Deutschland 2025: Rezession und Strukturbruch

Keine Kommentare Lesezeit:

Die deutsche Wirtschaft schrumpft in diesem Jahr um 0,2 Prozent, sagt die neue Konjunkturprognose des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) voraus – während alle großen Volkswirtschaften der Welt wachsen. Dahinter steht mehr als Konjunktur, vielmehr ein fundamentaler Strukturbruch.

Alle großen Volkswirtschaften der Welt wachsen – nur die deutsche Wirtschaft schrumpft in diesem Jahr um 0,2 Prozent. Das ist das Ergebnis der neuen IW-Konjunkturprognose. Demnach wächst der Euroraum in diesem Jahr um 0,8 Prozent, die USA schaffen 1,3 Prozent und China sogar vier Prozent Wachstum – und das trotz des Zollkriegs, den die US-Regierung ausgerufen hat. Deutschland leidet ganz besonders unter den Folgen, aber auch unter weltweiten Unsicherheiten und anhaltend niedrigen Investitionen. Hinzu kommen Sorgen aus dem eigenen Land: Nach wie vor sind die Standortkosten hoch, bei größeren Anschaffungen bleiben viele Deutsche vorsichtig. Das Land bleibt in der Rezession. Auch die Arbeitslosenzahlen steigen: Bis zum Sommer dürfte es rund drei Millionen Arbeitslose geben.

Die Ergebnisse im Detail:

  • Die US-Handelspolitik ist das größte Risiko für die Weltwirtschaft in diesem Jahr. Nach IW-Berechnungen würde die globale Wirtschaftskraft ohne die US-Zollpolitik in diesem Jahr um bis zu 0,8 Prozent höher ausfallen.
  • Die internationale Verunsicherung hält viele Unternehmer davon ab, zu investieren. Vor allem größere Anschaffungen wie neue Maschinen und Fahrzeuge nehmen ab.
  • Besonders düster ist die Lage in der Industrie und im Baugewerbe. Industriefirmen werden nach dem Rückgang von drei Prozent 2024 auch in diesem Jahr weniger Wertschöpfung erreichen als noch im Vorjahr – hohe Energiepreise, steigende Löhne und viele Regulierungen belasten. Bauunternehmen müssen nach Einbußen von 3,7 Prozent 2024 auch 2025 weitere Einschränkungen hinnehmen: Auch hier bremsen hohe Baukosten aufgrund von Regulierungen die Konjunktur.

Die schlechte Entwicklung ist inzwischen auch auf dem Arbeitsmarkt angekommen: Seit Mitte 2024 schrumpft die Zahl der Erwerbstätigen. Im Sommer dürfte es bundesweit wieder drei Millionen Arbeitslose geben – das gab es zuletzt 2010. „Die deutsche Wirtschaft steht unter enormem Druck“, sagt IW-Konjunkturchef Michael Grömling. „Die neue Regierung hat es jetzt in der Hand. Eine Trendwende ist möglich und überfällig.“ Das Infrastruktursondervermögen könnte die Konjunktur ankurbeln – wenn es denn mit schnellen Planungsverfahren abgerufen wird. Zudem leiden die Unternehmen unter unnötig viel Bürokratie und hohen Steuern. Die neue Koalition hat Entlastungen angekündigt – je schneller sie kommen, desto besser, so Grömling.

Der große Strukturbruch

Das IW zeichnet in seiner Studie auch die großen Linien der wirtschaftlichen Entwicklung nach. Mit dem starken Wirtschaftseinbruch aufgrund der Corona-Pandemie im Jahr 2020 und dem ökonomischen Stillstand in den vergangenen drei Jahren aufgrund des Krieges in der Ukraine und seiner Folgen für die deutsche Wirtschaft und aufgrund der vielfältigen globalen geopolitischen Verwerfungen habe sich die deutsche Volkswirtschaft fundamental von ihrem über lange Zeit gewohnten Wachstumspfad entfernt.

Dies sei insofern bedeutsam, da sich aus der erfahrenen wirtschaftlichen Dynamik die gesamtwirtschaftlichen Einkommens- und Wohlstandsverbesserungen sowie das Mittelaufkommen des Staates und somit seine finanziellen Handlungsspielräume ergaben. Diese Gewohnheiten und Selbstverständlichkeiten bestehen derzeit und offensichtlich auch auf absehbare Zeit nicht mehr. Dazu kommen nach vorne gerichtet die über die nächste Dekade bremsenden Effekte der demografischen Entwicklung in Deutschland.

Eine Abbildung veranschaulicht diesen offensichtlichen Strukturbruch. Zum einen ist dort der tatsächliche Verlauf des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Deutschland für den Zeitraum 1991 bis 2024 zu sehen. Zum anderen befindet sich in der Abbildung ein Wachstumspfad, dem das Durchschnittswachstum für den Zeitraum 1991 bis 2019 zugrunde liegt.

Der Blick auf den gesamtwirtschaftlichen Pfad zeigt jedenfalls, dass die tatsächliche Entwicklung nach den bisherigen Krisen in Deutschland bis 2020 immer wieder zu dieser Wohlstandsdynamik zurückfand. Das erscheint in Anbetracht der gegenwärtigen Anpassungslasten kaum wieder zu schaffen. Um bis 2030 auf den über eine lange Zeit gewohnten und oftmals selbstverständlichen Wachstumspfad zurückzukehren, müsste die deutsche Wirtschaft jährlich um rund 2,5 Prozent wachsen. Eine solch starke Erholung und Expansion würde eine sofortige starke und durchgehende konjunkturelle Dynamik in Deutschland erfordern – mittelfristig und vor allem aber mit Blick auf das Jahr 2025 sei diese aber zumindest fraglich.

Impulse aus der neuen Regierung?

Neben dieser pessimistischen Vorgabe für die kurzfristige Entwicklung in Deutschland aufgrund der geopolitischen Änderungen sorgen die relativ schnelle Regierungsbildung in Deutschland sowie die bereits beschlossenen institutionellen Änderungen für ein optimistisches Gegengewicht. Die im März 2025 beschlossene Veränderung der Schuldenbremse sowie die Einrichtung des Sondervermögens für Investitionen erweitern die politischen Gestaltungsspielräume in den kommenden Jahren entscheidend, so das IW.

Die Auswirkungen für das Jahr 2025 werden jedoch überschaubar bleiben. Weder im Verteidigungsbereich noch bei der Infrastruktur ist in diesem Jahr mit wesentlichen zusätzlichen Impulsen zu rechnen. Dafür fehlt es zum einen an kurzfristig verfügbaren Kapazitäten in der Privatwirtschaft, zum anderen benötigen die politischen Umsetzungsprozesse erfahrungsgemäß Zeit. Zudem ist die Mittelverwendung kein Selbstzweck, eine überjährige Priorisierung ist vielmehr erforderlich, um Wachstumsimpulse und eine spürbare Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen. Ansonsten steigt der Inflationsdruck und in der Folge könnten die erhofften Wachstumsimpulse verpuffen.

Im laufenden Jahr sollten daher Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, die den Kapazitätsaufbau in der Privatwirtschaft fördern, das Arbeitsangebot stabilisieren, die Steuer- und Abgabenlast begrenzen und vor allem Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen sowie die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung vorantreiben.

Die aktuelle Konjunkturprognose zum Download

Mehr zum Thema:

Bild oben: succo auf Pixabay

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Language