Toxische Glaubenssätze des Vermögensaufbaus, Teil 2: „Geld verdirbt den Charakter“

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Schädliche Glaubenssätze und „giftige Stereotype“ über die Marktwirtschaft, über Geld, Börse und vermögend werden sorgen mit dafür, dass Deutsche beim Nettovermögen gegenüber manchen anderen Ländern hinterherhinken. Heute: „Geld verdirbt den Charakter“.

Von Dr. Gerd Kommer und Selina Gschossmann

Deutschland und Österreich haben ein Altersarmutsproblem, das sich aufgrund der bekannten Misere der gesetzlichen Rentenversicherungssysteme in Zukunft noch verschlimmern wird. Wer als normaler Bürger, vor allem als Mensch in der ersten Lebenshälfte in der Vermögensaufbauphase, diesem Problem individuell entgehen möchte, für den ist der Vermögensaufbau über den globalen Aktienmarkt die beste Option. Dennoch besitzen heute nur rund 15 Prozent aller deutschen Haushalte Aktien oder Aktienfonds gegenüber etwa 66 Prozent der amerikanischen. Das ist einer der Gründe, warum das Nettovermögen des Median-Amerikaners weit über dem des Median-Deutschen liegt. Eine Hauptursache für das Desinteresse der Deutschen am Aktienmarkt dürfte ihre generelle Skepsis gegenüber der Marktwirtschaft, dem „Kapitalismus“ sein. Vor diesem Hintergrund analysieren wir in dieser neuen Reihe elf schädliche Glaubenssätze und „giftige Stereotype“, die finanziellen Erfolg sabotieren.

Toxischer Glaubenssatz über Geld Nr. 2:
„Geld verdirbt den Charakter“

Für die These, dass reiche Menschen häufiger und irgendwie belegbar von schlechterem Charakter sind als arme Menschen gibt es keine belastbaren, wissenschaftlichen Belege. Zwar existieren zahlreiche wissenschaftliche Studien zu diesem Thema, deren Ergebnisse sind jedoch in Summe widersprüchlich und uneindeutig.

Worüber hingegen keine Unklarheit besteht: Gewaltkriminalität nimmt statistisch mit der Höhe des Einkommens von Menschen ab. Dass die belletristische Literatur der letzten 500 Jahre und „Hollywood“ in ihren erfundenen Geschichten, Reichtum sehr häufig mit Schurkentum verknüpfen, ist trivial, belegt aber nichts, außer dass Literatur und Filmindustrie – wie wir alle wissen – die Realität nicht repräsentativ abbilden und dass Literatur und Medien einen perfekten Riecher dafür haben, was sich gut verkaufen lässt.

Neid als Ursprung

Leider sind auch in der Bibel ähnlich törichte Aussagen von den grundsätzlich „bösen Reichen“ zu finden. Die bekannteste ist: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“

Unseres Erachtens steht hinter dem verbreiteten Glaubenssatz „Geld verdirbt den Charakter“ letztlich Neid auf die Minderheit der Reichen, besonders in Kulturen mit hoher allgemeiner Neidausprägung. Eine Befragung in 13 Ländern ergab, dass nur in Frankreich der Sozialneid gegen Reiche noch stärker ist als in Deutschland, während etwa Polen oder Japaner viel weniger neidisch sind (siehe folgende Literaturangaben). Neid ist eine in allen kulturellen Wertesystemen negativ konnotierte Emotion. Im Christentum gehört Neid zu den „sieben Todsünden“. Um unseren Neid subjektiv vor dem eigenen Gewissen erträglicher zu machen, projizieren wir schlechte Eigenschaften auf die Personengruppe, die der Gegenstand des Neides ist, die Reichen. Wir tun das, obwohl wir keine harte Evidenz für die Substanz dieser Projektion („Geld verdirbt den Charakter“, „Reiche sind böse“) haben.

Fachartikel zum Thema:

  • Zitelmann, Rainer (2020): „Prejudice and stereotyping against the wealthy“; In: Economic Affairs 40 (2); June 2020; Internet-Fundstelle hier
  • Zitelmann, Rainer (2024): „Popular perceptions of the rich in 13 countries“; In: Economic Affairs 44 (2); June 2024; Internet-Fundstelle hier
  • Zitelmann, Rainer (2020): „How Hollywood stereotypes the rich“; Internet-Fundstelle hier
  • Beig, Stefan (2020): „The Rich – A personally unknown and hated minority“; Internet-Fundstelle hier

Die bisherigen Folgen auf DDW:

Dr. Gerd Kommer ist Gründer und Geschäftsführer der Gerd Kommer Invest GmbH und Autor des Finanzklassikers “Souverän investieren mit Indexfonds und ETFs“. Im Jahr 2000 hat er passives Investieren und das Weltportfolio-Konzept in Deutschland eingeführt. Er steht wie kein Zweiter für rationale und wissenschaftliche Geldanlage mit kostengünstigen Indexfonds und ETFs. Gerd Kommer Invest GmbH

Foto auf Pexels von Anete Lusina

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