
Wird KI Sie als Führungskraft überflüssig machen?
Vor ein paar Wochen saß ich mit einem Führungsteam zusammen. Alles erfahrene Leute. Industrie, Maschinenbau, gestandene Führungskräfte. Ich fragte sie: „Wie nutzen Sie KI heute schon in Ihrem Führungsalltag?“ – Schweigen. Entsetzte Gesichter. Manche schauten zu Boden, andere lachten verlegen. Einer wagte schließlich die Frage: „Ben, meinst du wirklich, dass sich das Thema durchsetzt?“ Ich war ehrlich gesagt entsetzt.
Von Ben Schulz
Diese Frage hätte man vor 30 Jahren beim Internet stellen können. Oder bei der CD. Oder bei Social Media. Hat sich das durchgesetzt? Ja. Und es hat jeden getroffen, ob man wollte oder nicht.
Meine spontane Antwort: „Wenn Sie sich die Kompetenz nicht aneignen, wird Sie Ihr Chef irgendwann vor die Tür setzen. Punkt.“
Das unbequeme Gefühl
Ich weiß, das klingt hart. Aber schauen wir uns die Realität an. KI ist längst da. Sie schreibt Texte, sie analysiert Daten, sie erstellt Szenarien und trifft Vorentscheidungen. Sie optimiert Prozesse, bevor eine Führungskraft überhaupt die Lage erkannt hat.
Und was machen viele? Sie reden sich ein, dass ihr Bauchgefühl, ihre Erfahrung, ihre Routine reichen. Ich sehe das fast täglich. Das unbequeme Gefühl, dass da etwas Neues kommt, wird verdrängt. Man hofft, dass es schon vorbeigeht.
Genau das ist gefährlich. Weil KI nicht einfach ein Tool ist, das man an- oder ausschalten kann. KI verändert, wie wir führen.
Führung im Spiegel der KI
Ich habe den Satz einmal in einem Workshop gesagt: „Führungskräfte müssen lernen, KI zu führen – oder sie werden von KI geführt.“ Genau das ist die Herausforderung. Es reicht nicht mehr, Entscheidungen allein auf Intuition zu stützen. KI liefert in Sekunden Analysen, für die wir früher Tage brauchten. Sie wirft mehr Ideen in den Raum, als ein Team in einer Woche erarbeiten kann. Und sie wartet nicht, bis Sie fragen. Sie handelt.

Was heißt das für Sie? Ihre Rolle verändert sich. Sie sind nicht mehr der Entscheider, der alles selbst entwickelt. Sie sind Kurator, Gestalter, Sinnstifter. Sie wählen aus, setzen Grenzen, geben Richtung. Wenn Sie das nicht tun, macht es jemand anderes – oder eben die Maschine.
Das eigentliche Risiko
Viele reden über Kontrollverlust oder über Datenschutz. Alles berechtigte Punkte. Aber das eigentliche Risiko liegt woanders: in der eigenen Passivität. Ich erinnere mich an ein Kapitel in meinem Buch Führungskräfte als Hoffnungsträger. Da beschreibe ich die zerstörerische Kraft von Hoffnungslosigkeit. Genau das erlebe ich im Umgang mit KI: Menschen, die die Augen senken, weil sie ahnen, dass sie den Anschluss verpassen. Es geht hier nicht um Maschinen, sondern um Haltung. Wer führt, muss entscheiden, ob er sich diese Kompetenz aneignet oder abwartet. Und Abwarten heißt: den Platz räumen.
Der Mittelstand und seine Illusion
Gerade im Mittelstand beobachte ich eine gefährliche Illusion. Man glaubt, kleiner und flexibler zu sein, also schneller reagieren zu können. Doch die Realität sieht anders aus. Studien zeigen, dass Kompetenzen die härteste Währung der Transformation sind. Und genau die fehlen oft.
Ich erlebe Geschäftsführer, die noch stolz sagen: „Ich tippe keine Mails selbst.“ Gleichzeitig glauben sie, KI müsse sie nichts angehen. Dabei sind es genau diese Führungskräfte, die am dringendsten lernen müssten, wie man KI bewusst nutzt.
Und jetzt?
Wenn Sie mich fragen, was Sie tun sollen, dann sage ich: Fangen Sie an. Heute. Nicht in einem Jahr. Nicht, wenn der Markt Sie zwingt. Heute. Sie müssen kein Programmierer werden. Aber Sie brauchen ein Grundverständnis, wie KI funktioniert, welche Fragen man ihr stellt und welche Grenzen sie hat. Sie brauchen den Mut, Routinen abzugeben und sich auf die neue Rolle einzulassen.
Ich sage es ganz klar: Wer diese Kompetenz nicht aufbaut, riskiert seine Führungsrelevanz. Und am Ende den Job.
Ich gebe zu:
Auch ich habe gezweifelt. Ich habe mich gefragt, ob ich mich auf ein Thema einlasse, das vielleicht in ein paar Jahren wieder verschwindet. Aber je tiefer ich gehe, desto klarer wird mir: KI ist nicht irgendein Trend. Sie ist der neue Rahmen, in dem wir führen.
Und deshalb frage ich Sie: Wollen Sie die Führung abgeben – oder behalten?
- Stellenbeschreibung: Hoffnungsträger Führungskraft
- „Ich krieg drei Brötchen.“ – Und sonst so?
- Ben Schultz im Lexikon des Chefwissens
Ben Schulz ist Sparringspartner für Geschäftsführer und Führungsteams in klein- und mittelständischen Unternehmen, wenn es um deren Strategie und Transformationsprozessen geht. Sein neuestes Buch “Führungskräfte als Hoffnungsträger” wurde in kurzer Zeit zum Spiegel-Bestseller. Der Vorstand des Beratungshauses Ben Schulz & Partner AG legt den Schwerpunkt seiner Tätigkeit, gemeinsam mit seinem Team, auf die Schwerpunkte Unternehmensleitbildentwicklung, Kulturwandel, Führungskräfteentwicklung und strategischen Unternehmersparrings, bei denen es um die Steigerung von Perfomance geht. Mehr Infos
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