Es gibt immer mehr Reiche und immer weniger Arme
Die Zahl der extrem Armen ist weltweit jüngst auf 817 Millionen Menschen gestiegen, was jedoch ausschließlich auf eine Änderung der Berechnungsmethode durch die Weltbank zurückzuführen ist.
Von Dr. Dr. Rainer Zitelmann
„Die Reichen werden immer reicher und Armen werden immer ärmer“ – kaum ein Satz ist so oft wiederholt worden, und daher glauben das viele Menschen. Viele Menschen glauben sogar, dass es einen Zusammenhang zwischen beiden Entwicklungen gäbe, dass also die Armen immer ärmer würden, weil die Reichen immer reicher würden. Man nennt das Nullsummenglauben. Klassisch formuliert hat das Bertolt Brecht:
„Reicher Mann und armer Mann
standen da und sah’n sich an,
und der Arme sagt bleich:
Wär’ ich nicht arm, wärst du nicht reich.“
Zahl der Armen geht zurück
Bevor der Kapitalismus entstand, vor etwa 200 Jahren, lebten rund achtzig bis neunzig Prozent der Weltbevölkerung in extremer Armut. Dieser Anteil hatte sich dank der Entwicklung des Kapitalismus bis 1990 etwa halbiert. Für 1990 schätzt die World Bank, dass rund 2,3 Milliarden Menschen in extremer Armut lebten, was etwa 43 Prozent der damaligen Weltbevölkerung entsprach.
Ein besonders starker Rückgang lässt sich ab den 1990er Jahren beobachten. Der Zusammenbruch des Sozialismus in der Sowjetunion und den Ostblockstaaten sowie der Beginn kapitalistischer Reformen in Ländern wie China und Vietnam führten dazu, dass sowohl der Anteil als auch die absolute Zahl der Menschen in extremer Armut abnahmen. Um das Jahr 2015 herum lag die Zahl global bei rund 700 Millionen Menschen und damit erstmals unter zehn Prozent der Weltbevölkerung, 2022 lag der Prozentsatz bei etwa neun Prozent.
Mitte 2025 wurde die internationale Armutsgrenze dann jedoch durch die Weltbank um etwa 40 Prozent angehoben, was zu einem Anstieg der Armutsquote auf etwa 10,5 Prozent führte. Für das Jahr 2025 schätzt die World Bank nach neuer Methode rund 831 Millionen Menschen in extremer Armut. Die Zahl ist 50 Prozent höher (!) als sie es wäre, wenn die Weltbank nicht die Berechnungsmethode geändert, sondern die Armutsgrenze nur gemäß dem Anstieg der Inflationsrate angehoben hätte. Nach der alten Berechnungsmethode läge sie bei 540 Millionen, also bei 6,5 Prozent. Der jüngste Anstieg auf 10,5 Prozent ist also vor allem auf eine geänderte Berechnungsmethode zurückzuführen, tatsächlich ist die Armut so niedrig wie noch nie.
Immer mehr Milliardäre
Aber wie verhält es sich mit der Entwicklung der Zahl der Reichen? Seit Beginn der 1990er-Jahre ist die Zahl der Milliardäre weltweit stark angestiegen. Anfang der Dekade gab es global nur einige Hundert Personen mit einem Vermögen von mindestens einer Milliarde US-Dollar. Die Forbes-Listen aus dieser Zeit zeigen, dass die Zahl der Milliardäre damals noch deutlich unter 500 lag. Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus in der Sowjetunion und Osteuropa und dem Ende von Maos Sozialismus in China und den kapitalistischen Reformen in China, Vietnam, Indien und anderen Ländern nahm die Zahl dann deutlich zu und erreichte um das Jahr 2000 etwa 470 Personen. In den 2000er-Jahren beschleunigte sich das Wachstum weiter: Mitte des Jahrzehnts lag die Zahl bereits bei rund 700, stieg bis kurz vor der Finanzkrise 2007/2008 auf fast 1.000 an. Die Finanzkrise führte zu einem kurzfristigen Rückgang, doch seit den frühen 2020er-Jahren bewegt sich die Zahl der Milliardäre im Bereich von 2.000 bis knapp 3.000 und überstieg zuletzt die Marke von rund 3.000 Personen. Insgesamt hat sich die Zahl der globalen Milliardäre seit 1990 also etwa versechsfacht.
Allerdings muss man berücksichtigen: Parallel dazu hat sich auch der reale Wert von Vermögen verändert. Eine Milliarde US-Dollar im Jahr 1990 entspricht inflationsbereinigt heute ungefähr zweieinhalb Milliarden US-Dollar. Wer 1990 also über ein Milliardenvermögen verfügte, müsste heute deutlich über zwei Milliarden halten, um dieselbe reale Kaufkraft zu besitzen. Da sich die Zahl der Milliardäre seit 1990 etwa versechsfacht hat, sieht man jedoch, dass dies nicht primär durch die Geldentwertung zu erklären ist.
Nullsummenglauben ist falsch
Fazit: Dank dem Ende des Sozialismus und kapitalistischen Reformen in Ländern wie China, Indien und Vietnam geht die Zahl der Armen weltweit seit den 90ern Jahren drastisch zurück, während die Zahl der Milliardäre massiv steigt. Zu Maos Zeiten lebten 88 Prozent der Chinesen in extremer Armut, heute sind es weniger als 1 Prozent. Die Zahl der Milliardäre stieg jedoch im gleichen Zeitraum allein in China von Null auf über 500. Anhänger des Nullsummenglaubens, also der Meinung, Reiche seien nur reich, weil sie den Armen etwas weggenommen hätten, können nicht erklären, warum die Zahl der Armen massiv zurückging und parallel die der Reichen massiv stieg. Der Grund für beide Entwicklungen ist jedoch der Gleiche: Das durch den Kapitalismus ermöglichte Wirtschaftswachstum.
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Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker – und war auch als Unternehmer und Investor erfolgreich. Er hat 30 Bücher geschrieben und herausgegeben, die in über 35 Sprachen übersetzt wurden (“Weltreise eines Kapitalisten“, “Warum Entwicklungshilfe nichts bringt und wie Länder Armut wirklich besiegen“, “Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten“) und jüngst auch die Master-Class “Finanzielle Freiheit – Schluss mit der Durchschnittsexistenz“ vorgelegt. Sein jüngstes Buch ist der Anti-Woke Roman „2075. Wenn Schönheit zum Verbrechen wird“.






















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