Wachstumskräfte im Unternehmen aktivieren

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Profitables Wachstum ist das Ziel der meisten Unternehmen. Nicht jede Organisation ist jedoch auch bereit dafür. Vor allem interne Wachstumsbremsen behindern sie auf dem Weg nach vorne. Welche sind dies und wie lassen sich die oft verborgenen Bremsen lösen?

Das in der Öffentlichkeit und auch in der politischen Diskussion propagierte Verständnis von Wachstum ist vielfach lückenhaft. Wachstum wird auf ein «Mehr des Gleichen» reduziert; es bestehen sogar Forderungen, auf Wachstum partiell oder generell zu verzichten. Entsprechende Veröffentlichungen haben Hochkonjunktur.

Basis für Wohlstand

Übersehen wird in dieser Diskussion, dass Wachstum – richtig verstanden – ein wesentlicher Antrieb und Basis für die Entwicklung einer Volkswirtschaft und vor allem für die Entwicklung von Unternehmen ist. Wachstum ist die Basis unseres Wohlstandes, und der Grad der Wachstumsintelligenz unserer Unternehmen ist maßgeblich dafür verantwortlich, wie gut oder wie schlecht es der Wirtschaft als Ganzes geht. Wachstum lässt sich weder verordnen, noch lässt sich ein Wachstumswille stoppen. Wer wachsen will, wird Wege finden, dies zu tun. Wettbewerb als Wachstumspartner ist ein immanentes Element der Marktwirtschaft. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Wachstum etwas Förderliches ist.

Wachstumsbremsen lösen

Gleichwohl gibt es in den meisten Unternehmen und Organisationen selbstverständlich Bremsen, die das Wachstum verlangsamen, erschweren und teilweise sogar unmöglich machen. Dies können institutionelle Bremsen, spontane, verhaltensinduzierte Bremsen und Bremsen sein, die sich über Jahre hinweg verstärkt haben. Aufgabe der Führung ist es in erster Linie, dafür zu sorgen, diese Bremsen zu lösen, um das Potenzial des Unternehmens voll zu nutzen. Natürlich kann ein Unternehmen auch mit angezogenen Bremsen wachsen, doch ist dies aus nahe liegenden Gründen weitaus kraftraubender als ein Wachstum mit einer Organisation, die dieses Wachstum auch unterstützt. Die schmerzhafte Erkenntnis ist: Wer bremst, ist stärker als der, der Gas gibt – wie im Kraftfahrzeug. Bevor begonnen werden kann, Wachstumsbremsen in einem Unternehmen zu lösen, muss zunächst das traditionelle Wachstumsverständnis in der Führung zu einem neuen Wachstumsverständnis reifen. Dazu sind folgende Überzeugungen erforderlich: Wachstum kommt von innen. Es ist nicht das «böse Umfeld», das ein Unternehmen daran hindert, zu wachsen. Die meisten Hindernisse sind hausgemacht. Wird die Schuld stets außerhalb des Unternehmens gesucht, gibt das Unternehmen die Macht über das Gestaltbare zu früh ab. Wachstum bedeutet nicht «Mehr des Gleichen». Wachstum entsteht aus Prozess, Produkt- oder Marktinnovation. Eines der prägendsten Beispiele ist Apples iPhone. Nur sehr wenige Menschen hätten Steve Jobs seinerzeit auf die Frage, wie ein neues, modernes, attraktives Mobiltelefon aussehen könne, geantwortet: «Es muss ein intuitiv bedienbares Gerät sein, mit dem ich nicht nur telefonieren kann, sondern das auch meine gesamte Musik- und Fotosammlung enthält, mit dem ich überall auf der Welt über meine Daten verfügen, mit jedem über soziale Netze in Kontakt treten kann und das mein ganzes Leben verändert.»

Wachstum ist kein Foto, sondern ein Film. Wachstum kann nicht als Projekt verstanden werden, sondern muss sich als Prozess im Unternehmen etablieren. Wer sich Wachstum auf die Agenda geschrieben hat und stets nur darauf schaut, einzelne Geschäftsjahre bilanziell zu optimieren, wird nicht langfristig wachsen. Wachstum ist multidimensional: Wachstum darf nicht nur auf wirtschaftliche Kennzahlen reduziert werden, sondern muss auch qualitative Dimensionen enthalten wie zum Beispiel eine bessere Produktqualität, bessere Kunden, leistungsfähigere Mitarbeiter, schnellere und schlankere Prozesse, eine höhere Innovationsgeschwindigkeit, usw. Wachstum wird nicht durch die letzte Zeile der Gewinn- und Verlustrechnung repräsentiert. Das reine Fokussieren auf den Gewinn – bei aller Gewinnerfordernis, derer es zur erfolgreichen Unternehmensentwicklung bedarf – greift zu kurz, denn es sind die richtigen Taten, die richtigen Projekte, die richtigen Initiativen, die steuerbar sind und zu dem angestrebten Gewinn führen sollen. Das Resultat lässt sich im Nachhinein nicht mehr beeinflussen.Wachstumsintelligenz bedeutet, mittels gezielter Innovation als Wachstumsgrundlage multidimensional zu wachsen. Nicht jede Organisation ist bereit dafür, selbst wenn die Führung schon bereit ist.

Bereit für Wachstum?

Um zu diagnostizieren, ob eine Unternehmensorganisation überhaupt wachstumsbereit ist, muss zunächst die Position des Unternehmens – oder alternativ die Positionen  einzelner Geschäftsbereiche – auf der Wachstumszykluskurve präzise bestimmt werden, denn es leiten sich drei unterschiedliche Führungsfoki daraus ab. Diese grundsätzlichen Positionen kommen infrage:

1. Der Aufschwung

Wenn sich ein Unternehmen in einem Aufschwung befindet, vielleicht sogar in einem steilen Aufschwung, ist es die Kernaufgabe der Führung, dafür zu sorgen, dass das Fundament für das Unternehmenswachstum vorhanden ist und vorhanden bleibt. In der Regel besteht in einer Wachstumsphase eine hohe Aufbruchstimmung, die dann getrübt werden kann, wenn das Fundament, nämlich eine funktionierende Organisation mit leistungsfähigen Prozessen, fehlt oder erodiert. Wer denkt, dass ein Aufschwung problemlos gehandhabt werden kann, irrt. Dieser Irrtum wird oft geschürt dadurch, dass vermeintlich jeder Fehler verziehen wird, denn die Kraft des Aufschwungs ist häufig so stark, dass Fehler durch neue Opportunitäten schnell glattgebügelt werden können. Der Frohsinn hat spätestens dann ein Ende, wenn sich die Organisation durch das Chaos, das durch zahlreiche neu eingeschlagene Richtungen eintritt, überfordert zeigt. Die Unternehmensführung muss zwingend darauf achten, dass die Mannschaft gehalten werden kann, denn vielfach laufen stark wachsende Organisationen Gefahr, ihre besten Mitarbeiter zu überfordern und letztendlich zu verlieren. Führungsfokus: Durch konsequente Prozessarbeit für ein robustes organisationales und prozessuales Fundament sorgen.

2. Der Abschwung

Befindet sich ein Unternehmen im Abschwung, besteht der wesentliche Vorteil darin, dass der Mannschaft nichts mehr erklärt werden muss – vorausgesetzt, die Unternehmensführung geht transparent mit der Situation um, was unbedingt zu empfehlen ist. Wissen die Mitarbeiter, dass die Situation ernst ist, wird ihnen auch klar sein, dass einschneidende Maßnahmen erforderlich sind, um wieder wachstumsbereit zu werden, denn das Unternehmen befindet sich unter – oder kurz vor – der Wasser-oberfläche. Der Strohhalm zum Luftholen ist noch lang genug, aber es sind schnelle und gezielte Maßnahmen erforderlich, das ist einsichtig. Vor allem aber bedarf es eines konkreten Ziels, das mit einer Restrukturierung angestrebt wird und das alle Mitarbeiter, die an Bord bleiben, eint. Sehr wichtig dabei ist, dass diese Restrukturierungsphase als Vorbereitung des nächsten Wachstumsschubs verstanden werden muss. Das Unternehmen holt nur neuen Schwung. Führungsfokus: Durch Transparenz und Verantwortungsübergabe die Mitarbeiter gewinnen und ihnen Perspektive vermitteln.

3. Das Plateau

Das Wachstumsplateau ist die gefährlichste aller drei möglichen Positionen auf der Wachstumskurve, denn meist wächst man noch ein wenig – vielleicht nicht so viel, wie in der Vergangenheit –, alle Mitarbeiter fühlen sich wohl, die Gehälter werden pünktlich gezahlt, Lieferantenrechnungen ebenso, aber es erfolgen eben keine Sprünge mehr. Hier besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass Bequemlichkeit die Wachstumsbereitschaft überholt hat. Es besteht häufig der Eindruck des Besitzstandverwaltens. Indizien dafür sind ausgeprägte Diskussionen über die Anzahl der Fenster im Büro, die Höhe der Stuhllehnen, die Dienstwagenregelung, Scheingefechte über Nebenthemen. Bezeichnend dabei: Der Kunde kommt in den meisten Gesprächen gar nicht mehr vor; er wird als gegeben hingenommen. Der größte Feind des Erfolgs aber ist Erfolgsgewohnheit; ein voller Bauch studiert nicht gern. Die Führung hat in dieser Situation die herausfordernde Aufgabe, die Mannschaft aufzurütteln, denn eines steht fest: Auch auf dem Weg über das größte Plateau ist irgendwann der Abgrund erreicht. Führungsfokus: Vermitteln hochgradige Intoleranz gegenüber Stagnation und Start einer Innovations- und Wachstumsoffensive unter starker Beteiligung des Vertriebs.

Wachstumspromotoren finden

Wachstumspromotoren lassen sich vor allem dadurch identifizieren, dass sie über Resultate und Verantwortung sprechen und weniger über Tätigkeiten. Mitarbeiter, die häufig darüber sprechen, was sie den ganzen Tag über tun und warum «das alles so viel» ist, werden bei einer Wachstumsinitiative nicht sofort hilfreich sein. Diejenigen Mitarbeiter jedoch, die darüber sprechen, für welche Ergebnisse sie sich verantwortlich fühlen und welche Resultate sie wie erzielt haben, sind als Wachstumspromotoren gute Kandidaten. Bei der Suche nach den Wachstumspromotoren muss zwingend eine wesentliche Unterscheidung getroffen werden: Wachstumswille und Wachstumskompetenz sind zwei unterschiedliche Aspekte der gleichen Medaille. Daher kann es hilfreich sein, jeden Mitarbeiter in ein Koordinatensystem aus diesen beiden Achsen einzutragen. Mitarbeiter, die den Willen zum Wachstum haben, aber noch nicht die Kompetenz dazu, können gute Trainings durchlaufen. Mitarbeiter, die die Fähigkeit zum Wachstum hätten, aber denen der Wille dazu fehlt, bedürfen der Einsicht, aber nicht des Trainings – hier wird viel Geld verschwendet. Diese fähigen, aber nicht willigen Mitarbeiter können auch nicht beliebig im Unternehmen geduldet werden.

Die Rolle der Führung

Nur die Führung kann nachhaltig dafür sorgen, dass ein Unternehmen profitabel wächst. Bottom-up-Initiativen sind lobenswert, aber auf Dauer nicht allein tragfähig. Es bedarf der Protagonisten in der Unternehmensführung, die immer und immer wieder dafür Sorge tragen, dass sich die vorhandene Wachstumsintelligenz im Unternehmen vervielfacht. Idealerweise ist dies die Rolle des Unternehmers.

Einige Führungsgrundsätze dazu:

Auf aufwendige und teure Motivationsprogramme kann im Wesentlichen verzichtet werden, denn sie funktionieren nicht. Extrinsische Motivation ist nicht möglich und wer sich auf die Wirkung von Motivationsveranstaltungen verlässt, wird enttäuscht. Sacharbeit sollte bei einer Führungskraft im Hintergrund stehen, sonst wäre sie Sachbearbeiter und sollte auch so bezahlt werden. Führungsaufgabe ist es, zu inspirieren, die Motivation der Mitarbeiter zu erhalten, Leidenschaft zu fördern und  Talente zu entdecken und zu entwickeln. Im Unternehmen muss es einige wenige, unverrückbare Leitplanken geben und  wenige, wohlgesetzte Regeln (wobei jede Regel, die nicht kontrolliert wird, direkt  gestrichen werden kann). Das Festlegen dieser Leitplanken und Regeln ist Führungsaufgabe. Mitarbeiter müssen mit den Instrumenten, über die ein Unternehmen verfügt und die für den Arbeitsbereich der Mitarbeiter relevant sind, nicht nur vertraut gemacht werden, sondern es bedarf auch einer Lernerfolgskontrolle – wie übrigens für alle Trainings. Werden die Instrumente auch angewendet? Auch zwei GPS-Navigationssysteme nutzen im Auto nichts, wenn man sie nicht bedienen kann. Der Satzbeginn «Eigentlich müssten wir ‘mal» muss aus Arbeitstreffen und Meetings gestrichen werden. Diese Sätze beinhalten sozial erwünschte Themen, derer sich im Nachhinein niemand annimmt und sie erzeugen eine gefährliche Scheinsicherheit, die richtigen Themen adressiert zu haben. Kein Arbeitspaket darf ohne eine Verantwortlichkeit und einen Endtermin passieren und es bedarf einer Kontrolle über die Einhaltung des inhaltlichen und terminlichen Ziels. Wer eine Wachstumspause oder gar einen (vorübergehenden) Wachstumsstopp einfordert, könnte ebenso fordern, das Atmen einzustellen. Irgendwer wird irgendwo immer eine gute Idee haben und damit wachsen wollen. Wachsen wir nicht weiter, überholen uns andere. Also sind wir gut beraten, unsere inneren Wachstumskräfte in den Unternehmen zu aktivieren und zum Wohle aller einzusetzen.

 

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