Sie wenden sich gegen „Über-Reiche“, also Milliardäre, oder in dem Buch gegen „Über-Schöne“. Und dagegen wende ich mich. Wer soll bestimmen, welche Unterschiede noch akzeptabel sind und welche nicht? Der Staat? Die Mehrheit? Ich widerspreche.
Wären Sie in der von Ihnen geschaffenen Welt im Jahre 2075 ein Rebell oder Mitläufer?
Ich war nie Mitläufer und bin immer gern gegen den Strom geschwommen, auch unter Inkaufnahme persönlicher Nachteile. Aber ob ich so mutig wäre wie die Helden in dem Buch, Alexa und Riven, da habe ich auch Zweifel.
Ihr Buch lässt Raum für unterschiedliche Lesarten – als Kritik an oberflächlicher Schönheitsbewertung ebenso wie als Warnung vor ideologisch motivierter Gleichmacherei. Welche Gedanken oder gesellschaftlichen Diskussionen wollten Sie mit „2075“ anstoßen?
Das Buch hat viele Ebenen und wird hoffentlich unterschiedliche Diskussionen auslösen. Wenn man es auf eine Ebene reduzieren könnte, hätte ich ein Sachbuch schreiben können. Ich habe gefunden, dass Frauen und Männer das Buch anders lesen. Schöne Frauen fühlen sich verstanden.
Und das wissen Sie, weil?
Celine Nadolny, vor zwei Jahren Vize Miss Germany hat über mein Buch gesagt: „Auch ich habe erlebt, wie Schönheit schnell mit Naivität oder Oberflächlichkeit verwechselt wird. Wer offen über Neid spricht, eckt an – Zitelmann tut es trotzdem. Und genau deshalb sollten wir dieses Buch lesen und die Debatte führen, die längst überfällig ist.“ Ähnlich hat sich Carina Zavline geäußert, die früher bei Germanys Next Top Model war. Das ist eine Ebene des Buches: Vorurteile und Neid gegen schöne Frauen. Und dann gibt es eine andere Ebene. Politisch interessierte Menschen lesen das Buch anders. Professor Bagus, ein Freund des argentinischen Präsidenten Javier Milei, der auch ein wichtiges Buch über ihn geschrieben hat, hat gesagt, mein Buch 2075 zeige „logisch zu Ende gedacht, wohin uns die beherrschenden gleichmacherische Ideologie der Linken führt“.
Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker und führt den Kulturkampf mit seinem neuen Anti-Woke Roman „2075. Wenn Schönheit zum Verbrechen wird“ . Das vorliegende Interview führte Sophie-Marie Schulz und erschien zuerst in der BERLINER ZEITUNG, mit der Genehmigung wir es auch auf DDW veröffentlicht haben.
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